11.09.2009

Reaktoren versus Energiesparlampen

Kommentar von Lutz Niemann

Ende August setzte Frank Plasberg in „Hart aber Fair“ das Thema Glühbirnenverbot auf die Agenda. Der inszenierte Streit über die neue EU-Marotte war wenig erhellend.

„Wenn Politik auf Wirklichkeit trifft“, lautet der Untertitel der ARD-Sendung „Hart aber Fair“ von Frank Plasberg (www.wdr.de/tv/hartaberfair/). Ende August setzte er das Thema Glühbirnenverbot auf die Agenda. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD), sein bayerischer Amtskollege Markus Söder (CSU), Jürgen Trittin (Grüne) sowie Hildegard Müller (Bundesverband Energie- und Wasserwirtschaft) und der Wissenschaftsjournalist Ranga Yogeshwar durften über Sinn und Unsinn dieser neusten EU-Marotte streiten.

Sehr fruchtbar war das nicht, was wenig wundert, denn schon der Titel der Sendung „Reaktor aus – Energiesparlampe an, welchen Preis zahlen wir für sauberen Strom?“ suggerierte Falsches. Eine Energiesparlampe kann nämlich kein Kernkraftwerk ersetzen. Kernenergie liefert 50 Prozent des Grundlaststroms in Deutschland und ist damit eine der Grundvoraussetzungen für unseren jetzigen Wohlstand. Auf dieser schiefen Grundlage ging es dann munter drunter und drüber in Plasbergs Show.

Der fehlende freie Wettbewerb auf dem Strommarkt wurde von Gabriel bemängelt. Dass dieser Missstand eine Folge der Rot-Grünen Regierung ist, welche die Förderung von Wind- und Solarkraftwerken quasi per Gesetz erzwang, ließ er unter den Tisch fallen. Fakt ist: Die Erzeugerpreise für Windenergie überschreiten die der Kernenergie um das 5-Fache, die der Solarenergie um das bis zu 20-Fache. Da kein Bürger freiwillig bereit ist, diese Summen für Strom zu bezahlen, wird per Gesetz Zwang ausgeübt. Das kostet heute rund 10 Milliarden Euro pro Jahr für diese Art der Stromerzeugung. Ein Ende dieser unwirtschaftlichen Exzesse ist nicht in Sicht.

Weiter beherrschte das Wort „Störfall“ die Diskussionsrunde – Trittin und Gabriel bemühten sich erneut um Profilierung als Oberangstexperten. Dabei ist auch diese Wortwahl irreführend. Denn nach den Richtlinien der Internationalen Atomenergieorganisation hat es in den letzten 15 Jahren nur drei „Störfälle“ in deutschen Atomkraftwerken gegeben – keinen davon im Jahre 2008. Da aber jede Abweichung von Normalbetrieb in einem Atomkraftwerk den Behörden zu melden ist, wird auch jedes dieser Ereignisse, obwohl es die Gefahrenkategorie Null ist, gerne als „Störfall“ deklariert. Wer die Liste der meldepflichtigen Ereignisse durchforstet, wird schnell feststellen, dass die meisten sich im Bereich des Notstromdiesels abgespielt haben. Dieser ist im Vergleich zum nuklearen Teil des Kraftwerkes in der Tat kompliziert. Die Technik der Wärmeerzeugung in einem Kernkraftwerk ist indes simpel, und die rechnerische Ausfallrate für eine Kernschmelze beträgt pro Jahr und Kraftwerk lediglich zehn hoch minus sechs – auf Deutsch: man rechnet mit einem einzigen Ausfall in einer Millionen Jahre. Keine Maschine, keine Brücke und kein anderes Verkehrsmittel erreicht solche traumhaften Sicherheitswerte.

Sollte es dann aber doch einmal zu einem richtigen Störfall kommen, dann müssen dadurch übrigens, wie der atomare Unfall in Harrisburg zeigt, nicht zwingend Menschen geschädigt werden. Leichtwasserreaktoren westlicher Bauart sind sehr sicher. Natürlich kam es im Laufe der Jahrzehnte zu einigen Pannen. Doch heißt das nicht, dass deshalb alle Kraftwerke unsicher geworden wären. Mängel werden behoben und, wie bei einem älteren Auto, durch ständige Revisionen und Nachrüstungen verbessert. So ist selbst der älteste deutsche Reaktor (Biblis A) noch um den Faktor 20 sicherer als die von der IAEA geforderten Standards für Altanlagen.

Ein weiterer Streitpunkt der Diskussionsrunde bei „Hart aber Fair“ waren die Endlager Asse und Gorleben. Die ganze Welt beneidet Deutschland um seine Salzformationen, weil diese im Grunde eine ideale Voraussetzung für einen Endlagerungsstandort bieten. Im Salz schließen sich auf Grund seiner natürlichen Plastizität durch den Gebirgsdruck Risse und Kluften. So ist eine vollständige Abschottung des atomaren Materials möglich. Weiterhin haben Salzformationen keine Verbindung zu wasserführenden Schichten. Wie zu erwarten, schwelgten die einschlägig bekannten Experten bei Plasberg lieber im Katastrophismus.

An dieser Stelle lohnt der Vergleich mit der natürlichen Radioaktivität der Erde. Diese ist nämlich ebenso schwachaktiv wie das in der Asse eingelagerte Material nach einer Abklingzeit von etwa 100 Jahren. Würde nun auch hochradioaktives Material in Gorleben eingelagert, wäre dieses nach einer Abklingzeit von ungefähr 800 Jahren in der Toxizität mit der natürlichen Radioaktivität des im umliegenden Gestein vorhandenen Natururans zu vergleichen. Doch wir leben in Zeiten der Verunsicherung und Angstmache. Die Sendung „Hart aber Fair“ wirkte hier leider wieder einmal nur wie Öl, das man ins Feuer schüttet, dank einiger Diskutanten, deren Politik meilenweit von der Wirklichkeit entfernt scheint.


Lutz Niemann war bis 1971 am Max-Planck-Institut für Metallkunde in Stuttgart beschäftigt, bevor er u.a. als Strahlenschutzbeauftragter für Siemens tätig war. In Novo100/101 (5-8 2009) befasste er sich mit Ludwig Lindner in „Ab ins Endlager“ mit den Kapriolen um die Lagerung radioaktiver Abfälle. Er ist Mitinitiator der Internetplattform www.Buerger-fuer-Technik.de.

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