22.01.2009

Wahljahr 2009: Besser gut als super

Von Sabine Reul

Angesichts des hessischen Auftakts ist für unser sogenanntes Superwahljahr 2009 neben der Quantität – gegen die als solche nichts spricht – dringend etwas Besinnung auf Qualität zu fordern. Dieser Auftakt war indes trostlos.

Die Banalität des vorausgegangenen Wahlkampfs und das mehr als ein Jahr währende sinn- und würdelose Ringen der SPD um die Wiesbadener Macht ließen viele Wähler die Urnen großräumig meiden. Dass die Wahlbeteiligung mit knapp über 60 Prozent in einer Landtagswahl just in dem Moment einen historischen Tiefststand erreicht hat, in dem keiner weiß, was angesichts der schwersten Finanz- und Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit demnächst ins Haus stehen oder sinnvoll zu tun sein mag, zeigt, dass der demokratische Prozess irgendwie seine Funktionstüchtigkeit eingebüßt hat. Er ist nicht weniger innovationsbedürftig als Wirtschaft und Banken. Und da wir gerade dabei sind, die Prinzipien unserer Finanz- und Wirtschaftsordnung grundlegend umzugestalten, ist dies gewiss kein schlechter Zeitpunkt für eine nicht mindern einschneidende Renovierung des Parlamentarismus.

Die Kommentare zum Wahlausgang in Presse und Medien indessen beschränkten sich erneut auf die schon fast tautologische Feststellung, der dramatische Absturz der SPD und das ebenfalls blamable Ergebnis der CDU seien ein weiterer Beleg für die Erosion der großen Volksparteien, um sich dann den üblichen Gedankenspielen über mögliche Koalitionen nach den Bundestagswahlen im Herbst zuzuwenden. Dabei zählen diese Art Erbsenzählerei und das permanente Koalitionspalaver zu genau den Unsitten, die das Wählen und den Parteienwettstreit zurzeit so vielen sinn- und zwecklos erscheinen lassen.

Nicht, dass Koalitionen kein politisch interessantes Thema sein könnten. Schließlich pflasterten Koalitionsdebatten den Weg des Parlamentarismus von Anbeginn, auch zu seinen besten Zeiten. Nur macht eine solche Debatte erst dann Sinn, wenn es ein politisches Konzept gibt, für das es lohnt, aus taktischen Gründen temporäre Kompromisse mit anderen politischen Kräften einzugehen. Dass davon zurzeit keine Rede sein kann, ist allseits bekannt. Nicht umsonst füllen Betrachtungen zur Kontur- und Richtungslosigkeit der aktuellen Berliner Regierungskoalition täglich die Zeitungskolumnen. Das Problem ist, dass es heute außer Koalitionen gar kein politisches Thema mehr zu geben scheint. Sofort nach der Hessenwahl setzte sich – von Westerwelle, Merkel und Müntefering bis Trittin und Gysi – das Führungspersonal sämtlicher Parteien wieder mit Koalitionsaussagen für die erst in gut einem halben Jahr anstehenden Bundestagswahlen in Szene.

Daher ein erster Vorschlag zur dringend erforderlichen Innovation der Demokratie: Redet von jetzt an bitte über Inhalte und Projekte – und über Koalitionen erst nach dem 27. September.

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