01.03.2000
Weibliche Intuition versus männliche Logik
Von Gordon Graham
Gordon Graham über den Versuch, Wissen zu "feminisieren".
Die moderne Frauenbewegung hatte ihren Ursprung im 19. Jahrhundert, als Denker wie John Stuart Mill zum ersten Mal wichtige Fragen über den gesellschaftlichen Status von Frauen öffentlich zur Diskussion stellten. Mill betonte die Irrationalität der gesetzlichen und gesellschaftlichen Barrieren, die Frauen den Zugang zum politischen und beruflichen Leben verwehrten. Er meinte, dass keine rationale Grundlage für die willkürliche Benachteiligung von Frauen existiere.
Heute sind (zumindest in der westlichen Welt) alle gesetzlichen und die meisten gesellschaftlichen Barrieren aus dem Weg geräumt und Quotenregelungen und Anti-Diskriminierungsgesetze implementiert worden. Trotzdem ist es eine empirisch nachweisbare Tatsache, dass Frauen in vielen Berufen viel weniger vertreten sind als Männer. Besonders in einigen Karriereberufen sind sie selten anzutreffen.
Viele Menschen sind durch diese ungleiche Verteilung in den verschiedenen Berufen beunruhigt und fordern weitere Maßnahmen, um “dem Problem” entgegenzuwirken. Als Folge hat sich ein neuer feministischer Ansatz entwickelt, der zum Ziel hat, “unsichtbare” Barrieren zu überwinden. In einer seiner abenteuerlichsten Formen fordert diese Doktrin die “Feminisierung von Wissen”, denn was Frauen davon abhalte, in höhere Etagen vorzustoßen, sei das von der männlichen Mentalität geprägte Wissen. Daher wird eine radikale Revision wissenschaftlicher Untersuchungsmethoden gefordert: Im Wissenschaftsbetrieb soll der Intuition (eher typisch für die “weibliche” Denkart) mehr Bedeutung beigemessen werden als der Logik (ein eher “männliches” Markenzeichen).
Man erkennt leicht, wie gefährlich es wäre, wenn diese Herangehensweise gesellschaftlich anerkannt würde. Die Entwicklung von Wissenschaft und Technologie gehören zu den großen Errungenschaften der Menschheit. Durch sie haben wir heute Medizin, reichlich Nahrungsmittel, moderne Kommunikations- und Computer-Technologie. Außerdem verstehen wir mittlerweile die Anfänge des Kosmos und die Evolution des Menschen. Der Versuch, diese Art des Denkens zu verändern, beinhaltet das Risiko, in der Zukunft keine weiteren Erkenntnisse zu erringen und in eine vorwissenschaftlichen Ideenwelt zurückzukehren.
Abgesehen davon ist die “Feminisierung des Wissens” auch für Frauen ein Rückschritt. Sagt diese Theorie nicht, dass Männer rationaler sind, während Frauen eher zu Emotionalität neigen? Hatten wir das nicht schon einmal?
Meiner Meinung nach hatte John Stuart Mill recht: Künstliche Barrieren, die der Gleichheit der Geschlechter im Wege stehen, müssen aus dem Weg geräumt werden. Dann müssen wir der Geschichte ihren Lauf lassen. Wenn wir das nicht tun und immer weiter nach den “wirklichen Ursachen” forschen, dann treffen wir Aussagen, die keine reale Grundlage mehr haben. Wir riskieren sowohl die Entwicklung von Individuen als auch unsere Zukunft.