22.04.2014

Der Westen gegen Russland

Kurzkommentar

Warum nun auch das?

Seit die Artikel dieses Kapitels verfasst wurden, ist der Konflikt um die Ukraine zum harten Machtkampf zwischen EU und USA auf der einen und Russland auf der anderen Seite geworden. Mit Sanktionen gegen Russland, seinem Ausschluss aus der G-8-Staatengruppe und dem überstürzten Abschluss des EU-Assoziierungsabkommens mit der neuen ukrainischen Regierung hat der Westen als Reaktion auf das Krim-Referendum für den Anschluss an Russland die Konfrontationsspirale weiter angeheizt. Inzwischen fordert Nato-Generalsekretär Rasmussen die Aufrüstung Europas und die Aufnahme von Georgien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro sowie Mazedonien in das westliche Verteidigungsbündnis. Und Jean-Claude Juncker, Spitzenkandidat der europäischen Konservativen für das Amt des Kommissionspräsidenten, sieht den Zeitpunkt für den Aufbau einer europäischen Armee gekommen. Deutschlands Leitmedien sind derweil voll mit Hetze nicht nur gegen Russland und seinen Staatspräsidenten Putin, sondern oft auch gegen jene, die zu Besonnenheit und Diplomatie mahnen. In manchen Medien agiert man nur sehr knapp unterhalb der Schwelle zur Kriegstreiberei.

Doch worum geht es überhaupt? Viele Kommentatoren fühlen sich an 1914 erinnert. Andere befürchten oder beschwören eine Neuauflage des Kalten Krieges. Aber diese Vergleiche werden der Besonderheit dieses Konflikts nicht gerecht. Wir erleben einen Kollaps der Diplomatie und Kommunikationsfähigkeit. Doch warum? Vladimir Putin betrachtet die Einmischung der EU und USA in die Beziehungen zwischen Russland und seinen Nachbarstaaten als bedrohliche Einkreisung. Der Westen will oder kann das nicht zur Kenntnis nehmen, denn das hieße eingestehen, dass seine Politik in Osteuropa seit geraumer Zeit in der Tat auf eine Provokation Russlands hinausläuft. Man echauffiert sich über Putins Griff zum Referendum auf der Krim. Das war ein nach internationalem Recht ohne Zweifel kontroverser und obendrein unkluger Schritt. Doch war es völkerrechtlich makellos, in der Ukraine ausgewählte Teile der Opposition gegen den immerhin demokratisch gewählten Präsidenten Janukowitsch finanziell, politisch und moralisch massiv zu unterstützen? Zudem stellt sich die Frage: wozu?

Die Empfindlichkeit, mit der man jeden Hinweis zurückweist, dass Europa und Amerika selbst laxen Umgang mit den Grundsätzen des Völkerrechts pflegen, zeigt: der Westen möchte ungern die Legitimität und Sinnhaftigkeit seiner expansiven Außenpolitik in Frage gestellt sehen. Umso verbissener will man Russland durch Sanktionen für seine ohne Zweifel heftige Reaktion auf den Zusammenbruch des Janukowitsch-Regimes strafen. Doch da man die unabsehbaren gravierenden Folgen einer weiteren Eskalation erkennt, möchte man gleichzeitig wieder in Verhandlungen mit Russland eintreten.

Wirkliche Verhandlungen können jedoch nur dann Erfolg haben, wenn die westlichen Staatsführer glaubhaft ihre Anerkennung der legitimen Interessen Russlands bekennen. Anderenfalls wird die Ukraine zu einem weiteren „failed state“, der der externen Alimentation bedarf – und der völlig überflüssige Zwist zwischen dem Westen und Russland würde zum Dauerkonflikt mit unabsehbaren Folgen für die Stabilität Europas. Zu empfehlen ist daher: Stopp, innehalten, nachdenken, neu ansetzen und Brücken bauen.


 

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