01.03.2009

Kosovo und die Wiederkehr der Protektorate

Analyse von Philip Cunliffe

Zehn Jahre nach dem Kosovokrieg zieht Philip Cunliffe eine ernüchternde Bilanz der westlichen Einmischungspolitik auf dem Balkan.

Am 24. März 1999 startete die Nato ein elfwöchiges Bombardement der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien. Ziel war es, die serbischen Sicherheitskräfte in der abtrünnigen Provinz Kosovo zum Rückzug zu zwingen. Die Nato argumentierte, das Ausmaß menschlichen Leids unter der albanischen Bevölkerung in diesem Konflikt mache die Tatsache, dass es sich um interne Auseinandersetzungen in einem eigenständigen Staat handele, irrelevant: Ein Eingreifen sei daher ein Gebot der Moral, das eine militärische Intervention eben auch dann rechtfertige, wenn dabei die Souveränität Jugoslawiens verletzt werde. Es handelte sich also eher um eine humanitäre Intervention als um einen Eroberungsfeldzug.

Nach dem Krieg wurde die Provinz Kosovo als ein UN-Protektorat innerhalb des serbischen Territoriums verwaltet, bis sie zum 16. Februar 2008 ihre Unabhängigkeit erklärte. Obwohl sich das Kosovo amerikanische Unterstützung für diesen Schritt gesichert hatte, ist seine Unabhängigkeitserklärung Schauplatz für erneute Rivalitäten zwischen den Hauptmächten geworden: auf der einen Seite die USA und die meisten westlichen Staaten, auf der anderen Seite China sowie Russland, die sich gegen die Unabhängigkeit Kosovos aussprechen. Im Ergebnis bleibt damit festzuhalten, dass die Konflikte, die schon den Kriegen um die Abspaltung verschiedener Gebiete von Jugoslawien in den 90er-Jahren zugrunde lagen, bis heute andauern. Wie konnte also dieses kleine, verarmte Land mit gerade einmal zwei Millionen Einwohnern solche immense Bedeutung in der internationalen Politik erlangen?

Der Zusammenbruch Jugoslawiens

Die Wurzeln für die Abspaltung Kosovos liegen darin, dass die Sozialistische Partei Jugoslawiens seit Mitte der 80er-Jahre im Zuge von Marktreformen im wahrsten Sinne des Wortes zerbröselte. Auch heute noch hängen viele dem Glauben an, dass der Zusammenbruch Jugoslawiens aus dem Wiederaufflammen ältester ethnischer Reibereien resultiert, weil plötzlich die Unterdrückung durch die kommunistische Regierung fehlte. Tatsächlich aber haben auch die stalinistischen Machthaber die vorhandenen Nationalismen bewahrt, weil die föderalen Strukturen des jugoslawischen Staates nur auf der Bewahrung einer zerbrechlichen Balance der Macht zwischen den zu einem Bund vereinigten Teilrepubliken basieren konnten. Das Ende des Kalten Krieges und der wirtschaftliche Druck von außen zerstörten diese heikle innere Balance, denn die Parteieliten jeder einzelnen Republik beriefen sich in zunehmendem Maße auf ihren jeweiligen Nationalismus, um sich der Unterstützung der jeweiligen regionalen Bevölkerung zu vergewissern. Was aber diese zerstörerische Periode innerjugoslawischen Aufruhrs in immer weiter um sich greifenden Sezessionismus und am Ende in kriegerische regionale Konflikte verwandelte, war eine neue Phase in der deutschen Außenpolitik. Diese strebte nach dem Kalten Krieg danach, ihre Unabhängigkeit von amerikanischer Bevormundung dadurch zu betonen, dass sie die sich abspaltenden Republiken des jugoslawischen Nordens, Slowenien und Kroatien, als eigenständig anerkannte. Die Folge waren weitere Abspaltungen und Bürgerkrieg innerhalb Jugoslawiens, der sich schließlich auch auf Bosnien-Herzegowina ausweitete. Die deutsche Anerkennung der nach Unabhängigkeit strebenden Republiken zwang die Europäische Gemeinschaft (Vorläufer der EU), Schritt zu halten, indem sie die Zerstückelung Jugoslawiens international absegnete.

Humanitäre Intervention im Kosovo

Interessanterweise hat während dieser gesamten Periode der Konflikt nicht auf das Problem zwischen Serbien und der Region Kosovo übergegriffen: Erst nach dem Ende des Krieges in Bosnien-Herzegowina und Kroatien 1995 entflammte der gewalttätige Konflikt im Kosovo. In der zweiten Hälfte der 90er-Jahre betrieb die Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) die Unabhängigkeit des Kosovo von Serbien immer heftiger. Und genau wie die Interventionen von außerhalb das frühere Jugoslawien zerschlagen hatten, so führten nun fortgesetzte Einmischungen von außen zu einer Eskalation des Konflikts. Zu nennen sind hier insbesondere die UN-Zwangsmaßnahmen gegenüber Rest-Jugoslawien, die der UCK die Möglichkeit gaben, größeren internationalen Rückhalt für ihre Sache zu organisieren. Als die Nato-Mächte immer mehr in den Konflikt verwickelt wurden, entlud sich die Auseinandersetzung in einem 79-tägigen Bombardement Serbiens. Mit der Behauptung, das brutale Durchgreifen Serbiens gegenüber der UCK könne sich zu einem Völkermord auswachsen, wurde das Nato-Bombardement als humanitäre Maßnahme gerechtfertigt: Die albanische Bevölkerung des Kosovo sei vor ethnischer Säuberung und Kriegsverbrechen in massivem Ausmaß zu beschützen. Der damalige britische Premierminister Tony Blair war einer der lautstärksten Vertreter dieser Auffassung. Er nannte den Konflikt „eine Schlacht zwischen Gut und Böse; zwischen Zivilisation und Barbarei; zwischen Demokratie und Diktatur“. Trotz aller humanitären Rhetorik – eine klare militärische Strategie lag den kriegerischen Handlungen der Nato nicht zugrunde. Der Unwillen der USA, eine Invasion Serbiens mit Bodentruppen durchzuführen, führte zur Eskalation des Bombardements, das sich sehr schnell von militärischen Zielen auf die Verwüstung Serbiens ziviler Infrastruktur ausdehnte. Das Bombardement führte zum Rückzug serbischer Sicherheitskräfte und zum Einmarsch von Nato-Truppen in die Provinz. Dies konnte jedoch den Aufruhr nicht beenden, weil das im Kosovo von der UN geschaffene Protektorat sich in der Folge als unfähig erwies, die Serben und andere Bevölkerungsminderheiten vor Übergriffen der albanischen Mehrheit zu bewahren. Eine massive Abwanderung dieser Bevölkerungsgruppen aus der Provinz war die Folge.

Diejenigen, die sich der Nato-Intervention im Kosovo widersetzten, wurden zu jener Zeit oftmals als inhuman und rückschrittlich bezeichnet, da sie, so der Vorwurf, starrköpfig an der Unverletzbarkeit staatlicher Souveränität festhielten. Doch in den zehn Jahren, die seit dem Kosovokrieg nunmehr vergangen sind, hat sich gezeigt, dass das humanitäre Mitgefühl, dass der albanischen Bevölkerung vonseiten des Westens entgegengebracht wird, überaus beschränkt ist. Denn das Recht auf Selbstbestimmung wurde dem Kosovo nicht gewährt.

Die Unabhängigkeitserklärung von 2008

Die Gefahren, die mit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im letzten Jahr verbunden sind, wurden weitgehend missverstanden. Sie wurden zuvor vor allem vor dem Hintergrund der Frage diskutiert, wie man den Status als Provinz auflösen könne, ohne einen in der Konsequenz zerstörerischen Präzedenzfall für andere sezessionistische Bewegungen in Spannungsgebieten wie dem Kaukasus zu schaffen. Einige Kommentatoren fragten sich, ob der neue Staat überhaupt die Anerkennung von Ländern mit ihren jeweils eigenen aufbegehrenden Minderheiten bekommen werde und ob solch ein kleiner und verarmter Staat jemals existenzfähig sein könne. Das eigentlich Problematische an der Diskussion aber ist, dass die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo von der Form her eher in eine „beaufsichtigte Unabhängigkeit“ mündet und diesem Umstand kaum Aufmerksamkeit geschenkt wird. Denn tatsächlich untergräbt eine „beaufsichtigte“ Unabhängigkeit die Idee von nationaler Unabhängigkeit erheblich gründlicher, als der traditionelle Imperialismus und selbst brutale Unterdrückungsregime es jemals taten. In den „Bedingungen zur Unabhängigkeitserklärung“ hat Kosovo bereitwillig eine 2000 Personen starke „Nation-Building“-Operation der EU akzeptiert, um die „Herrschaft des Gesetzes“ in dem gerade flügge werdenden Staat sicherzustellen. Einige Kommentatoren haben bereits darauf hingewiesen, dass dies die Unabhängigkeit praktisch zu reiner Augenwischerei macht. Obwohl der neue Staat die Insignien der Unabhängigkeit tragen mag – eine Nationalflagge, Botschaften, seine eigenen Sicherheitskräfte etc. –, wird er nicht über die nötige Substanz souveräner Staatlichkeit verfügen, nämlich das unbegrenzte Recht, nach der eigenen Gesetzgebung und mit eigenen Institutionen leben zu können. Faktisch haben EU-Vertreter im Kosovo die Macht übernommen und können jede Gesetzgebung, die ihnen nicht gefällt, rückgängig machen.

Die nationalen Wahlen am Vorabend der Unabhängigkeit verzeichneten die niedrigste Beteiligung im Kosovo seit 1999 – das entspricht nicht unbedingt dem Signal eines Volkes, das in Richtung Unabhängigkeit vorprescht. Eher scheint es, als spürten die Wähler im Kosovo, dass ihnen ihr eigenes Schicksal aus den Händen genommen worden ist. In Wahrheit hat die kosovarisch-albanische Führung die für die Bevölkerung so bedeutungsvolle Selbstbestimmung bereits 1999 ausverkauft, als die UCK begann, die Nato in ihren Konflikt mit Belgrad einzubeziehen. Um dies zu erreichen, definierte die UCK ihren bis dato für Außenstehende eindeutig als solchen zu erkennenden Kampf um Unabhängigkeit in eine humanitäre Rettungsoperation um und stellte sich selbst als schwach und machtlos dar. Anders formuliert: Die UCK passte sich daran an, wie sie ohnehin von der internationalen Gemeinschaft gesehen und behandelt wurde, und ebnete der Entsendung eines UN-Vizekönigs sowie einer Nato-Armee den Weg, um die Kontrolle im Land zu übernehmen.

Die Verfassung des neuen Staates beinhaltet auch den sogenannten „Ahtisaari-Plan“ – einen Rahmen für die Unabhängigkeit, der nicht von den Parlamentariern des Kosovo, sondern vom finnischen UN-Diplomaten und heutigen Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari aufgesetzt wurde. Der Plan enthält verschiedene Beschränkungen für den neuen Staat, z.B. die Verpflichtung, eine internationale Beobachtung seines Minderheitenschutzprogramms zuzulassen und sich nicht freiwillig mit einem anderen Land zu vereinigen. Das Kosovo wird weiterhin von einer 16.000 Personen starken Nato-Armee besetzt bleiben; sie wird die Letztverantwortlichkeit für die Sicherheit des Landes auch in Zukunft behalten. Unter dem Oberbegriff der „beaufsichtigten Unabhängigkeit“ haben sich die politischen Führer Kosovos willentlich in die Rolle gehorsamer Kinder begeben, um von Brüssel gezüchtigt und in Fragen von Demokratie und Multikulturalismus bevormundet zu werden – genauso, wie sie von Brüssel gezwungen werden, sich einem nicht gewählten Vizekönig unterzuordnen, der mit diktatorischer Machtbefugnis ausgestattet ist. Worin besteht der Sinn der „Unabhängigkeit“, wenn die Führer des Kosovo ihr Volk der EU freiwillig zu „Nation-Building“-Experimenten anbieten? Selbst die neue Flagge Kosovos wurde nach Beratungen mit externen Experten gestaltet: Die albanischen Nationalfarben und Symbole wurden entfernt und das rote Feld mit dem zweiköpfigen Adler durch eine blassblaue Flagge ersetzt, die der EU-Flagge sehr ähnelt.

Viele Erben

Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die angemessene Vergleichsgröße für das Kosovo nicht in Ländern mit widerspenstigen Minderheiten zu suchen ist, sondern in letzter Zeit von westlichen Institutionen geschaffenen Protektoraten, wie z.B. Osttimor. Auch dieser Staat ging, als er 2002 seine Unabhängigkeit erklärte, aus einer UN-Vormundschaft hervor, bevor er vier Jahre später in Unruhen versank und immer mehr „Peacekeeper“ anforderte. Seitdem hat Osttimor die Ankunft von ständig größeren australischen Truppenkontingenten erlebt, die das Land de facto in eine australische Kolonie verwandelten. Vor diesem Hintergrund deutet sich an, dass die Zukunft Kosovos nicht besonders rosig ist. Das Erbe des Kosovo zeigt sich auch in Russlands militärischer Intervention in Georgien im letzten Jahr, als es um die von Russland unterstützten und von Georgien abtrünnigen Enklaven Abchasien und Süd-Ossetien ging. Opportunistisch brach Russland mit seiner bisherigen Verteidigung staatlicher Souveränität gegen Einmischungen von außen und verteidigte seine Intervention – nach Vorbild von UN und EU – mit humanitären Gründen. Mit der Anerkennung der Unabhängigkeit der beiden abtrünnigen Enklaven hat sich Russland faktisch zur Schutzmacht dieser beiden Ministaaten aufgeschwungen.

„Beaufsichtigt“ bedeutet „nicht frei“

In vielerlei Hinsicht ist die „beaufsichtigte Unabhängigkeit“ des Kosovo hinterhältiger als die zuvor praktizierte unverblümte Unterdrückung. Wenn nationale Unterdrückung das Gegenteil von nationaler Befreiung ist, dann untergräbt die Idee der „beaufsichtigten Unabhängigkeit“ die Möglichkeit der Freiheit noch viel gründlicher. Denn im Gegensatz zur unverblümten Unterdrückung institutionalisiert sie die Idee, dass wirkliche Freiheit nie vollständig realisiert, sondern nur in kleinen Dosen genossen werden kann. Wenn so wenig Wert auf Souveränität und Autonomie gelegt wird, haben die Menschen nie die Möglichkeit, die mit der Selbstbestimmung einhergehenden Umstände, Problemstellungen und politischen Gefährdungen vollständig zu verstehen und mit ihnen umzugehen. Der „Fall Kosovo“ illustriert, dass die Existenz selbst von rein formalen, leeren Standards – wie hier den Idealen der Selbstbestimmung – wichtig ist, denn wenigstens gibt dies den Menschen einen Maßstab, nach dem sie das Verhalten von Politik in der Praxis bewerten können. Wenn die volle Souveränität Kosovos gefordert würde, wäre es jederzeit möglich, das Ideal von Kosovos Unabhängigkeit mit der Realität seiner Beherrschung durch die EU zu kontrastieren. Aber selbst diese bodenständigste Art politischer Kritik – der Vergleich des Ideals mit der Realität – wird sich im Fall Kosovos schwieriger gestalten, da offen zugegeben wird, dass das Kosovo nicht vollständig souverän ist.

Dies wird unmittelbare Effekte für die Entwicklung demokratischer Strukturen im Kosovo haben. Ein Staat, der von außen formal begrenzt und gleichzeitig unabhängig ist, hat es viel schwerer, politische Rollen und Verantwortlichkeiten zu definieren. Daher fällt es auch wesentlich leichter, sich politischer Verantwortung zu entziehen, denn unter den Bedingungen einer von außen beschnittenen Souveränität wird es nie klar sein, welchen Ursprungs politische Initiativen sind. Zudem wird die Regierung rechtlich nicht in der Lage sein, Eingriffe der EU in ihre Politik zurückzuweisen. Sie kann sich hiergegen aber auch nicht auflehnen, da sie selbst dieses Modell der begrenzten Autonomie akzeptiert hat. Das Modell der „beaufsichtigten Unabhängigkeit“ formalisiert und institutionalisiert Tendenzen, die sich in der internationalen Politik immer weiter ausbreiten. Die Tatsache, dass so etwas wie „beaufsichtigte Unabhängigkeit“ überhaupt erwogen werden kann, zeigt, wie wenig Bedeutung der Idee der souveränen Selbstbestimmung heute eingeräumt wird. In Analogie zum Kosovo ist kürzlich das benachbarte Bosnien-Herzegowina von einem Protektorat der internationalen Gemeinschaft in ein EU-Protektorat überführt worden. Dennoch hatte Bosnien-Herzegowina während der ganzen Zeit offiziell den Status eines völlig unabhängigen Staates. Im Kosovo ist man noch einen Schritt weiter gegangen: Der neue Staat ist nicht nur ein tatsächliches EU-Protektorat, sondern obendrein eines mit einer eingeschränkten von Eigenständigkeit.

Mündel von Brüssels Gnaden

Die Integration in die EU wird lautstark als die bei Weitem „beste Lösung“ für Bosnien, Kosovo und Serbien verkündet. Kein Wunder, denn die Menschen sehnen sich nach der Beendigung ethnischer Feindschaften und hoffen, dieses Ziel durch einen Beitritt zur EU zu erreichen. Wann dieser Schritt getan werden kann, steht jedoch in den Sternen. Weil die Staaten des ehemaligen Jugoslawiens in den langwierigen Prozess des EU-Beitritts eingetaucht sind, müssen sie sich zu verschiedenen Richtlinien aus Brüssel konform verhalten, Ministerien restrukturieren und neue Gesetze verabschieden, reformieren und verankern. All dies gegen das Versprechen auf eine EU-Mitgliedschaft und trotz der Tatsache, dass es keinen definitiven Zeitkorridor oder ein festes Datum für eine Mitgliedschaft gibt. In anderen Worten: Diese Länder ertragen schon jetzt all die Entbehrungen und Verpflichtungen einer EU-Mitgliedschaft, und zwar ohne die in Aussicht gestellten Vorteile. Faktisch wird der Beitritt des Kosovo in die EU bereits vollzogen – jedoch nicht als gleichberechtigter Mitgliedsstaat, sondern als ein Mündel Brüssels, das zwar nominell unabhängig ist, doch in Hinblick auf eine eigenständige Position als viel zu unreif erachtet wird.

Die Friedensaktivitäten der EU fordern die Entschärfung von Feindseligkeiten durch die perspektivische Verbreiterung des Konfliktzusammenhangs. Aber das Einzige, was Brüssel wirklich tut, ist die Verwässerung politischer Verantwortlichkeit und Verlässlichkeit, indem es diese auf mehreren Behördenebenen verdünnt. Dadurch, dass sie so viele Hoffnungen in die Mitgliedschaft in der EU setzen, haben sich die politischen Führer des Kosovo und auch Serbien einem Prozess ausgeliefert, der jenseits ihrer Kontrolle stattfindet und dessen Geschwindigkeit allen Arten von willkürlichen nationalen Zwängen ausgesetzt ist, die von den Stimmungen westlicher Führer und Wählerschaften abhängen.

Die heutigen Diskussionen über das Kosovo ranken sich zumeist um Fragen der internationalen Anerkennung, der Gefährdung regionaler Stabilität durch Drogen und Drogenhandel oder des Wiederauflebens ethnischer Feindseligkeiten. Was in diesem Zusammenhang leider in der Regel ignoriert wird, ist der problematischste Aspekt: die Wiederkehr der Protektorate mit ihren Ungerechtigkeiten und Ungleichheiten. Zwar vermuten viele, dass die Zustimmung zu humanitären Interventionen, die in den gesamten 90er-Jahren spürbar war, durch den Irakkrieg im Jahre 2003 zerstört wurde. Analysiert man jedoch die Politik des Kosovo zehn Jahre nach dem Nato-Einsatz, zeigt sich, dass das zerstörerische Erbe des humanitären Interventionismus noch immer wirksam ist.

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