01.03.2008

Phänomenologie und Monade

Essay von Hanko Uphoff

Anlässlich des 70. Todestages des Begründers der modernen Phänomenologie, Edmund Husserl, einige grundlegende Besonderheiten seines in radikaler Weise von der Subjektivität ausgehenden Ansatzes.

Am 27. April jährt sich der Todestag des Philosophen Edmund Husserl, des Begründers der modernen Phänomenologie, dessen Philosophie zu den größten und einflussreichsten geistigen Entwürfen des 20. Jahrhunderts zählt, zum 70. Mal. Nun hört man heute von einer in gebildeten Kreisen westlicher Gesellschaften bestehenden Unsicherheit bezüglich der Frage nach dem Sinn des Lebens des Menschen in der Moderne. Diesen Umstand sah nicht nur Husserl durch ein wesentliches Charakteristikum der Moderne selbst begünstigt, nämlich den letztlich durch Prozesse gesellschaftlicher Differenzierung drohenden Verlust der geistigen Einheit in Gestalt einer umfassenden und richtungweisenden Idee. Jahrzehnte nach dieser Diagnose ist das öffentliche Gerede unserer Tage immer noch durch Diskussionen über einen vermeintlichen Werteverlust oder die angestrengten Versuche politischer Parteien geprägt, sich nach dem „Ende der Ideologien“ neu zu profilieren – Symptom mittlerweile chronischen Kränkelns. Da ist der Nährboden für Beratungsunternehmen günstig, denn viele in Selbst- und Worumwillen verunsicherte Akteure wollen sich von anderen sagen lassen, wer sie sind und was sie sollen. Die Absurdität dieses Vorgehens zeigt sich spätestens dann, wenn man widersprüchlichen Empfehlungen verschiedener Berater gegenübersteht. Wer Klarheit will, der beginnt mit seinen Betrachtungen also am besten gleich bei sich selbst, womit wir wiederum direkt bei Husserl wären.

In Husserls Schriften zur ersten Philosophie von 1923/24 heißt es, die transzendentale Phänomenologie führe auf die Monadologie Leibniz’. Der Objektivist oder der politisch engagierte Bürger wittert hier vielleicht einen schlechten Subjektivismus, der das in seinen Augen ohnehin Schlimme nur noch schlimmer macht – etwa politisches Desinteresse oder Degeneration öffentlicher Diskussion. Vielleicht sehnt man sich nach neuen Vergemeinschaftungen von Menschen, die im Geiste richtungweisender und universalistischer Ideen wie Vernunft, Freiheit und Fortschritt nach bestem Gewissen in die Welt gerichtet handeln, um die Situation der Menschheit zu verbessern. Wohlgemerkt werden allerdings Geltung und Relevanz der Vernunft-, Freiheits- und Fortschrittsidee von Husserl gerade nicht bestritten. Aber Intellektuelle, die einem sagen, der Begriff Monade sei sinnlos, findet man überall. Diese Behauptungen beruhen jedoch auf Missverständnissen. Denn die Kritiker verstehen unter dem Begriff Monade das schwächliche Individuum, das sich nach dem angeblichen „Tod des Subjekts“ nicht mehr als Subjekt zu verstehen traut; das Individuum, das nach dem Ende der Ideologien keine sozialen Bewegungen mehr erhofft, mit denen identifiziert es im Dienst an einer überzeugenden Sache Gelegenheit hat, seine Vereinzelung im intersubjektiven Handeln zu transzendieren. Vor allem aber wird der Begriff Monade so missverstanden, als bedeute er, ich würde in mir drin kleben und könnte nicht nach draußen, sodass ich keinen echten Kontakt zur äußeren Wirklichkeit habe. Aber der Gedanke Leibniz’, demzufolge die Monade nach außen keine Fenster hat, ist im genau entgegengesetzten Sinne zu verstehen und daher völlig unproblematisch, denn er besagt: Alles, was für mich ist, ist mir innerhalb der Monade gegeben. Die Situation kehrt sich also um, sodass wir den an Leibniz anschließenden monadologischen Ansatz Husserls offenbar nicht gegen den Verdacht der Kleinmütigkeit, sondern eher gegen den des Größenwahns zu verteidigen haben, denn scheinbar bedeutet der so verstandene Begriff Monade ja, dass ich alles bin. Aber die Welt wäre doch auch ohne mich? Und die anderen sind doch auch für sich und nicht etwa nur für mich?

Es wird sich zeigen, auch der Verdacht des Größenwahns lässt sich zerstreuen. Aber warum geht Husserl in so radikaler Weise von der Subjektivität aus? Nach Einschätzung Husserls haben dessen transzendental-philosophische Vorgänger die bestehenden metaphysischen Missverständnisse eher gemehrt als gemindert. Aufzuklären bleibt etwa die unangemessene Rede über Dinge an sich. Auch Kant hatte bereits die Rückwendung auf das Subjekt vollzogen, derzufolge wir für ein angemessenes Verständnis der Erscheinungswelt die subjektiven Leistungen des Verstandes und der Vernunft ins Auge zu fassen haben. Denn Kant zufolge müssen sich die Erscheinungen nach dem Erkenntnisvermögen richten und nicht umgekehrt. Da Kant aber das Kausalitätsprinzip nicht nur auf Beziehungen zwischen den Erscheinungen, sondern auch auf Erscheinung überhaupt anwendet, entsteht ihm der Eindruck, diese müssten von etwas Jenseitigem verursacht sein. Dieses ist für uns jedoch unerkennbar, weil wir eben prinzipiell in der Welt der Erscheinungen leben, die so aber den Status des „bloß“ Subjektiven bekommen. Trotz aller Beteuerungen, das sei nicht schlimm, weil in der Erscheinungswelt alles für uns Relevante liege und das unerkennbare Ding an sich außerdem gefordert sei, wenn anerkannt werden soll, dass die Welt eben doch mehr sei als nur unsere Erscheinung, so bleibt hier doch der fade Nachgeschmack, dass das Eigentliche vielleicht unerkannt bleibt. Für Kant ist die Erscheinungswelt außerdem durchgehend determiniert, wobei dieser Determinismus als eine im Sinne alles durchherrschender Notwendigkeit verstandenen Kausalität gedacht wird. Angesichts dieser determinierten Erscheinungswelt und einer wohl zu unterstellenden Vorliebe für einen nicht-kompatibilistischen Freiheitsbegriff sucht Kant den Ursprung der Freiheit dann im Reich des Noumenalen, in der Welt der Dinge an sich. Allerdings hatte Kant zuvor ausdrücklich gesagt, das über das Reich der Dinge an sich überhaupt nichts auszumachen sei. Wenn Kant nun doch diesbezügliche Aussagen trifft – und nicht anderes tut er ja, wenn er die Freiheit ins Feld des Noumenalen verlegt –, gerät er also in einen Widerspruch. Und auch wenn man ihn so verstehen will, dass klare Erkenntnis eben auf die Welt der Erscheinungen beschränkt ist, während die Verlegung der Freiheit ins Noumenale bloß denkbar ist, insofern hier die Vernunft den Bereich der Erscheinungen für ihre Zwecke überschreitet, so bleibt nicht nur Kants Rechtfertigung der Freiheit gegenüber seiner Rechtfertigung der Naturwissenschaften schwach. Auch die in ihrer Unerkennbarkeit beunruhigende Hinterwelt der Dinge an sich bleibt bestehen.

Auf metaphysische Missverständnisse wie diese reagiert Husserls Ansatz der transzendentalen Phänomenologie. Ursache dieser scheinbar unausrottbaren Verwirrungen sind laut Husserl seitens der Philosophen aus der Philosophiegeschichte unreflektiert übernommene Dogmen. Was Kant betrifft, so wäre hier etwa die unausgewiesene Verabsolutierung des Kausalitätsprinzips zu nennen, sowie die unhinterfragte Voraussetzung, dass Kausalität gleichbedeutend mit Notwendigkeit ist. Angesichts derartiger Verwirrung fordert Husserl für den Phänomenologen unbedingte Vorurteilslosigkeit und formuliert das Prinzip der Prinzipien, demzufolge in der Phänomenologie nur gelten darf, was subjektiv unmittelbar anschaulich gegeben ist. Phänomenologie wird damit zu einer deskriptiven Methode, die den Sachen selbst zu ihrem Recht verhelfen will, ohne sie vorschnell wegzuerklären oder als undenkbar abzustempeln.

Wir wollten den monadologischen Ansatz der Phänomenologie Husserls als gerechtfertigt betrachten, wenn wir in dessen Rahmen die Unabhängigkeit der Welt, also ihr An-sich-Sein, sowie das Für-sich-Sein nicht nur meiner, sondern auch fremder Subjektivität erklären können. Kommen wir also zur Phänomenologie als Methode. Die wesentlichen Begriffe lauten natürliche Einstellung, transzendental-phänomenologische Reflexion beziehungsweise Reduktion und transzendental-phänomenologische Epoché bzw. Einklammerung. Natürlich eingestellt leben wir werktätig und von philosophischen Problemen unberührt in der Lebenswelt des Alltags dahin. Im Umgang mit praktischen Problemen setzen wir die Welt in naivem Realismus als zweifellos gegeben voraus. Dieser naive Realismus kennzeichnet auch die natürlichen Wissenschaften, denn mit gutem Recht heben sie für ihre Zwecke bei der Erforschung der innerweltlichen Gegebenheiten ebenfalls nicht mit dem Zweifel am Sein der Welt, sondern mit ihrer Zweifellosigkeit an. Dieser Weltglaube ist ursprünglich aber auch unerschütterlich, was dadurch begünstigt wird, dass wir die Lebenswelt des Alltags nicht dauerhaft zugunsten anderer theoretischer, ästhetischer oder fantastischer Wirklichkeitsbereiche verlassen können, sondern immer wieder in diese Alltagswelt zurückkehren müssen. Gleichwohl wissen wir in natürlicher Einstellung dahinlebend nicht unmittelbar, wie wir darauf kommen, dass bestimmte Gegebenheiten für uns den Sinn des An-sich-Seienden oder den Sinn fremder Subjektivität haben.

Und genau diese Frage, wie wir darauf kommen, stellt die Phänomenologie Husserls. Sie will die Gegebenheitsweisen der Phänomene so weit differenzieren, dass die so entfaltete Darstellung der Phänomene an Differenziertheit nicht hinter der Differenziertheit der Erfahrung zurückbleibt, die wir im lebensvollziehenden praktischen Umgang tatsächlich mit diesen Gegebenheiten machen. In ihrem selbstreflexiven Vorgehen folgt sie damit letztlich dem stoischen Motto „Erkenne dich selbst“. Selbsterkenntnis ist nur möglich, wenn wir aus unserem Lebensvollzug heraustreten und uns selbst in den Blick nehmen. Das kann jeder. Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit Leuten am Tisch, wollen aber nicht dort sein und fragen sich: „Was mache ich hier eigentlich?“ Alle gegenwärtigen Gegebenheiten bleiben Ihnen erhalten, aber Sie haben eine Ichspaltung vollzogen, sodass sie zwar einerseits weiterhin mit den Leuten reden können, aber die Situation zugleich reflexiv im Blick haben. Sie haben dabei weder wirklich aufgehört, Mensch zu sein, noch sind sie wirklich aus der Welt herausgetreten. Aber Ihr reflektierendes Ich sieht Sie selbst als reflektiertes Ich in der Welt, in Ihrer Bezogenheit auf die anderen. Da es in der Reflexion selbst auch identifizierende Akte vollzieht, weiß es sich selbst eins mit dem reflektierten Ich, und es weiß, dass es selbst ebenso wie dieses in der Welt ist. Damit haben Sie die phänomenologische Reflexion vollzogen. Aber wie kommen wir nun auf den Sinn des An-sich-Seienden und des fremden Für-sich-Seins? In der aktuell reflektierten Situation sind schließlich beide Sinne noch als geltende Objektivitäten vorausgesetzt, denn als reflektiertes Ich sind Sie ja immer noch handelnd auf Tisch und andere bezogen. Aber diese Objektivitäten sind erst zu erklären, und daher setzen wir ihre Seinsgeltung in Klammern, indem wir die transzendental-phänomenologische Reduktion vollziehen. Wir enthalten uns des Urteils über die Seinsgeltung eben dieser Objektivitäten überhaupt, leugnen sie aber nicht. In dieser Einklammerung der Seinsgeltung (Epoché) sind Sie nun nicht mehr handelnd auf die Objektivitäten bezogen, denn es hat keinen Sinn, auf etwas hin zu handeln, bezüglich dessen man sich des Urteils darüber enthält, ob es wirklich ist oder nicht. Aber abgesehen davon, dass es, solange in der Reduktion die Seinsgeltung der Objektivitäten eingeklammert bleibt, gegenwärtig sinnlos ist zu handeln, geht in dieser Reduktion nichts verloren. Erhalten bleibt das gesamte Feld meiner vergangenen und gegenwärtigen subjektiven Erlebnisse, meiner zukunftsbezogenen Erwartungen, sowie die Erinnerung vergangener Handlungen. Phänomenologie als selbstreflexive Methode ist also nicht Selbsterkenntnis im Sinne bloß psychologistischer Introspektion, sondern Erkenntnis meiner subjektiven Bezogenheitsweisen auf Gegenständlichkeiten in der Welt und die Analyse dessen, wie es das Bewusstsein zu solchen Gegenständlichkeiten bringt. Ziel ist die Explikation des vollen Lebens in der Monade, in der mir alle Gegenstandsarten als Korrelate meines leistenden Bewusstseins gegeben sind.

Kommen wir zur Konstitution der Gegenstände äußerer Wahrnehmung – der Dinge –, die für uns den Sinn des „An-sich“, des „Sie-selbst“ haben. Es zeigt sich, dass diese niemals allseitig in der Wahrnehmung gegeben sind, sondern dass vielmehr die uns zugewandte Seite uns stets auf andere vergangene Wahrnehmungen ähnlichen Typs verweist, woraus uns bezüglich der uns in aktueller Wahrnehmung zugekehrten Seite die Erwartung potenzieller Wahrnehmbarkeit weiterer Seiten erwächst, die uns dem allgemeinen Typus nach vorbekannt sind. In diesem Fluss der Erfahrung von sich uns sukzessive zukehrenden Seiten erwächst uns, wenn diese Erfahrung einstimmig verläuft und sich die allgemeinen Vorerwartungen bis auf Weiteres bestätigen, der Sinn eines Gegenständlichen, das im abgeschatteten Fluss der Erlebnisse sich als ein Selbst konstituiert und im Fortgang dieses Erlebnisflusses intentional als solches vermeint wird. Dabei hat wohlgemerkt das so vermeinte gegenständliche Selbst den Sinn, gerade mehr als nur mein Erlebnis zu sein, denn wirklich in den Sinnen sind ja nur einzelne Seiten des Gegenstandes, während im intentional gegenständlich vermeinten Selbst seine aktuell abgewandten Seiten mitgedacht sind. Und eben in diesem Mitgedachtsein entsteht in der Monade der Sinn des mein bloßes Erleben Transzendierenden: In dieser Erfahrung immanenter Transzendenz sehe ich mich also durch bestimmte subjektive Bewusstseinsleistungen darauf verwiesen, dass ich nicht alles bin. Ferner kommt es zu Synthesen zwischen abgebrochenen vergangenen Wahrnehmungskontinuen und aktuellen Wahrnehmungskontinuen, die vermöge der Wiedererinnerung und unter Maßgabe der Einstimmigkeit als dasselbe erfasst werden. Auf diese Weise entwickeln wir eine Objektkonstanz, derzufolge wir berechtigterweise annehmen, dass bestimmte Dinge auch dann da sind, wenn wir sie aktuell nicht wahrnehmen. So gilt letztlich, „dass was alles in allem zur bleibenden und immerfort bewährten Überzeugung von einer Welt gehört – einer Welt von Dingen, die ich bald erfahre, bald nicht erfahre, teils kenne, teils nicht kenne –, transzendental nichts anderes ist als ein bestimmt zu beschreibendes System wirklicher und möglicher Erfahrung“, dessen Explikation in phänomenologischer Reflexion bzw. Reduktion zu leisten ist. Der Unterschied zu Kant besteht dabei darin, dass auf die Konstruktion noumenaler Hinterwelten verzichtet wird, weil ich als Phänomenologe auf mein Gelassensein in die Welt reflektierend nachvollziehen kann, wie sich der Sinn des An-sich-Seins der Dinge in der Immanenz meines strömenden Lebens konstituiert, ohne dass ich die Dinge an sich in ein meiner Erfahrung prinzipiell entzogenes Reich verlegen müsste. Denn hier kommen die Dinge selbst in ihren abgeschatteten Erscheinungsweisen zum Bewusstsein, und die Eigenschaften hängen keineswegs verdeckend vor ihnen wie Masken. 

Wie steht es nun mit der fremden Subjektivität? Unter den mir begegnenden Dingen kann ich fremde Leiber als eine besondere Gattung unterscheiden, weil sie mir anschauungsmäßig in einer besonderen Weise gegeben sind. Erfolgt die Sinngebung „Ding“ in einer Setzung des Bewusstseins, die ich vollziehe, wenn meine Erfahrung in einer bestimmten Form der Einstimmigkeit abläuft, so sind fremde Leiber so gegeben, dass sie mir als sich selber setzend erscheinen. Ich bin daher nicht nur zur den Fluss der Abschattungen dieses Phänomens zusammenfassenden Sinngebung „Ding“ motiviert, sondern fasse dieses Ding darüber hinaus als fremden Leib auf. Solange sich die Einstimmigkeit dieser Erfahrung durchhält, indiziert diese Gegebenheitsweise für mich per Analogie mit meinem Leib fremdes Seelenleben. Dieses ist mir jedoch nicht unmittelbar zugänglich, sondern durch die besondere Form anschauungsmäßiger Gegebenheit des Leibes lediglich angezeigt oder indiziert. Dadurch bin ich motiviert, in die mir als fremde Leiber begegnenden Phänomene fremde Subjektivität einzuverstehen, d.h. etwas anzunehmen, was mir entzogen ist. Auch hier bezieht sich aber diese Entzogenheit nicht auf eine noumenale Hinterwelt, sondern in der Erfahrung einer immanenten Transzendenz in der Welt sehe ich mich darauf verwiesen, dass ich keineswegs alles bin, auch wenn sich der Sinn fremder Subjektivität als Korrelat bestimmter meiner Bewusstseinsleistungen in der Monade konstituiert. Anlässlich des beschriebenen Einverstehens fremder Subjektivität in bestimmte anschauungsmäßige Gegebenheiten spricht Husserl auch von der Generalthesis des Alter Ego. Konsequenterweise fasse ich also fremde Subjektivität per Analogie als andere Monade auf, die in meiner Monade enthalten ist. Ist sie aber Monade gleich mir, so muss ich annehmen, dass auch ich als Monade für sie innerhalb ihrer Monade enthalten bin. Demzufolge wären alle Monaden wechselseitig ineinander enthalten bzw. eine Monadengemeinschaft. Husserl spricht hier auch von transzendentaler Intersubjektivität.

Wir haben also im Rahmen des monadologischen Ansatzes der Phänomenologie Husserls den Verdacht abgewehrt, ein solcher Ansatz bedeute entweder rein introspektive Kleinmütigkeit im Sinne unüberwindlichen In-sich-drin-Klebens oder maßlose Selbstüberschätzung im Sinne eines Ich-bin-alles; und wir haben gezeigt, dass die Differenzierung der Fülle des mir in der Monade reflexiv gegebenen subjektiven Lebens und der in ihm vermeinten intentionalen Gegenständlichkeiten hinreicht, um den Sinn einer an sich seienden Welt sowie den Sinn fremder Subjektivität verständlich zu machen, ohne noumenale Hinterwelten konstruieren zu müssen. Daher heben wir jetzt die in der transzendental-phänomenologischen Reduktion vollzogene Einklammerung auf und stehen wieder in der Welt der natürlichen Einstellung. Der gegen Husserl erhobene Einwand, man komme nach Vollzug der transzendental-phänomenologischen nicht wieder zur Welt zurück, ist nichtig, weil wir die Welt nicht geleugnet hatten, sondern uns lediglich des Urteils bezüglich ihres Seins oder Nichtseins enthalten hatten. Aber gewonnen haben wir das Bewusstsein, wie wir auf bestimmte für das soziale Leben grundlegende Sinnsetzungen kommen.

Abschließend gehen wir darauf ein, dass wir während der Urteilsenthaltung über Sein oder Nichtsein der Welt nicht handeln konnten. Nach Aufhebung der Einklammerung befinden wir uns wohlgemerkt wieder im Weltglauben der natürlichen Einstellung, sodass ein Handeln selbstverständlich wieder möglich ist. Im Rahmen der transzendentalen Reduktion waren wir zwar bereits über immanente Transzendenzen auf die Unabhängigkeit der Welt verwiesen. Aber in der Unmöglichkeit des Handelns waren wir von einer weiteren Erfahrung abgeschnitten, die jedoch weder den Rahmen des monadologischen Ansatzes noch den der phänomenologischen Methode sprengt. Nach Aufhebung der Einklammerung erhalten wir einfach die im Zusammenhang mit der Ichspaltung eingeführte phänomenologische Reflexion aufrecht und betrachten unser in die Welt gerichtetes Handeln. In einer weiteren immanenten Transzendenz erfahren wir hier den Widerstandskoeffizienten der Welt. In dieser Einsicht liegt meines Erachtens der eigentliche Beitrag Sartres zur Weiterentwicklung der Phänomenologie Husserls. Den Widerstandskoeffizienten erfahren wir sowohl bezüglich der physischen als auch der sozialen Welt, denn sowohl wenn wir einen schweren Stein nicht wegrollen können, als auch wenn sich die anderen nicht nach unseren Empfehlungen richten, sind wir darauf verwiesen, dass sich die innerweltlichen Realitäten nicht unbedingt unserem handelnden Eingreifen fügen. Dennoch erfahren wir aber unsere Freiheit in der Welt – und ohne Bezug auf noumenale Hinterwelten – nicht zuletzt gerade dann, wenn wir uns im intersubjektiven Handeln mit anderen beharrlich mit diesen Realitäten auseinandersetzen. Hier liegt ein weiteres der phänomenologischen Forschung zugängliches Feld, das jedoch nicht unter dem Titel einer transzendentalen, sondern einer mundanen Phänomenologie der Lebenswelt bearbeitet wird. Und die Idee der Freiheit kann auch in der unversöhnten Moderne geistige Einheit stiften, wenn wir wollen.

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