01.05.2008

„Ich hoffe, wir werden das Problem auf intelligente Art lösen“

Interview mit Bjorn Lomborg

Ein Gespräch mit Bjørn Lomborg über die globale Klimadebatte

Novo: Stellen Sie sich vor, die internationalen Klimaexperten des IPCC würden genau die gleichen Voraussagen zum Klimawandel treffen, wie er es jetzt tut. Man wäre sich aber darin einig, dass die globale Erwärmung Folge eines natürliches Phänomens und nicht durch Menschen verursacht wäre. Wie würde das die Debatte verändern?

Bjorn Lomborg: Wenn die Erwärmung nicht durch Menschen verursacht wäre, würde die Diskussion sicher sehr viel mehr in die Richtung gehen, wie die Gesellschaft mit dieser Entwicklung umgehen, wie sie sich darauf einstellen könnte. Wenn die Sonne für die Erwärmung verantwortlich wäre (oder wenn wieder eine neue Eiszeit käme, was auf jeden Fall irgendwann der Fall sein wird), dann bräuchten wir Gesellschaften, die durch ihren Wohlstand und ihr Wissen so gut geschützt und in der Lage sind, mit diesem Problemen umzugehen und all das bewahren können, was uns in unserer Zivilisation wichtig ist. In meinem Buch geht ist um die Frage, ob wir nicht genau diese Art von Diskussion haben sollten, auch wenn die Erwärmung von Menschen verursacht ist. Es ist richtig: Der CO2-Anstieg führt zu einer Erwärmung. Aber wir müssen fragen: Wenn man die Emissionen reduziert, wie viel besser wird es dann den zukünftigen Generationen, wie viel besser wird es dem Planeten, den Menschen und der Umwelt gehen? Das ist die Diskussion, die meiner Meinung nach nicht stattfindet.

Sie sagen in Ihrem Buch, die CO2-Reduzierung würde enorme Anstrengungen erfordern, aber kaum einen Effekt erzielen.

Kurzfristig, also in den nächsten 100 Jahren, ist das definitiv der Fall. Durch Forschung und Entwicklung werden wir es schaffen, dass zum Beispiel Sonnenenergie so viel billiger werden kann, dass sie rentabel ist. Und dann werden entsprechende Anlagen natürlich in großem Umfang gebaut. Aber mit der Technologie, die wir heute haben, ist das sehr teuer, und es wird sehr wenig erreicht.
Es gibt ein gutes Beispiel in Dänemark. Wir haben in den 70er-, 80er- und in den frühen 90er-Jahren Unmengen an Windrädern aufgestellt und waren mächtig stolz darauf. Aber sie waren sehr ineffizient. Und nun haben wir praktisch alle abgebaut und neue, effiziente – oder zumindest fast effiziente – errichtet. Vielleicht wäre es schlauer gewesen, nicht Zehntausende ineffiziente Windräder aufzustellen. Es ist okay, ein paar aufzustellen, und dann intensiv daran zu arbeiten, sie zu verbessern. Aber sollten wir sie nicht besser erst dann im großen Stil nutzen, wenn sie auch effizient arbeiten? Und darüber müssen wir in allen Bereichen reden.

Warum, glauben Sie, ist eine solche Position heute eine absolute Außenseitermeinung?

Es ist nicht so, dass diese Sichtweise nicht den meisten Leuten einleuchten würde. Sie bekommen die Problematik nur anders dargestellt. Sie lesen und hören überall darüber, wie die globale Erwärmung allem, was gut und schön ist, schadet und alles Schlechte befördert. Sie hören nur von den negativen Auswirkungen der globalen Erwärmung, und diese sind in der Regel auch noch stark übertrieben. Aus Sicht der Medien ist das leicht nachvollziehbar: Es verkauft sich besser. Es macht viel mehr Spaß, darüber zu schreiben, wie London im Meer versinkt, als über die eher unscheinbaren Auswirkungen, die ein Anstieg des Meeresspiegels um 30 Zentimeter tatsächlich mit sich bringen wird, nämlich fast gar keine. Es macht schlicht mehr her. Das britische Institute for Public Policy Research (IPPR) sagte kürzlich, was die Medien verkauften, sei eine Art Klima-Pornographie. Wir lieben es, so etwas zu sehen. So, wie wir es lieben, Bruce Willis zu beobachten, wie er uns vor dem Weltuntergang durch einen Asteroideneinschlag rettet. Es fasziniert uns. Das ist sozusagen die eher emotionale Seite.
Zum anderen gibt es auch ein Problem auf der Seite der rationalen Auseinandersetzung mit dem Problem. Das besteht darin, dass viele die Frage, was das größte Problem und was die beste Lösung sei, meiner Meinung nach komplett falsch einschätzen. Die Menschen neigen dazu zu fragen, was das größte Problem ist, und dann zu folgern, dass genau dieses Problem gelöst werden muss. Doch das ist falsch. Wenn es für ein großes Problem keine gute Lösung gibt, ist es unvernünftig, sich darauf zu stürzen. Die meisten von uns werden es als ihr größtes Problem sehen, dass sie irgendwann sterben müssen. Ein Ökonom würde sagen: Es gibt bei der Unsterblichkeit eine Unterversorgung. Aber wir wissen schlicht nicht, wie wir diese Unterversorgung überwinden können. Es wäre dumm, all unser Geld auszugeben, um nach dem Stein der Weisen zu suchen. Deshalb konzentrieren wir uns auf andere, kleinere, weniger glamouröse Punkte, wo wir wahrscheinlich sehr viel mehr erreichen können. Es geht nicht darum, wie groß das Problem, sondern darum, wie gut die Lösung ist. Und kurzfristig etwas gegen die globale Erwärmung zu tun, ist eine extrem teure Methode, praktisch nichts zu erreichen.

Warum, glauben Sie, können Politiker diese rationale Überlegung nicht nachvollziehen und erkennen nicht, dass es keine gute Lösung gibt?

Oh, sie tun das durchaus! Wenn man unter vier Augen mit ihnen spricht, geben sie das alle zu. Aber was sie ebenfalls erkennen und was noch wichtiger ist, ist, dass sich hier eine großartige Chance bietet, sich zu profilieren. Politiker versprechen in der Regel Dinge, die sie nicht selbst erfüllen müssen. 1997 kamen alle die Politiker in Kioto zusammen und versprachen, sie würden bis zum Jahr 2010 – einem Datum, an dem sie alle nicht mehr im Amt sein würden – etwas unternehmen. Das ist großartig. Man bekommt die Lorbeeren und muss kein einziges Problem lösen. Schwarzenegger hat das Gleiche jetzt in Kalifornien gemacht. Die Ergebnisse, die er bis 2020 erreichen will, wird er im Amt nicht erleben. Und nun reden alle, was bis 2050 geschehen muss. Bis dahin sind sie allesamt nicht nur im Ruhestand, sondern tot. Es ist für Politiker sehr leicht, solche Versprechungen zu machen. Denn die Kosten zeigen sich nicht sofort, und sie können sich darin gefallen, die Welt zu retten. Das ist sozusagen der Idealfall. Aber so kann man natürlich nicht weitermachen.
Großbritannien ist ein großartiges Beispiel dafür. Tony Blair betrat 1997 die politische Bühne und machte die globale Erwärmung zu einem seiner Hauptthemen. Seitdem hat er Jahr für Jahr bekräftigt, die CO2-Emissionen Großbritanniens um 15 Prozent senken zu wollen. Tatsächlich sind sie aber um drei Prozent gestiegen. Das kann man eine Zeit lang so machen. Aber irgendwann muss man dann wirklich handeln. Und dann werden die Leute merken, dass es sie sehr teuer zu stehen kommt. Großbritannien ist jetzt allmählich an diesem Punkt. Und deshalb redet Blairs Nachfolger Gordon Brown nicht nur davon, neue Kernkraftwerke, sondern auch neue Kohlekraftwerke zu bauen. Und sie wollen in Heathrow eine dritte Startbahn bauen, gleichzeitig aber natürlich auch weiter den Klimaschutz hochhalten. Diese Sachen werden in absehbarer Zeit zu einer Kollision führen. Und ähnlich ist es im Rest von Europa, wo bis zum Jahr 2020 die CO2-Emissionen um 20 Prozent gesenkt werden sollen. Das würde mindestens 0,6 Prozent, eher zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts kosten und hätte praktisch keinen Effekt. Selbst wenn ganz Europa dieses Ziel erreichen würde, käme der Temperaturanstieg am Ende des Jahrhunderts lediglich zwei Jahre später. Da frage ich mich: Ist das schlau, dafür so viel Geld auszugeben?

Es gibt Leute, die sagen, zwei Prozent des BSP seien nicht so ein großes Problem, und das Wachstum des Wohlstandes würde nur wenig verlangsamt.

Das ist einerseits richtig. Andererseits muss man sehen, dass man für ungefähr den gleichen Betrag auch die Krise der Sozialversicherungen in den USA lösen könnte oder die globalen Militärausgaben verdreifachen oder die Mittel für das Gesundheitswesen um ein Viertel erhöhen und wahrscheinlich alle Krankenhäuser bauen könnte, die man sich wünscht. Und wenn man sich ansieht, wie in den meisten Ländern die Budgets für öffentliche Ausgaben gemacht werden, dann kann man feststellen, dass alle bisherigen Auseinandersetzungen zwischen links und rechts, Regierung und Opposition hinfällig würden, weil die Beträge, um die da gerungen wird, lächerlich erscheinen.
Wenn alle Politiker zu allen Zeiten bei allen Aufgaben stets zur richtigen Zeit die optimalen Entscheidungen treffen würden, dann könnte man theoretisch auch bis zum Ende des Jahrhunderts die CO2-Emissionen auf null bringen und dennoch die Zunahme des Wohlstandes nur unwesentlich bremsen. Das ist ein Szenario, wie es vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung vertreten werden mag, das aber fern jeder Realität ist. Das sieht man schon heute. Die EU hätte sich für viel billigere Maßnahmen zur CO2-Reduktion entscheiden können, sie hat aber sehr teure gewählt.
Deshalb sage ich: Lasst uns das Geld an anderer Stelle ausgeben, um statt nichts sehr viel zu erreichen: für sauberes Trinkwasser, Kanalisation, Gesundheitsversorgung, Bildung. Alles sehr grundsätzliche Dinge, die Milliarden Menschen fehlen. Das sind alles ungelöste Probleme. Und es liegt nicht daran, dass wir nicht wissen, wie sie zu lösen wären. Malaria ist seit über 100 Jahren wissenschaftlich geklärt. Und so ist es bei vielen Dingen. Wir wissen, wie wir dafür sorgen könnten, dass die Menschen gesünder sind, dass sie besser gebildet sind, usw. Aber wir tun es nicht. Wir haben die Wahl: Entweder wir bremsen die Klimaerwärmung ein winziges bisschen. Oder wir bewirken für Milliarden von Menschen eine echte Verbesserung ihres Lebens und ihrer Chancen auf eine bessere Zukunft.

Die Debatte um die Klimaerwärmung ist von Übertreibungen und Alarmismus geprägt. Warum wehren sich so wenige Wissenschaftler gegen einen so leichtfertigen Umgang mit den Fakten?

Ich denke, es liegt einerseits an der Situation der Wissenschaft. Es gibt einen so weiten Bereich denkbarer Voraussagen. So gibt es z.B. einige sehr öffentlichkeitswirksam agierende Wissenschaftler, die über einen Anstieg des Meeresspiegels von mehreren Metern sprechen. Es gibt die große Masse der Wissenschaftler, die von einem Anstieg um 18 bis 59 Zentimeter im nächsten Jahrhundert ausgeht. Und es gibt einige, die sagen, dass der Anstieg noch unterhalb dieser Werte bleiben wird. Doch die Medien interessieren sich fast nur für die Rekorde, die extremen Positionen. Jim Hansen ist ein gutes Beispiel. Wenn die Presse ihn fragt, sagt er nicht, dass der IPCC von 18 bis 59 Zentimeter ausgeht, sondern er sagt, dass er selbst mit mehreren Metern rechnet. Die Presse geht nicht zu einem, der bei seinen Berechnungen auf zehn Zentimeter kommt. Denn das wäre langweilig.
Zum anderen liegt es daran, dass die meisten Wissenschaftler eher bescheidene Menschen sind, die nicht im Rampenlicht stehen wollen. Wenn man sie in ihren Laboren aufspürt und sie fragt, dann sagen sie in guter wissenschaftlicher Manier, dass es natürlich sein könnte, dass Jim Hansen recht hat. Genauso, wie sie sagen würden, dass auch ein Sinken des Meeresspiegels möglich wäre. Denn das Gegenteil können sie nicht beweisen. Außerdem würden sie sich unwohl fühlen, Kollegen zu kritisieren. Vielleicht sind sie in Sorge, sie könnten sich Feinde machen oder vielleicht keine Forschungsgelder mehr bekommen.
Ich habe einmal eine Rede vor Klimaforschern gehalten und habe sie gefragt, warum sie sich nicht gegen diese Übertreibungen wehren. Keiner wollte so recht antworten, und ich hatte den Eindruck, dass es ihnen etwas peinlich war.

Glauben Sie, dass antiamerikanische Haltungen in der Debatte eine Rolle spielen?

Auf jeden Fall. Das kann man gut am Kiotoprotokoll sehen, das in jeder Hinsicht völlig unrealistisch ist. Aber es wurde zu einer Anti-Bush-Sache und insgesamt einer antiamerikanischen Sache, denn der ganze Senat lehnte es ja ab. Auch sein Vorgänger Bill Clinton hatte es nicht ratifiziert. So wird das Ganze zu einer Auseinandersetzung zwischen den USA und dem Rest der Welt stilisiert. Und dann funktioniert natürlich auch der Umkehrschluss: Wer gegen Bush ist, ist für Kioto. Das ist aber nicht sehr schlau.

Wie wird die Welt in 100 Jahren aussehen?

Die Welt wird ohne Zweifel in jeder Hinsicht ein besserer Ort sein. So wie es den Menschen heute erheblich besser geht als zu Beginn des letzten Jahrhunderts, so wird es den Menschen im 22. Jahrhundert erheblich besser gehen als den meisten Menschen heute. Dass wir einige Veränderungen haben werden, wird an dieser Entwicklung nichts ändern. Der Meeresspiegel wird um 30 Zentimeter ansteigen. Doch er ist auch in den letzten 150 Jahren um 30 Zentimeter angestiegen, und kein Mensch hat darin ein nennenswertes Problem gesehen. Wir werden auf das 21. Jahrhundert zurücksehen und über vieles reden, aber die globale Erwärmung wird kein großes Thema sein. Sie ist heute eine von vielen Herausforderungen, mit denen wir zurechtkommen müssen. Und ich habe keinen Zweifel, dass uns das gelingen wird. Ich hoffe nur, wir werden das Problem auf intelligente Art lösen. Dann hätten weit weniger Menschen im 21. Jahrhundert unnötig zu leiden.
Das Problem ist, dass vielen Menschen diese Zuversicht fehlt. Ich habe bei der BBC zusammen mit Al Gore einen Vortrag gehalten und gefragt, wer im Publikum der Meinung sei, die Welt sei in den letzten 50 Jahren ein besserer Ort geworden. Fast alle meldeten sich. Dann fragte ich nach den nächsten 50 Jahren. Es wurden weit weniger Hände gehoben.

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