01.09.2008

„Die Menschheit hat kein Recht auf einen konstanten Meeresspiegel.“

Interview mit Salomon Kroonenberg

Der niederländische Geologe und Bestsellerautor Salomon Kroonenberg rät zu mehr Gelassenheit in der Klimadiskussion. Kommt schon in 10.000 Jahren die nächste Eiszeit?

Novo: Herr Kroonenberg, Sie haben es mit Der Lange Zyklus in Holland in die Bestsellerlisten geschafft. Obwohl oder weil Sie dem gängigen Bild einer bevorstehenden Klimakatastrophe widersprechen?

Salomon Kroonenberg: Als Geologieprofessor bin ich es gewöhnt, lange Zeitabschnitte der Erdgeschichte zu überblicken. Sedimente und metamorphe Gesteine bilden sich über Jahrmillionen. Wenn man sie erforscht, lernt man, wie sich die Erde immerzu neu verwandelt. Diese Perspektive ist bei der aktuellen Klimadiskussion verloren gegangen. Die Erde ist viereinhalb Milliarden Jahre alt, und sie hat allerhand durchgemacht. Doch wir betrachten sie wie durch ein winziges Schlüsselloch als statisch und haben Angst davor, dass sie sich verändern könnte. Mit meinem Buch wollte ich den Horizont erweitern. Das wird offenbar von vielen Lesern geschätzt.

Verstehen Sie Ihr Werk als Plädoyer für mehr Gelassenheit in der Klimadiskussion?

Im Grunde stellt sich diese Gelassenheit schon fast automatisch ein, wenn man einige erdgeschichtliche Fakten kennt. Beim Klima der Erde sind große Trendwenden die Regel, nicht die Ausnahme. Es gibt einen ständigen Wechsel von Warm- zu Kaltzeiten. Die Erde erlebte vor etwa 120.000 Jahren – übrigens ohne die menschliche Nutzung fossiler Brennstoffe – ihre letzte Warmzeit. Der Meeresspiegel lag damals wegen der abgeschmolzenen Eiskappen um sechs Meter höher als heute. Vor nur 20.000 Jahren herrschte indes die letzte Eiszeit. Der Meeresspiegel war 120 Meter niedriger, die Nordsee trockene Steppe. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob der aktuelle Klimawandel so schlimm ist, wie er gemeinhin dargestellt wird. Man könnte erwidern, die Katastrophen, vor denen wir uns heute ängstigen, haben in der Vergangenheit schon einmal stattgefunden. Das Schlimmste ist längst vorbei. Also sollten wir auch weniger Furcht haben und mehr über ingenieurtechnische Lösungen nachdenken, um uns den Veränderungen anzupassen.

Aber was ist mit der Natur, die diese Anpassungsleistung nicht wird vollbringen können?

Aus erdgeschichtlicher Perspektive erkennt man, dass die Natur viel dynamischer ist, als wir es uns heute mit unserem Schlüssellochblick vorstellen können. Viele Pflanzen- und Tierarten, wie wir sie heute in Europa kennen, hatten es sich während der letzten Eiszeit im heutigen Spanien gemütlich eingerichtet. Sie kamen erst mit dem Abklingen der Frostperiode langsam wieder zurück in unsere Breitengrade. In Amerika breiteten sich nach der Eiszeit Fichten und Eichen mit einer Geschwindigkeit von etwa 150 Kilometern pro Jahrhundert aus – der Meeresspiegel stieg um vier Meter pro Jahrhundert. Im 20. Jahrhundert stieg der Meeresspiegel um nur 17 Zentimeter, und im 21. Jahrhundert, so schätzen Klimaexperten, könnte es maximal ein halber Meter werden. Die Menschheit kann Einfluss auf den Gang der Natur nehmen. Aber sie hat kein Recht auf einen konstanten Meeresspiegel.

Noch bis vor einigen Jahren war es unter Forschern Konsens, dass wir uns auf eine neue Eiszeit zu bewegen. Ist das überholt?

In der Tat diskutierte man in den 70er-Jahren noch intensiv über die Folgen einer neuen Eiszeit. Heute dominiert hingegen die Angst vor einer Klimaerwärmung, obwohl die älteren Erklärungsansätze nach wie vor gültig sind. Natürlich gibt es neue Erkenntnisse in der Klimaforschung. Aber heute bilden bedauerlicherweise zumeist sehr unsichere Klimarechenmodelle den Ausgangspunkt der Diskussionen. Ich gehe dennoch davon aus – und das ist auch die Sicht vieler Kollegen –, dass die Menschheit in ein paar tausend Jahren in der nächsten Eiszeit stecken wird.

Was macht Sie so sicher?

Die Erde hat rund 20 Eiszeiten durchlebt, die, zeitlich gesehen, etwa 90 Prozent der letzten zwei Millionen Jahre Erdgeschichte ausmachen. Nur zehn Prozent dieser irdischen Zeit waren also von Warmzeiten geprägt. Dieser ständige Wechsel von niedrigeren zu höheren Temperaturen wird maßgeblich durch astronomische Faktoren verursacht – also dem Lauf der Erde um die Sonne. Daraus ergibt sich ein irdischer Klimazyklus, der etwa 100.000 Jahre andauert. Das letzte Klimaoptimum gab es vor etwa 6000 Jahren – den Rest kann man sich ausrechnen. Der nächste Wechsel von der aktuellen Warmzeit zur Eiszeit kommt so sicher wie Tag und Nacht und wie Sommer und Winter. Schon in 10.000 Jahren könnte die Nordsee wieder trocken sein.

Werden diese Zyklen nicht durch den Menschen ausgehebelt, in dem er fossile Brennstoffe verfeuert? Dafür spricht doch die Klimaerwärmung der letzten Zeit.

Das Klima hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert – es ist offenbar wärmer geworden. Aber es ist wissenschaftlich ungeklärt, welche Rolle das CO2 hierbei spielt. Es ist denkbar, dass der CO2-Ausstoß zum Temperaturanstieg beiträgt. Aber für Wissenschaftler gibt es noch viele offene Fragen. Wie lässt es sich erklären, dass im Zeitraum 1945 bis 1975 der CO2-Anteil in der Atmosphäre zunahm, während die Durchschnittstemperatur auf der Erde sank? Oder wie passt es, dass seit 1998 keine globale Klimaerwärmung mehr festgestellt wurde? Es gibt Messungen, die zeigen, dass sich bei früheren Temperaturwechseln der atmosphärische CO2-Anteil erst mit einer zeitlichen Verzögerung von 600 bis 800 Jahren veränderte und damit also nicht Auslöser des Klimawandels gewesen sein kann. Es gibt noch sehr viele Unsicherheiten, und wir sollten kein Geld aus dem Fenster werfen.

Machen Energiesparen und CO2-Vermeidung keinen Sinn?

Solange unser Verständnis des globalen Klimas so rudimentär ist, sollten wir bescheidener sein beim Propagieren von Handlungsstrategien. Die Erde ist kein einfaches System, das wir nach Belieben steuern können. Die Politik verlangt heute von der Wissenschaft eindeutige Antworten, die diese aber gar nicht liefern kann. Wir brauchen noch mehr Zeit, um zu erforschen, welche Rolle das CO2 spielt. Darüber hinaus, so meine ich, sollten die Energie- und die Klimapolitik voneinander getrennt werden. Energie einzusparen ist gut, ganz egal, ob wir damit Einfluss auf das Klima der Erde nehmen oder nicht. Entsprechend sollten wir uns immer darum bemühen, effiziente Energiesysteme zu entwickeln. Die aktuelle Politik zur CO2-Vermeidung hingegen halte ich für bedenklich, weil sie irrtümlicherweise davon ausgeht, die menschliche Nutzung fossiler Brennstoffe sei der alleinige oder zumindest der entscheidende Faktor für den Klimawandel.

Es kann doch aber sinnvoll sein, vorsorglich aktiv zu werden, auch wenn sich die Rolle des Kohlendioxids später als nicht so wichtig herausstellen sollte.

Ich erachte es als Fehler, heute Bäume zu pflanzen, weil man CO2 binden will, oder es sogar in den Untergrund zu pumpen. Dieses Verfahren ist extrem aufwendig und sehr teuer, zudem gibt es keine Erfolgsgarantie. Stattdessen sollten wir lieber realistische Szenarien des aktuellen Klimawandels in Ruhe diskutieren und überlegen, wie wir vorausschauend agieren können. Auf diesem Weg käme man vielleicht eher auf die Idee, Deiche gegen steigende Meeresspiegel zu bauen – vor allem in Entwicklungsländern, wo hierfür die Mittel fehlen. Als Wissenschaftler möchte ich es jedenfalls nicht verantworten, den Menschen in Bangladesh zu sagen: „Macht euch keine Sorgen, wir pumpen jetzt CO2 in die Erde, euch wird schon nichts passieren.“

Immerhin vollzieht sich ein Bewusstseinswandel, dass uns irgendwann die fossilen Brennstoffe ausgehen. Ist die Klimaaufregung nicht deshalb legitim?

Eine solche Herangehensweise wäre unehrlich und undemokratisch, weil vernunftbasierte Entscheidungsfindungen in der Gesellschaft nicht mehr funktionieren. Wer heute die Klimawandelangst instrumentalisiert, um von den fossilen Brennstoffen wegzukommen, der betreibt überdies Missbrauch an den Naturwissenschaften.

Warum hält die Politik dennoch so hartnäckig an der CO2-Reduktion fest?

Politiker müssen tagtäglich mit wirtschaftlichen Unsicherheiten leben. Ich meine, sie wären gut beraten, zu offenen Fragen wie dem Klimawandel auch wissenschaftliche Unsicherheiten zu akzeptieren. Für die Hartnäckigkeit der Diskussion sind wohl vor allem politische Faktoren verantwortlich. Zu bedenken ist dabei, dass der Klimaschutz institutionalisiert wurde und eine große Bürokratie nun dafür sorgt, dass sie selbst und das Thema CO2-Reduktion nicht in Vergessenheit geraten. Und spätestens, seit sich die EU dieses Ziel auf die Fahnen geschrieben hat, ist es auch zu einem großen Geschäft geworden. Es locken überall Steuermillionen, um für den Klimaschutz investiert zu werden.

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