01.03.2004

Universitätsreform ohne universitäre Perspektive?

Essay von Jürgen Mittelstraß

Humboldt auf den Lippen, Ausbildung im Sinn und Zwergenschulen in Planung. Jürgen Mittelstraß über die Klippen und Scheuklappen des deutschen Bildungsdiskurses.

Das Universitätssystem verändert sich – auch in Deutschland. Am deutlichsten kommt dies im Stellenwert der Lehre zum Ausdruck. Nahezu alle Universitätsreformen und die sie begleitende Hochschulpolitik betreffen Fragen der Lehre, nicht Fragen der Forschung oder des Zusammenwirkens von Forschung und Lehre. Schon könnte man den Eindruck gewinnen, Universitäten seien allein Stätten der Lehre, nicht der Forschung, und damit nur Schulen anderer Art. Hinzu tritt der Umstand, dass immer weniger von Bildung die Rede ist – im Humboldt’schen Sinne von Bildung durch Wissenschaft – und immer mehr von Ausbildung. Offenbar geht es nur noch darum, für das universitäre Lernen die richtigen Schulformen zu finden, nicht mehr darum, das universitäre Lernen an seiner Forschungsnähe zu messen. Diese Nähe scheint entbehrlich zu sein; zumindest kommt sie in den universitären Reformbemühungen nicht mehr vor, und wenn doch, dann als belächelte Humboldt-Reminiszenz.

Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass in der deutschen Bildungsdebatte ein Auswandern der Forschung aus den Universitäten in andere Forschungseinrichtungen beklagt wurde. Dafür wurde, zu Recht, eine Wissenschaftspolitik verantwortlich gemacht, die ihre Liebe zur außeruniversitären Forschung entdeckt hatte und der Forschung in den Universitäten nichts Wesentliches mehr abzugewinnen schien. Mit Humboldt auf den Lippen (immer noch) ging es in ein universitätsfernes Forschungsland, und die Mittel, ohnehin im Vergleich zu anderen wissenschaftsstarken Ländern knapp bemessen, gingen mit. Heute stört das offenbar niemanden mehr, weder in der Politik, noch in den Universitäten. Über allem an den Tag gelegten Reformeifer wehen die Schulfahnen, nicht mehr die Forschungsfahnen.

Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, hätte dies zur Konsequenz, dass die Reformen aus der Universität herausführen, dass mit ihnen die Universitätsidee blass zu werden beginnt und sich die deutsche Universität eines Tages als Ausbildungseinrichtung ohne Forschung wiederfindet, also aus dem Paradigma Universität in das Paradigma Schule übertritt.

Was Universitäten ausmacht

Vor gut drei Jahren wurde der deutschen Universität von einer internationalen Kommission („zur Systemevaluation der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Max-Planck-Gesellschaft“) attestiert, dass es mit ihrer Effizienz in Sachen Bildung, Vermittlung und Verbreitung von Wissen schlecht bestellt sei, dass ihre Leitungsstrukturen und damit auch die Wahrnehmung einer viel beschworenen Autonomie unzulänglich seien und dass die geeigneten selbstverantworteten Formen für ein wirkliches Qualitätsmanagement fehlten. Von Forschung in den Universitäten war kaum die Rede; deren Ansprüche sah die Kommission durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und die Max-Planck-Gesellschaft hinreichend gewahrt. Angemahnt wurden Veränderungen im Lehr- und Managementsektor. Die Universität als Lehranstalt, nicht als Forschungsanstalt war gefragt.

Man muss kein glühender Verehrer Humboldts sein, um hierin eine unstatthafte Verengung im Aufgaben- und Leistungsspektrum der Universität zu sehen. Dieses Spektrum bemisst sich – eigentlich Selbstverständlichkeiten – nach der Qualität der universitären Forschung, der Qualität der universitären Lehre und der Qualität der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses, in Zukunft zunehmend – unter dem Gesichtspunkt notwendigen ständigen Lernens und Umlernens – auch der Weiterbildung. Diejenige Universität war bisher, nicht nur in Deutschland, gut, leistungsstark und zukunftsfähig, die diesen Aufgaben in gleicher Weise und auf hohem Niveau entsprach. Das ist auch heute noch so und sei kurz vor Augen geführt – und der Hochschulpolitik ins Stammbuch geschrieben.

Maßstäbe für die Qualität der Forschung sind universale Maßstäbe. Sie werden durch die scientific community gesetzt, und, etwa in Form von Refereesystemen, wissenschaftlichen Auszeichnungen, Drittmittelvolumina und Projektevaluierungen kontrolliert. Dabei ist Forschung im strengen Sinne dort gegeben, wo sie die Wissenschaft konkret weiterführt und/oder produktiv verändert. Dies gilt sowohl für die rein erkenntnisorientierte Forschung („Grundlagenforschung“) als auch für die anwendungs- oder produktorientierte Forschung („angewandte Forschung“), wobei beide Forschungsformen heute zunehmend in ihren wissenschaftlichen Orientierungen und in ihren (gegebenen oder erwartbaren) Resultaten ineinander übergehen. Wer Forschung mit Routinen verwechselt, die nicht den Kern des Wissenschaftlerlebens betreffen, hat das, was Forschung im alten wie im modernen Sinne ist, nicht begriffen.

Maßstäbe für die Qualität der Lehre sind Prüfungs- und Berufserfolg, ferner – und dies sollte für die Universitätslehre nach wie vor ohne Einschränkung gelten – die Nähe zur Forschung im Sinne des (Humboldt’schen) Grundsatzes Lehre aus Forschung, zumeist nicht ganz zutreffend als Einheit von Forschung und Lehre bezeichnet. Nur in der Befolgung dieses Grundsatzes unterscheidet sich die Universitätslehre von anderen Formen wissenschaftlicher (im Sinne wissenschaftlich informierter) Lehre. Löst sich das Lehren und Lernen vom Forschungsprozess oder bleibt es nur noch als Erinnerung an eigenes Lernen mit diesem verbunden, verliert die Universität als Ausbildungsort ihren Sinn. Wir haben es dann nur scheinbar noch mit Universitäten und mit universitärer Lehre zu tun.

Auch die in Deutschland gegenwärtig zu verzeichnende Studiengangshektik vermag über den bedrohten Status des Prinzips Lehre aus Forschung nicht hinwegzutäuschen. Hier ein neuer Studiengang, dort ein neuer Studiengang, manchmal einfach neben die bisherigen Studiengänge gesetzt – etwas, das natürlich die Übersichtlichkeit für die Studierenden ungeheuer fördert –, manchmal auch von erfolgreichen Fachhochschulstudiengängen abgeguckt – was natürlich das Universitätsprofil ungemein schärft. Was in der deutschen Diskussion, vom Bologna-Prozess angetrieben, fehlt, sind klare Normierungen, die zwischen disziplinären Kernstudiengängen, in denen gelernt wird, was eine Disziplin weiß, und spezielleren Studiengängen, die einer Kompetenzprofilierung dienen sollten, unterscheiden lassen. Und wieder ist es für beide universitäre Studienformen entscheidend, dass sie der Forschung nahe bleiben.

Maßstäbe für die Qualität der Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses sind Forschungsleistung, Lehrerfolg und Berufung. Bleibt diese Ausbildung unter dem Niveau der Leistungsstandards einer scientific community, etwa weil die ausbildenden Hochschullehrer selbst diesem Niveau nicht mehr entsprechen oder die Nachwuchsexistenz aus Gründen versagter früher Selbstständigkeit zur Dauerexistenz gerät, wird die Universität in allen ihren wesentlichen Teilen mittelmäßig. Daher muss das System von Forschung, Lehre und Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses auch so verändert werden, dass auf Professorenseite die Verantwortung für die Qualität in allen genannten Bereichen einklagbar wird und auf der Nachwuchsseite frühe Selbstständigkeit an die Stelle unnatürlicher Arthaltung tritt. Auch davon sind wir in Deutschland derzeit, trotz Juniorprofessur und Nachwuchsprogrammen der verschiedensten Art, noch weit entfernt.

Autonomie und Verantwortung

Verantwortung ist etwas, wovon in Deutschland Bildungspolitik und Bildungseinrichtungen ständig reden, das aber in den tatsächlichen Strukturen, die die Politik und die forschenden und lehrenden Institutionen selbst zu verantworten haben, bisher beharrlich verhindert wurde. Auch die überkommenen und in den meisten Reformbemühungen ausgesparten Organisationsstrukturen der deutschen Universität sind so ausgelegt, dass sie Verantwortlichkeiten zerlegen, und zwar derart, dass Verantwortung im strengen Sinne schließlich nirgendwo mehr wirklich identifizierbar ist. Der Übergang von der Ordinarienuniversität zur Gruppenuniversität hat diesen Umstand nicht verbessert, sondern im Gegenteil verschärft.

Das aus der Ordinarienuniversität in die Gruppenuniversität herübergerettete Kollegialsystem, das von der professoralen Fiktion gleicher Leistung, gleicher Zuständigkeit, gleicher Verfügungsberechtigung und gleicher Leitungskompetenz ausgeht, muss daher in Zukunft, wenn nicht überhaupt abgeschafft, durch definierte (Führungs-)Verantwortlichkeiten ergänzt werden. Nicht nur, um den Hochschulalltag besser zu bewältigen, sondern auch, um eine wirkliche (strukturelle) Reformfähigkeit der Universität zurückzugewinnen und dort, wo dies schon gelungen sein sollte, im Sinne einer vernünftigen Hochschulentwicklung zu befördern. Kollegialsysteme funktionieren nur unter Gut-Wetter-Bedingungen; in schwerem Wetter führen sie, auf sich allein gestellt, zur Handlungs- und Reaktionsunfähigkeit. Das gilt in besonderem Maße für die Gruppenuniversität, die den hochschulpolitischen Willen partikularisiert, nicht in Kategorien der Einheit der Universität, sondern in interessengesteuerten Kategorien denkt.

In diesem Sinne kommt es denn auch tatsächlich – nur eben nicht allein – darauf an, die Entscheidungsfähigkeit der Universität nach außen wie nach innen zu stärken, kurze Entscheidungswege zu ermöglichen und Verantwortlichkeiten wieder enger mit der Amtsführung Einzelner zu verbinden. Allerdings ist dabei zu beachten, dass eine Organisationsreform, die die Universität zu einer leistungsfähigen modernen Einrichtung macht, nicht als eine isolierte Reform – Einführung von Managementstrukturen anstelle alter Selbstverwaltungsstrukturen, begleitet von einer Ökonomisierung aller universitären Verhältnisse – erfolgreich sein kann. Hier bedarf es eines institutionellen Augenmaßes, über das in Deutschland weder die Freunde noch die Gegner einer Universitätsreform heute wirklich verfügen.

In der Universität gehören Verantwortlichkeit und Autonomie zusammen. Gemeint ist damit, dass die innere Zusammengehörigkeit von Verantwortung und Autonomie bedeutet, Autonomie nicht nur nach außen – als politische Autonomie –, sondern auch nach innen – als strukturelle Autonomie – zu praktizieren. Innere Autonomie erweist sich vor allem in der Realisierung wissenschaftssystematisch reflektierter Strukturen, etwa auf der Ebene der Fächer- und Disziplinenordnung, bei der Einrichtung und Aufhebung von Studiengängen und Forschungsschwerpunkten, aber auch in der Einlösung immer wieder an internationalen Standards orientierten Qualitätsanforderungen in Forschung, Lehre und Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Oder anders formuliert: Universität muss auch einmal wehtun. Bisher wurde, was gegen den eigenen Strich ging, in Deutschland als politisches oder ministeriales Schicksal, also als Schicksal von außen, beklagt und in eben diesem Zusammenhang kräftig von Autonomie geredet. Es ist an der Zeit, Autonomie auch einmal anders zu verstehen, nämlich als praktizierte Bereitschaft, sie auch nach innen zur Geltung zu bringen.

Universalität und Transdisziplinarität

Forschung und Lehre gedeihen trotz aller unübersehbarer Spezialisierungstendenzen in der Wissenschaft nur auf einem Boden, den viele Fächer und Disziplinen bestellen, ohne dass damit Vollständigkeit im fachlichen und disziplinären Sinne impliziert wäre. Auch bildet sich neues Wissen heute meist an den Rändern der Fächer und Disziplinen, nicht in den fachlichen und disziplinären Kernen, wo das Lehrbuchwissen sitzt. Also lassen sich Universitäten in ihren institutionellen Formen im Fachlichen und Disziplinären auch nicht beliebig einschränken. Das aber heißt: Universalität muss auch unter Bedingungen eines eingeschränkten Fächer- und Disziplinenspektrums ein lebendiger Teil der Universität bleiben; andernfalls verlöre diese ihr wissenschaftliches Wesen.

Damit ist klar, dass Ein-Disziplinen-Hochschulen das für Universitäten notwendige Maß an Universalität nicht erfüllen. Wo Universitäten dem Universalitätsanspruch nicht mehr genügen oder von vornherein an diesem Anspruch vorbei gegründet werden, trocknet der akademische Boden aus, und wo der wissenschaftliche Durchzug fehlt, breitet sich schnell die akademische Provinz aus. Das gleiche gilt unter dem Gesichtspunkt vielbeschworener Interdisziplinarität und, über das Konzept der Interdisziplinarität hinausgehend, für eine wünschenswerte Transdisziplinarität. Mit dieser ist Forschung gemeint, die aus ihren disziplinären Grenzen heraustritt, die ihre Probleme disziplinenunabhängig definiert und disziplinenübergreifend löst. Das gilt nicht nur für die innerwissenschaftlichen, durch Wissenschaft selbst definierten Probleme. Auch die Probleme unserer Welt, deren Lösung Wissenschaft und Forschung dienen sollen, tun uns schon lange nicht mehr den Gefallen, sich selbst fachlich oder disziplinär zu definieren. Universität setzt Multidisziplinarität, das heißt einen lebendigen Teil jener Universalität voraus, die einmal die Universitätsentwicklung bestimmte. Und wieder ist es Sache des wissenschaftssystematischen Augenmaßes, wieviel Disziplinarität sein muss und wie wenig Disziplinarität sein kann, damit Universität wirklich wird – nicht nur im forschenden und lehrenden, sondern auch im bildenden Sinne.

Wissen als Ware

Die moderne Gesellschaft, die sich heute mit Vorliebe als Wissensgesellschaft bezeichnet, hat die Warenform des Wissens – und vermeintlich auch der Bildung – entdeckt. Wissen ist heute in erster Linie ein Gut, das sich den üblichen Marktformen angepasst hat und von diesen beherrscht wird. Im bevorzugten Selbstverständnis der Wissensgesellschaft als Dienstleistungsgesellschaft ist jeder jedem in irgendeiner Weise zu Diensten. Das gilt auch für den Wissenschaftler, der sein Handwerk nicht mehr in der eigentlichen Produktion von Wissen, in der intelligenten Arbeit am Wissen, sondern als dessen Manager und Verkäufer versteht. Wissen online ist heute in der Rhetorik seiner Vermarkter alles; die Vorstellung, dass Wissen etwas ist, das entdeckt, gegen Widerstände durchgesetzt und mühsam erworben werden muss, das unter anderen Bedingungen als denjenigen eines durchgehenden Ökonomismus steht, wird schwach.

Hinzu tritt, ebenfalls aus der Welt des Marktes, die beliebte Rhetorik von der Beschleunigung, die alle Prozesse, auch die des Lernens, erfasse, die Rede vom Wechsel, der das einzig Beständige sei, von Innovation, zu der es keine Alternative gebe, auch nicht das Bewährte, und von Flexibilität – gemeint ist die chamäleonartige Sucht, niemals der gleiche zu sein. Dem aber, so heißt es, hat auch das universitäre Lehren und Lernen zu gehorchen. Die Universität, in Deutschland ohnehin durch die Dauerdiskussion um Studienzeiten, Studiengebühren, Modularisierung, Evaluierung, Akkreditierung, Bachelor und Master in ihrer ehemals Humboldtschen Studienstruktur zermürbt, läßt sich auf das Marktparadigma und dessen Rhetorik ein und sucht in der Verschulung nach einem neuen Heil.

Nun sind verschulte Studiengänge möglicherweise gut für den Arbeitsmarkt – obgleich auch das angesichts der angeführten Rhetorik ein wenig seltsam erscheinen mag –, mit Sicherheit aber schlecht für die Forschung. Wirkliche Forschung entsteht gerade nicht in schulischer Enge, in der es auf die Wiedergabe des schon Gewussten ankommt, sondern nur aus sich selbst. Was aber, wenn die Universität in ihrem lehrenden Tun dafür keinen Raum mehr bietet, wenn sie Forschung von den jungen Köpfen fernhält und diese nur noch mit dem vermeintlich Notwendigen, einem Wissen, das sich an seiner Warenform orientiert, füllt? Die Universität wird ihr Wesen verlieren, das darin besteht, ein Ort der Wissenschaft und der Forschung zu sein, einer quicklebendigen, sich nicht in Lehrbuchform erschöpfenden Forschung. Den Studierenden wiederum muss ein Engagement in nicht vorgesehenen Studienformen, solchen nämlich, die forschungsnah und fachlich nicht immer einschlägig sind, d.h., die nicht zum fachlichen Lehrbuchwissen gehören, wie ein im Studiensystem nur störendes und das Gesuchte nur verzögerndes Aus-der-Bahn-Treten erscheinen. Denn, was nichts bringt – so das Einmaleins des ökonomischen Verstandes –, taugt auch nichts, auch dann nicht, wenn es um ein forschendes Lernen, und in diesem Sinne um universitäre Bildung, geht.

Ist das, so muss man mit Blick auf die Veränderungen im deutschen Universitätssystem beunruhigt fragen, das neue Ausbildungsziel? Bedeutet universitäre Bildung hier neuerdings nichts anderes als Ausbildung im Paradigma Schule? Erinnert sei daran, dass auch die Wirtschaft in Deutschland den umfassend gebildeten Absolventen predigt, um dann allerdings selbst eine betriebswirtschaftliche Zwergenschule nach der anderen – meist auch noch unter der stolzen, aber ganz abwegigen Bezeichnung „Universität“ – zu gründen. Ausbildung paradox. Bisher bildete die deutsche Universität, indem sie auf ihre Weise, nämlich forschungsnah und in diesem Sinne wissenschaftsnah, ausbildete, nun droht ihr ausgerechnet diese Besonderheit verloren zu gehen. Vergisst die deutsche Universität, und vergessen diejenigen, die sie zu verändern suchen, was eine Universität ist? Und vergisst der Markt bei aller Innovationsrhetorik, die ihn beherrscht, dass in einer wissenschaftlichen Welt Innovation stets aus der Forschung kommt, auch und gerade aus einer nicht von vornherein auf Verwertungszusammenhänge ausgerichteten Forschung? Wenn das der Fall ist, wäre das schlecht für die Universität: sie verlöre ihr wissenschaftliches Wesen, schlecht für die Forschung: sie verlöre ihren Nachwuchs, schlecht für die Lernenden: sie verlören, was eine universitäre Ausbildung eigentlich leisten soll, schlecht für die Gesellschaft: sie verlöre einen wesentlichen Weg in die Zukunft, zumindest würde es eng mit diesem.

Seit den 60er-Jahren ist in Deutschland von Universitätsreformen die Rede. Nicht viel ist passiert, das diese Bezeichnung verdiente, und was heute passiert, bietet eher Anlaß zur Sorge als zur Freude. Die Reform könnte die Universität verlieren; was bliebe, wäre nicht eine erstarkte Universität, sondern eine Lehranstalt, der die Universität ausgetrieben wurde. Der Wille wäre da, aber das Unglück auch. Die Universität läge mit sich selbst im Streit – über das, was sie ist und was sie werden soll –, und die lachenden Dritten wären die außeruniversitären Forschungseinrichtungen und eine Hochschulpolitik, die auch nicht mehr weiß, was eine Universität ist.

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