01.01.2009

Editorial

Von Thomas Deichmann

showdown 09 - Bei den Europawahlen im Juni, den deutschen Bundestagswahlen im September und zahlreichen weiteren Abstimmungen im europäischen „Superwahljahr 2009“ wird sich zeigen, wie die Bürger zum aktuellen Krisenmanagement ihrer politischen Entscheidungsträger stehen. Die globale Finanzkrise, deren Auswirkungen sich in den kommenden Monaten weiter und zweifelsohne wuchtig manifestieren werden, hat allerorten zu einer Politisierung geführt. Man lässt sich nun nicht mehr so leicht mit „Heuschrecken“ und anderen Feindbildern abspeisen.

Es geht verstärkt um die Rechenschaftspflicht der eigenen Eliten, denn es ist offenkundig, wie sehr die Wirtschaftskrise durch ihr Handeln und ihre Ignoranz (man könnte auch sagen: durch ihr Führungsversagen) mitverursacht worden ist. Parlamentarier sind deshalb wie lange nicht mehr gefordert, Antworten auf die Probleme und zugleich Zukunftsvisionen zu präsentieren und sich dabei zeitnah an den konkreten Ergebnissen messen zu lassen. So sonderbar es klingen mag, aber sie müssen sich damit wieder auf genau das besinnen, was ihre Aufgabe als demokratisch gewählte Volksvertreter eigentlich ist.

In den letzten Jahren haben sich viele politische Apparate in Europa immer weiter von dieser ihrer originären Bestimmung entfernt. Man widmete sich dem technokratischen Herumwursteln, scheute vor klärenden Auseinandersetzungen und notwendigen Reformen zurück und profilierte sich als ökologistischer Gutmensch oder Beschützer vor surrealen Gefahren. Dabei wurden großspurig Ressourcen für aberwitzige Projekte wie die Gentechnik-Verhinderung, den Klimaschutz oder den Atomausstieg vergeudet. In Deutschland erfreute man sich in eitler Selbstgefälligkeit an der Weltführerschaft beim Bau von Windrädchen, Bioenergieanlagen oder anderen Hobbythemen wohlsituierter Schichten. Dabei zeigt der Blick über den Tellerrand schon lange, wie wenig mit solchen Sparfantasien „made in Germany“ zu gewinnen ist. Mit ein bisschen Strom aus Güllevergasung oder ertragsschwachem Ökolandbau wird sich jedenfalls der wachsende Energie- und Nahrungshunger einer voranschreitenden Menschheit nicht stillen lassen.

Es ist nicht davon auszugehen, dass sich diese Trends jetzt umkehren, zu tief sind sie mittlerweile verankert und institutionalisiert. Aber zumindest werden wieder mehr Fragen gestellt, und das ist überfällig und gut für die Demokratie – sofern die Politik sich darauf einlässt. Wir bleiben dran.

In eigener Sache: Mit der neuen Novo-Ausgabe haben wir Veränderungen am Layout vorgenommen. Um die Lesbarkeit des Magazins zu verbessern, nutzen wir im Innenteil fortan eine größere Schrift. Einige Leser hatten das angeregt – besten Dank dafür. Der Aufbau der Covergestaltung wurde ebenfalls modifiziert. Das Logo befindet sich nun in der Horizontalen, um im Handel besser wahrgenommen zu werden. Wir haben uns auch für ein Umschlagpapier entschieden, das sich besser für den offenen Postversand eignet.

Redaktionell neu ist das Atelier Literatur. Wir beginnen mit Gedichten osteuropäischer Autoren, ausgewählt von Maria Petras. Außerdem stehen wir erstmals im ausgewählten Zeitschriftenhandel in Österreich und in der Schweiz und begrüßen unsere neuen Leser jenseits der Landesgrenzen!

Ich wünsche Ihnen und uns ein gutes neues Jahr, anregende Novo-Lektüren und erfrischende Diskussionen, Ihr

Thomas Deichmann
Chefredakteur

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