11.05.2010
Vom Regen in die Traufe: Die Regierungen haben uns in die Schuldenfalle manövriert
Rettungsschirme und Konjunkturprogramme sollten uns vor dem reinigenden Gewitter schützen, den Regierungen und viele Ökonomen als sauren Regen darstellten.
Allerdings kann die konjunkturelle Kurbelei nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch Polit-Schamanen aus Wasser keine Sonne machen können. Da das Wasser lediglich an anderer Stelle zu Boden geleitet und aufgestaut wurde, reicht es uns nun stellenweise bis zur Brust – Tendenz weiter steigend.
Der deutsche Staat hat, wie die westlichen Regierungen insgesamt, kein Einnahme-, sondern ein Ausgabeproblem. Die Politiker haben Staatsausgaben des Bundes in Höhe von 319,5 Milliarden Euro für das Haushaltsjahr 2010 zugestimmt – das ist eine Steigerung von 10,8%. Die wichtigste Quelle zur Finanzierung dieser gigantischen Summe sind Steuereinnahmen, die allerdings planmäßig lediglich 211,9 Milliarden Euro betragen. 1970 lagen die Staatsausgaben noch bei 106,5 Mrd. DM, nach dem keynesianischen Jahrzehnt vergeblicher Ankurbelung und infolgedessen gravierender Stagflation 1980 waren sie immerhin schon auf 297,9 Mrd. DM angestiegen. Was macht die Regierung mit dem vielen Geld der Steuerzahler? 143,2 Milliarden Euro gehen für Arbeit und Soziales drauf. Das Ergebnis sind amtlich geschönte, rund 3,5 Millionen Arbeitslose und eine wachsende Zahl abwandernder Leistungsträger. Frau von der Leyens praktiziert wie ihre Vorgänger gerade unter dem Gesichtspunkt der Armenfürsorge angesichts unseres Wohlfahrtsniveaus eine spektakuläre Geldverschwendung. Den zweitgrößten Posten mit 38,9 Milliarden Euro machen die Zinszahlungen für die Bundesschulden aus. Damit er kräftig weiter wächst, kommen nach derzeitigen Planungen noch einmal 80,2 Milliarden Euro neue Schulden für 2010 hinzu. Daran schließt sich der unproduktive Verteidigungshaushalt mit 31,1 Milliarden Euro an. Ob das Geld für eine bessere Ausrüstung der in Afghanistan kämpfenden Soldaten ausreicht, erscheint nach acht Jahren Verteidigung Deutschlands am Hindukusch ungewiss.
Die überbordende Staatsverschuldung westlicher Staaten ist bereits per se problematisch. Die Schuldenquoten westlicher Länder haben inzwischen ein Niveau erreicht wie unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Weltkriegsähnliche bilanzielle Folgen ohne Weltkrieg? Zusätzlich brisant werden sie durch ihre inhärente Dramatisierungstendenz. Der US-Ökonom Alan Auerbach urteilt: „Das entscheidende Problem bei der Staatsverschuldung ist die zukünftige Dynamik.“ Der Pionier bei der Berechnung der versteckten Staatsverschuldung fügt hinzu: „Die derzeitige Haushaltspolitik kann so nicht weitergehen.“ Warum das so ist, hat die in Basel ansässige Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) berechnet. Ihr Chefökonom, Stephen Cecchetti, zeigt mit Ko-Autoren in der Studie „The Future of Public Debt“ auf, dass ein Ausweg aus der selbst gestellten Schuldenfalle für viele westliche Länder bereits jetzt nur unter großen Schwierigkeiten möglich ist. Das gilt für einige Staaten selbst dann, wenn sie die Regierungsausgaben kürzen, Steuern erhöhen sowie Sozialausgaben und -verpflichtungen drastisch verringern. Der bekannte US-Ökonom Nouriel Roubini warnte bereits vor einer „Todesspirale der Schulden“ – bei schrumpfender Wirtschaftsleistung sei die Verringerung der Neu- und der Gesamtverschuldung nicht mehr zu schaffen. Bliebe es beim Status quo, so die BIZ-Studie, würden dennoch die Ausgaben für den Schuldendienst drastisch weiter steigen – in Deutschland von derzeit knapp fünf Prozent der Wirtschaftsleistung des gesamten Landes auf 15 Prozent im Jahr 2040. Besonders schlecht ist es neben Griechenland um Spanien, Frankreich, die USA, Großbritannien und Japan bestellt. Aber auch für die Niederlande, Irland und Deutschland ist eine Trendwende unvermeidlich und erfordert politisch drastische Schritte. Die Sozialausgaben, darunter Pensionen und Renten, müssten auf dem Niveau von 2011 eingefroren werden. Inzwischen dürfte sich ein wachsender Teil der jungen und mittleren Generation in Deutschland keinen Illusionen mehr hingeben. Die Rente mit 70 wird kommen und etwa auf dem „Sozialhilfeniveau” liegen, also gerade einmal für eine schlichte Ausstattung mit Kleidung, Nahrung und Wohnung ausreichen. Hauptsache warm und trocken.
Ach ja, eine unangenehme Randnotiz: Die BIZ hatte vor Ausbruch der Weltwirtschaftskrise zu den (wenigen) echten Mahnern gehört. Auch wenn es sich um modellhafte Fortschreibungen handelt, hat die Studie also Gewicht, zumal hier in Deutschland Prof. Raffelhüschen jahrein jahraus mit ähnlichen Nachrichten aufwartet und zuletzt in den öffentlichen Haushalten Deutschlands eine Nachhaltigkeitslücke von 6,2 Billionen Euro identifiziert hat.
Da Staatsausgaben private Ausgaben verdrängen, Wohlstand und Wachstum verringern, hat das Ganze auch sein Gutes. Die Rekordverschuldung erfordert eine Rekordentstaatlichung. Alle Haushaltstitel müssen auf den Prüfstand. Dazu gehören auch Subventionen und Steuervergünstigungen, die nach Schätzung des Instituts für Weltwirtschaft allein in Deutschland 140 Milliarden Euro betragen. Bei Unternehmen lässt sich stets ein Einsparpotenzial von 10 Prozent realisieren, interessant wird es aber erst bei darüber hinausgehenden Größenordnungen. Pauschale Kürzungen der Staatsausgaben im zweistelligen Prozentbereich könnten also ein erster Schritt sein; der nächste wäre dann die weitreichende Rückgabe von Regierungseigentum (das „Tafelsilber” unserer Funktionäre) durch Verkauf an Private. Der von der Bundesregierung eingeschlagene Weg sieht derzeit etwas anders aus: Sie lässt den deutschen Steuerzahler vorerst mit 67 in Rente gehen, damit die systemrelevanten Griechen weiter mit 58 ihren sonnigen Ruhestand genießen können.