14.05.2009
Schäuble wird sich noch durchsetzen – gegen Piraten, Sozial- und Freidemokraten
Von Kai Rogusch
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble stößt mit seiner jüngsten sicherheitspolitischen Einlassung zur Piratenbekämpfung auf sattsam bekannte Widerspruchsreflexe. Doch diese sind leider nicht wirklich ernstzunehmen.
Schäubles Vorschlag lautet, den Einsatz der Kommando Spezialkräfte (KSK) zur Pirateriebekämpfung und Geiselbefreiung auf eine eindeutige verfassungsrechtliche Grundlage zu stellen. Damit solle die Verwirrung vermieden werden, die sich in den jüngsten Unstimmigkeiten zwischen Innen- und Verteidigungsministerium zu der Frage offenbarte, ob denn nun die zur Bundespolizei gehörende GSG9 oder die Elitetruppe KSK zur Befreiung der immer noch in Piratenhand befindlichen Hansa Stavanger einzusetzen sei. Auf diese Initiative Schäubles antworten vor allem sozial- wie auch freidemokratische Politiker mit einem mittlerweile zum Ritual gewordenen Einwand: Der Bundesinnenminister suche mal wieder einen Anlass, um seine Vorstellungen eines polizeilich-militärischen „Sicherheitsverbundes“ verfassungsjuristisch zu zementieren – so etwa die FDP-Politikerinnen Birgit Homburger und Gisela Piltz.
Diese gängige und eigentlich auch berechtigte Kritik wäre dann ernst zu nehmen, wenn jene SPD- wie auch FDP-Politiker, die jetzt gegen Schäuble zu Felde ziehen, in ihrer vergangenen politischen Praxis nicht gerade diesen sicherheitspolitischen Pfad mit beschritten hätten, der systematisch darauf hinausläuft, hergebrachte Vorstellungen einer verfassungsrechtlichen Einhegung militärischer Befugnisse zu untergraben. Denn dass die Bundeswehr mittlerweile in vielen Ländern präsent ist und darüber hinaus in einem brutalen „Krieg gegen den Terrorismus“ verstrickt ist, der vor allem auch im Norden Afghanistans Bundeswehrsoldaten immer wieder Gefechtssituationen aussetzt, ist nicht allein den Unionsparteien zuzuschreiben. Man muss zugeben, dass Schäuble vielleicht doch ehrlicher ist als seine gegenwärtigen Kontrahenten, denn Fakt ist: Die militärpolitische Entwicklung, die parteiübergreifend seit über eineinhalb Jahrzehnten betrieben wird, hat dazu geführt, dass die Bundeswehr mittlerweile als global einsetzbare Kriseninterventionstruppe verstanden wird.
Die uferlose Aufweichung der Trennung zwischen innerer und äußerer Sicherheit sowie die Auffächerung der Kompetenzen des Militärs haben dazu geführt, dass sich die Bundeswehr seit Ende des Kalten Krieges in immer dubioseren Auslandseinsätzen verstrickt, deren Sinn dem heimischen Publikum kaum noch vermittelbar erscheint und die immer mehr verwirrende Folgerungen nach sich ziehen, die sich, am Beispiel des Piraterieproblems, in mittlerweile bizarren Rechtsfragen in Deutschland selbst niederschlagen. Schäuble selbst weist zu Recht darauf hin, dass die verfassungsrechtlichen Grundlagen für diese etablierte politische Praxis eher zweifelhaft sind. Da sich an der gegenwärtigen, auf ständige Krisenintervention ausgerichteten Sicherheitspolitik jedenfalls in absehbarer Zeit vermutlich nichts ändert, wird die Politik früher oder später nicht umhin kommen, die Realität der fahrigen Ad-hoc-Maßnahmen auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik juristisch festzuschreiben.