13.08.2009

Steinmeiers Ökostaat

Von Sabine Reul

Die Kritik, die Franz Walter Steinmeier entgegenschlägt, seit er in seinem „Deutschlandplan“ Anfang August die Schaffung 4 Millionen neuer Arbeitsplätze bis 2020 versprach, ist in weiten Teilen gleichermaßen fatalistisch wie wirr. Denn das Problem ist ja nicht, dass der Kanzlerkandidat hofft, die Wirtschaft sei dazu imstande. Selbst in dem vom schweren Konjunktureinbruch Anfang des Jahrtausends geprägte Zehnjahreszeitraum von 1998 bis 2008 stieg die Zahl der Erwerbstätigen in Deutschland um ca. 3 Millionen von 37,5 auf ca. 40,5 Millionen und die der neuen Arbeitsplätze entsprechend um deutlich mehr. Wenn von Angela Merkel bis Gregor Gysi alle Steinmeier jetzt mangelnden „Realitätssinn“ vorwerfen, mag das zwar Wahltaktik sein. Es ist aber vor allem symptomatisch dafür, wie stark sich niedrige Erwartungen an die wirtschaftliche Zukunft in das allgemeine Bewusstsein eingefressen haben, wenn nun alle meinen, dass sich selbst das relativ bescheidene Wachstum der letzten Dekade künftig nicht mehr wiederholen lasse.

Folglich möchte man Steinmeier, wenn er mehr „Ehrgeiz“ und einen „Wettstreit der besseren Ideen“ einfordert, gegen seine Kritiker in Schutz nehmen, von denen offenbar manche eine Dienstwagendebatte reizvoller finden. Nur: So ehrgeizig, wie ihm seine Kritiker anlasten, ist der „Deutschlandplan“ leider nicht. Steinmeiers Vorschläge sind zum einen nicht neu. Das Konzept, durch Förderung von Investitionen in neue Energienetze, grüne Schlüsseltechnologien und Elektroautos Deutschland einen industriellen Adrenalinstoß zu versetzen, wird schon seit Jahren, bislang vor allem im Bereich erneuerbare Energien, vorangetrieben. Ein Papier des Wirtschaftsministeriums zur Förderung der Elektromobilität wurde schon im vergangenen November vom Bundeskabinett verabschiedet. Inzwischen liegt auch ein „Nationaler Entwicklungsplan Elektromobilität“ vor, den das noch amtierende schwarz-rote Bundeskabinett nächste Woche absegnen will. Auch darin steht, dass bis zum Jahr 2020 eine Million Elektrofahrzeuge auf Deutschlands Straßen fahren sollen. Und wie das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie schon im Oktober 2008 bekannt gab, arbeitet man dort im Rahmen des Technologieprogramms „Klimaschutz und Energieeffizienz“ auch an Dingen wie „Anwendungen der Supraleitung für die Speicherung und den Transport von Strom, über die Elektromobilität bis hin zu sogenannten Null- bzw. Plusenergiehäusern und der energetischen Optimierung ganzer Städte.“

Das heißt: Steinmeier hat nur aufgegriffen, was ohnehin flächendeckender Konsens ist, setzt allerdings insofern andere Akzente, als er diese Visionen im Kontext des Wahlkampfs mit Beschäftigungspolitik verknüpft und zugleich für noch intensivere staatliche Intervention im Marktgeschehen plädiert hat. Dabei denkt der Kanzlerkandidat auch an eine noch gezieltere Förderung der Verbrauchernachfrage nach umweltfreundlichen Produkten. „Mit der richtigen Politik machen wir die Spar-Technologien zu unserem neuen VW-Käfer-Exportschlager, Motor der Binnenwirtschaft, Symbol unserer wirtschaftlichen Kraft und unseres ökonomischen Sachverstands“, so Steinmeier in seiner Berliner Rede zur Vorstellung seines Wirtschaftsprogramms.

Wahltaktisch will die SPD so die angesichts der aktuellen Krise breit gewachsene Sympathie für staatliche Markteingriffe in ein paar Prozent dringend benötigte Wählerstimmen ummünzen. Inhaltlich ist das ganze Konzept mehr als beunruhigend: Die Festschreibung von Energiesparkonzepten als Wachstumsmotor läuft darauf hinaus, Wirtschaft und Gesellschaft noch stärker als bereits der Fall auf das Dogma des Klimaschutzes auszurichten. Eine so einseitig umweltpolitisch motivierte Technologieförderung ist nicht nur ordnungspolitisch bedenklich. Sie könnte sich als Rohrkrepierer erweisen. Steinmeiers Prämisse, dass sich die Welt die nächsten zehn Jahre um das Energiesparen drehen wird, kann sich als gewaltige Fehleinschätzung erweisen. Eine vernünftige Wirtschaftspolitik richtet sich nicht an ideologischen Moden aus, sondern fragt, was Menschen national wie international wirklich gut gebrauchen könnten. Da liegt der Knackpunkt, über den zu diskutieren ist.

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