26.09.2012

Gewissen und Bissen

Soll der Mensch Fleisch essen – darf er es überhaupt? Kaum etwas illustriert die Zweifel der Gesellschaft an der Menschheit dramatischer als die Debatte über Vegetarismus

Ob und wie viel Fleisch jemand isst, ist kaum mehr Geschmackssache. Es gibt mittlerweile kaum ein Thema, das emotionaler diskutiert wird als der Vegetarismus. Dabei spielen Gesundheitsaspekte kaum mehr eine Rolle. Es ist nicht mehr entscheidend, ob man sich selbst schadet, wenn man viel rotes Fleisch verzehrt. Stattdessen wird den Fleischkonsumenten vorgeworfen, der Allgemeinheit zuzusetzen. Wer kein Vegetarier ist, fördert die Massentierhaltung. Und er verschlimmert den Welthunger, weil das Schlachtvieh Getreide frisst, mit dem man viel mehr Menschen hätte ernähren können. Wer Fleisch isst, verantwortet auch die Klimaerwärmung, weil die Rindviecher soviel Methan ausstoßen. Derlei Thesen sind in solchem Maße Allgemeingut geworden, dass sie kaum mehr hinterfragt werden. Dabei geht es im Kern gar nicht um Tiere und Ernährung: Die Vegetarismus-Vertreter bezweifeln generell, ob der Mensch die moralische Berechtigung hat, eine andere Kreatur zu essen. Es wird in Frage gestellt, ob sich Menschen überhaupt hinreichend von Tieren unterscheiden. Hinter der neuen Zuwendung zum Tier stecken große Zweifel daran, was den Menschen besonders macht – und ihn über das Tier erhebt. Wie man sich ernährt, kann jedem selbst überlassen sein. Die latente Menschenfeindlichkeit, die mit der Tierliebe einhergeht, ist jedoch ein Problem, das uns gar nicht schmecken sollte.

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