07.03.2010
Wahrheit und Wahrhaftigkeit bei der Grünen Gentechnik
Von Mathias Boysen
Eine Replik auf den APUZ-Artikel „Agrarethik und Grüne Gentechnik – Plädoyer für wahrhaftige Kommunikation“ von Franz-Theo Gottwald.
Aus Politik und Zeitgeschichte (APUZ) nennt sich eine durchaus lesenswerte Publikation im deutschen Blätterwald. Es handelt sich um eine Beilage der Wochenzeitschrift Das Parlament. Jede Woche werden in APUZ tagesaktuelle oder im Hintergrund schwelende Fachgebiete aus zumeist akademischer Perspektive beleuchtet. Jüngst beschäftigte sich die Redaktion mit dem Themenkomplex Lebensmittel und Agrarpolitik. Franz-Theo Gottwald nähert sich darin dem umstrittenen Gentechnikeinsatz in der Landwirtschaft aus der kommunikationstheoretischen Perspektive. Sein Beitrag trägt den vielversprechenden Titel Agrarethik und Grüne Gentechnik – Plädoyer für wahrhaftige Kommunikation“.
Durchaus zutreffend charakterisiert er die aktuelle Situation: „Die derzeitige kommunikative Lage kann mit einem Stellungskampf verglichen werden: Die Fronten sind festgefahren.“ Auch der Feststellung, dass zwischen diesen Fronten ein Wissens-, Unsicherheits- und Wertekonflikt verläuft, kann man nur uneingeschränkt zustimmen. Diese richtige Analyse lässt auf gute Ansätze des Autors hoffen, wie diese kommunikativen Sackgasse bewältigt werden könnte.
Leider sind Gottwalds Vorschläge für einen zweifelsohne notwendigen kommunikativen Neubeginn enttäuschend, sogar ernüchternd. Dies rührt gar nicht einmal davon, dass die theoretische Idee an sich nicht lesenswert wäre. Doch der Text zeigt all zu deutlich, dass der Anspruch einer „wahrhaftigen Kommunikation“ vom Autor selbst nicht eingehalten wird; Gottwald diskreditiert seine eigene Idee als reine Sprechblase.
Sehr gut möglich, dass sich der der Autor selbst mit seinen Ausführungen für neutral hält. Immerhin versucht er an verschiedenen Stellen, beide Seiten der Auseinandersetzung der Grünen Gentechnik darzustellen. Die Aussage, die Printmedien seien einer „monoman erscheinenden medialen Fokussierung auf die Zuchterfolge der Grünen Gentechnik“ schuldig, die „bei weitem den größten Raum einnähme“, kann man noch als persönliche Wahrnehmung des Autors stehen lassen. Was Gottwald dagegen unter der Zwischenüberschrift „Grüne Gentechnik – Versprechen und Wirklichkeit“ darlegt, gerät ihm zur einseitigen Auflistung der Argumente der Gentechnik-Kritiker.
Beispielsweise verweist er in punkto Wirtschaftlichkeit der im Anbau befindlichen transgenen Sorten zweimal auf die Arbeiten des bekannten Kritikers Charles Benbrook, unterschlägt aber die Arbeiten von Unterstützern wie Brookes und Barfoot Brookes und Barfoot oder die Meta-Analyse des IPTS, die einen guten und differenzierten Sachstand zur Wirtschaftlichkeit bietet. Alle drei Quellen sind an dieser Stelle zum Nachlesen empfohlen. Selbst Benbrook attestiert schädlingsresistenten Pflanzen zumindest rückblickend eine Verringerung der Pestizide; Gottwalds Liste der Wahrheiten unterscheidet dagegen Schädlingsresistenz nicht von Herbizidtoleranz und beklagt sachlich inkorrekt einen „Anstieg des Pestizideinsatzes“ und den „Einsatz von Breitbandpestiziden“. Der an dieser Stelle gemeinte Anstieg der applizierten Herbizide ist zwar grundsätzlich richtig, sagt aber ohne weitere Informationen nichts über die Wirtschaftlichkeit – oder über die Umweltwirkung oder die Toxizität – des Herbizideinsatzes aus.
Soweit nur ein Beispiel von vielen für die fehlende Genauigkeit und traurige Einseitigkeit der von Gottwald vorgetragenen Wirklichkeit; einiges ist zudem längst widerlegt und somit schlicht falsch. Augenscheinlich hat er zuvor selbst in einem der Gräben, auf der Seite der Gentechnikkritiker, Platz genommen. Mein Eindruck wurde unlängst von der Wochenzeitung Die Zeit bestätigt, wonach der Autor Vorstand der Schweisfurth-Stiftung ist, die sich gegen Grüne Gentechnik engagiert.
Der Autor gibt selbst ein ernüchterndes Beispiel dafür, wie schwer es ist, „Wahrhaftigkeit“ wirklich umzusetzen. Seine Wahrheit ist eben nur die einer Seite – die der Kritiker. Mit Blick auf seine Forderung an die NGOs eine „selektive Lesart von Forschungsergebnissen“ zu vermeiden, muss man sagen, Herr Gottwald predigt etwas, was er selbst nicht einhält. Schade, denn seine Grundidee wäre es wert diskutiert zu werden. Die Grenzen seines Ansatzes liefert er unfreiwillig gleich mit.