01.01.2009

Wie der Klimawandel vermarktet wird

Essay von James Heartfield

Vom hellen Stern am Investmentbanken-Himmel zum Irrlicht im dunklen Wald: Der Niedergang der Lehman Brothers ist ein Paradebeispiel für die Gehaltlosigkeit des ergrünten Kapitalismus. Von James Heartfield

Nicht nur die Spekulationen der Lehman Brothers mit dubiosen Immobilienanlagen geben Anlass, sich um die Seriosität der globalen Finanzindustrie zu sorgen. Eine weitere Geschäftsidee der US-amerikanischen Investbank basierte darauf, Geld mit heißer Luft zu betreiben. In seinem Bericht „The Business of Climate Change: Challenges and Opportunities“ aus dem Jahr 2007 argumentierte das Institut, man könne einen wichtigen Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel leisten und dabei noch Geld verdienen. Die Lehmänner hofften, eine „erstklassige Maklergesellschaft für Emissionsrechte“ zu werden.1 Doch wie lässt sich überhaupt aus dem Klimawandel Kapital schlagen?

Das 1997 von den Vereinten Nationen verabschiedete Kioto-Abkommen legte die rechtliche Basis für den weltweiten CO2-Emissionshandel. Eine zentrale Forderung bestand darin, den CO2-Ausstoß zu beschränken, da dieser dem Planeten Schaden zufüge. Zwei Maßnahmen folgten aus dem Kioto-Protokoll: die EU-Allowance (EUA), das „Emissionszertifikat“ der Europäischen Union, und der Clean Development Mechanism (CDM) der UN („Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung“). Die Emissionszertifikate werden als übertragbare Einheiten an bestimmte Industriezweige verteilt. Diese Rechte sind als per Gesetz geschaffene Monopolrechte zu sehen, die aber, sobald auf dem Markt angeboten, zu Handelswaren werden.2 Weil sie nur in begrenzter Anzahl existieren und von vielen Industriekonzernen benötigt werden, sind die Emissionsrechte anfällig für Preisschwankungen und daher begehrte Spekulationsobjekte. Und da Finanzmärkte nun mal sind, was sie sind, erkannten sie das Spekulationspotenzial dieses neuen Marktes. Der Emissionshandel etablierte sich als eine weitere Möglichkeit, um Geld zu machen, ohne etwas dafür zu tun. Oder anders formuliert: Hier konnten Profite dadurch gemacht werden, dass Produktion verhindert wird. Welcher aufrechte Kapitalist hätte da widerstehen können?

Der Preis für EU-Emissionsrechte (EUA) wurde zur Einführung mit 30 Euro pro Tonne CO2 deutlich zu hoch angesetzt. Innerhalb eines Jahres verdoppelte sich der Wert des EUA-Marktes auf insgesamt 205 Milliarden Euro. Unglücklicherweise waren jedoch 170 Millionen Zertifikate zu viel ausgegeben worden. Einige Unternehmen, besonders Stromkonzerne, erkannten schnell, dass sie viel zu viele EUAs angehäuft hatten. Sie begannen, sie weiterzuverkaufen, und machten damit riesige Gewinne. Allein die sechs britischen Stromerzeuger konnten jährlich überschüssige Emissionszertifikate für mehr als 930 Millionen Euro verkaufen. Auch die britische Ölindustrie konnte so schnelles Geld machen: Esso verdiente mehr als 11,5 Millionen, BP fast 20,8 Millionen und Shell gar mehr als 24 Millionen Euro mit dem Emissionshandel. Warum sich also noch damit beschäftigen, Erdöl zu raffinieren, wenn die EU mit Geld nur so um sich schmeißt? Für Stromerzeuger war es viel bequemer und lukrativer, mit fiktiven Gütern zu handeln, anstatt ihrem eigentlichen Kerngeschäft nachzugehen. Doch wer kaufte die Emissionszertifikate? Zu den Käufern zählten u.a. britische Universitäten, Krankenhäuser sowie mit zu wenigen Zertifikaten ausgestattete Unternehmen. Allein die Universität von Manchester erwarb Emissionsrechte im Wert von mehr als 107.000 Euro.3 Natürlich brachen die Preise für die Emissionsrechte ein, sobald sie verkauft waren, was zur Folge hatte, dass die öffentlichen Einrichtungen auf zu hoch bepreisten EUAs sitzen blieben.

Die Entwicklung des Marktes für Emissionsrechte hatte zur Folge, dass die Makler solcher Rechte eine völlig neue Rolle einnahmen. Die Weltbank, die die Preisentwicklung überwacht, hat vorgeschlagen, die Zertifikate zwischen Industriestaaten und „Entwicklungsländern“ zu handeln. Aus diesem Handel verspricht sie sich jährliche Erlöse von knapp 80 Millionen Euro.4 US-Konzerne bereiten sich bereits darauf vor, in diesen Handel einzusteigen. Auf dem Chicago Climate Exchange, einem Handelsmarkt für Emissionsrechte, auf dem sich Firmen nach dem Kauf von Emissionsrechten zu beschränktem CO2-Ausstoß verpflichten, verfünffachten sich die Preise für derartige Rechte. Die global agierende US-Bank Morgan Stanley investiert knapp 2,4 Milliarden Euro in den CO2-Handel, und zahlreiche Emissionsrechte-Vermittler wie EcoSecurities und Trading Emissions haben bereits Büros in New York eröffnet.5 Für das Jahr 2007 hatte das britische Unternehmen EcoSecurities einen Umsatz von mehr als 44 Millionen Euro sowie einen Gewinn von knapp 7 Millionen Euro kalkuliert, für das Jahr 2008 rechnet man bereits mit einem Umsatz von mehr als 111 Millionen Euro und einem Gewinn von gut 60 Millionen Euro.6

Es ist für die Einschätzung dieses Marktes wichtig, sich in Erinnerung zu rufen, dass im Emissionshandel Gewinne auf Basis der künstlichen Begrenzung des zulässigen CO2-Ausstoßes erzielt werden. Da dieser gemeinhin als Indikator für die industrielle Produktionsleistung gilt und da für die meisten Industriezweige der CO2-Ausstoß unabdingbar ist, könnte man auch sagen: Hier werden Profite dadurch gemacht, dass man Entwicklung anderswo künstlich bremst. Für kleinere Unternehmen mag es wenig sinnvoll sein, den CO2-Ausstoß zu drosseln, größeren Unternehmen bieten sich jedoch Vorteile, da durch die niedrigen Grenzwerte die ökologische Messlatte hoch gelegt und somit der Wettbewerb zu ihren Gunsten beeinträchtigt wird. Dies erklärt auch, warum die Staaten der EU das Kioto-Abkommen so vehement unterstützten, während das wirtschaftlich aufstrebende China sich dagegen aussprach: Die im Kioto-Protokoll festgeschriebenen Beschränkungen des CO2-Ausstoßes begünstigen die Industrienationen und benachteiligen die Entwicklungsländer.

Die Lehman Brothers waren, was das Geldmachen im „grünen Kapitalismus“ anbelangt, blutige Amateure verglichen mit anderen Umweltschutzaktivisten, die mit dem Schüren von Ängsten ein Vermögen machen. Im Jahr 2007 flossen insgesamt fast 20 Millionen Euro in Werbekampagnen, in denen die Schlüsselbegriffe „Kohlenstoff“, „Kohlendioxid“, „Emissionen“, „Recycling“ und „Umwelt“ verwandt wurden – im Jahr 2003 waren es noch 522.000 Euro.7 Es scheint, als ob die Lehman Brothers nicht gewitzt und kaltschnäuzig genug waren, um mit den Umweltaktivisten mitzuhalten, die sich mit Paniken und heißer Luft eine goldene Nase verdienen.

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