04.02.2011

Wer macht denn nun den Staat?

Essay von Lena Wilde

Politik und Journalismus eint eine verzwickte Geschwisterliebe. Sie sollen sich streiten, aber jederzeit noch miteinander reden können. Doch der Diskurs leidet besonders darunter, dass sich der große Bruder Politik einfach das Zepter aus der Hand hat nehmen lassen. Und nun? Von Lena Wilde

Der Philosoph und Gesellschaftskritiker Slavoj Zizek hat in einem Interview sehr metaphorisch auf eine allgegenwärtige Gegenwartstendenz hingewiesen: „In allen Bereichen haben wir zunehmend das Ding ohne sein Wesen. Wir haben Bier ohne Alkohol, Fleisch ohne Fett, Kaffee ohne Koffein.“ (1) Und Politik ohne Gestaltungswillen. Sie hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte ideologisch entkoffeiniert und damit in die diätistischen Tendenzen des gesamtgesellschaftlichen Zeitgeistes eingereiht. Zizek drückt das so aus: „Vor 20 oder 30 Jahren wurde noch darüber diskutiert, ob die Zukunft nun faschistisch, kommunistisch oder kapitalistisch sein würde. Keiner diskutiert heute mehr solche Fragen. Der Bereich fundamentaler gesellschaftlicher Fragen ist einfach entpolitisiert worden.“ Und er bedauert, dass sich dies gerade in einer Zeit ereigne, „in der sich ganze gesellschaftliche Koordinaten verschieben“.

Von den heute nicht mehr im Streit ausgehandelten Systemfragen ist auch der Journalismus unmittelbar betroffen, denn er lebt sprichwörtlich davon, dass er kontroverse Debatten über entscheidende Zukunftsfragen in seinen Medien behandelt, Positionen hervorbringt und verwirft, politische Vorschläge und Entscheidungen von Relevanz damit kontrolliert und kritisiert. Die früheren großen Debatten „bescherten den Lesern interessante Geschichten und den Verlagen Aufmerksamkeit, Anerkennung und damit wirtschaftlichen Erfolg. Der Kampf der Argumente beflügelte die Leidenschaft der Redakteure, er steigerte die Auflagen und animierte sogar die Anzeigenkunden“, erinnert sich Journalist Manfred Bissinger in einem Essay an eine zukunftstaugliche Vergangenheit. (2) Der Beitrag erschien in der Reihe „Wozu noch Journalismus?“, die von der Süddeutschen Zeitung initiiert worden ist – was an sich schon einiges über die tief sitzenden Selbstzweifel der Branche am Sinn des eigenen Tuns aussagt.

Aber wenn die Politik als Berichterstattungsgegenstand an Substanz verliert, fällt es auch der publizistischen Seite schwer, diesen Substanzverlust auszugleichen und Positionen mit einer überzeugten Haltung zu vertreten. Vielfach spiegelt der Journalismus heute die missliche Lage der Politik und scheint instinktiv zu verspüren, dass ihm damit selbst der zündende intellektuelle Treibstoff ausgegangen ist. Gemeinsam mit der Politik treiben die meisten Medien daher ziellos auf der Mittelspur ins Grüne, wo man die meisten Wähler oder Rezipienten vermutet, während man gleichzeitig unter den fehlenden Alleinstellungsmerkmalen zu leiden beginnt.

In der Journalismustheorie wird das angespannte Verhältnis zwischen Politik und Journalismus in der Regel deskriptiv behandelt. In der Systemtheorie Luhmann’scher Prägung stellen Politik und Journalismus zwei voneinander getrennte soziale Systeme dar, die jeweils ihrer eigenen Logik folgen, sich aber im Tausch untereinander gegenseitig Themen anbieten. Erfolg hat, wer weiß, wie das andere System funktioniert. Er kann seine eigenen Themen so darstellen, dass das andere System beinahe reflexartig darauf reagieren muss – so in etwa lässt sich das heute nicht mehr wirklich als distanziert zu beschreibende Verhältnis zwischen Politik und Journalismus systemtheoretisch skizzieren. Diese Sichtweise hat jedoch zwei entscheidende Mängel: Erstens: Wo sind die Menschen, die Entscheidungen jenseits der Systemlogik treffen? Zweitens: Wo sind die klaren Hierarchien zwischen den Systemen?
In der kommunikationswissenschaftlichen Forschung war man sich lange uneins darüber, welches der beiden Systeme infolge des Distanzverlustes einen Nachteil hat. Einige Wissenschaftler erkannten einen alleinigen Autonomieverlust der Medien, die von der Politik in immer größerem Ausmaß zur Imagegestaltung instrumentalisiert würden. Durch den Ausbau der politischen Öffentlichkeitsarbeit gelänge es Politikern immer leichter, ihre Themen in die Redaktionen zu transportieren und damit die Kontrolle über die öffentliche Themenagenda zu erlangen.
Andere Wissenschaftler drehten den Spieß um und behaupteten, in Wirklichkeit habe sich die Politik der Medienlogik unterworfen und sei von deren Regeln geradezu determiniert worden, mit allen Konsequenzen, die sich daraus ergeben: „Die Rationalität der Medien – mit ihrem Interesse an kurzzeitigen, situativ ausgerichteten und möglichst spektakulären Aktivitäten – überfordert dabei zum Teil die eher nachhaltige Rationalität des politischen Handelns“, schreibt der österreichische Politologe und Leiter des Instituts für Medienanalysen in Innsbruck, Günther Lengauer. (3) Eine dritte Möglichkeit besteht in einer Verschmelzung dieser beiden Positionen, die sich zusammenfassen lässt als wechselseitiger Prozess der Mediatisierung von Politik und Politisierung der Medien.

Aus der fachtheoretischen Beschreibung sind vielerlei Zwänge herauszuhören. Politiker seien gezwungen zum Statement, die Kameras warten ja schon. Journalisten seien gezwungen zum Abdrucken, die Sätze sind ja schon gesprochen. Ist dem so? Gezwungen ist, wer sich zwingen lässt. Ein Politiker als Führungspersönlichkeit darf es sich ruhig erlauben, deutlich vernehmbar ins Mikrofon zu sprechen, dass er gerade keine Zeit für eine vorschnelle Einschätzung habe, weil er ja arbeiten müsse. Doch das Gegenteil ist der Fall: Heute kann eine einfache Meldung mit ausreichend negativem Nachrichtenwert sofortigen politischen Aktionismus auslösen, bei dem keine Programmatik mehr eine Rolle spielt, sondern nur die möglichst zügige und pragmatische Zufriedenstellung von Journalisten und Wählern. Ein Dienst an der Demokratie ist das nicht.
Erst Recht solche Meldungen rufen zum energischen Einschreiten auf, die am sorgsam zurechtgefeilten Image kratzen, etwa Vorwürfe von Journalisten oder dem politischen Gegner. Professionelles, auf Umfragewerte und Wahlerfolge ausgerichtetes Kommunikationsmanagement und kalkulierte Medienpräsenz bestimmen heute vielfach den Politikbetrieb. Als Folge kann gelten, beschreibt Lengauer, dass es zum „Übergang von einer repräsentativen Parteiendemokratie hin zu einer präsentativen Mediendemokratie“ komme. Politik wird symbolisch.

Dem Journalismus, obwohl er die meisten dieser Symbolhandlungen bereitwillig transportiert, ist diese Methode natürlich nicht entgangen. Medien antworten auf politische Instrumentalisierungsversuche, indem sie die politischen Inszenierungen und Taktiken thematisieren, um damit ihre eigene Unabhängigkeit unter Beweis zu stellen. Statt einer Diskussion um politische Inhalte behandelt der Politikjournalismus aus diesem Grund häufig lieber die Art der Symbolpräsentation, da es hierbei auch wesentlich einfacher ist, Kritik zu üben.
Dabei ist zu beobachten, dass die Negativität der Politikberichterstattung in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat, wie Lengauer unter Berufung auf Forschungsergebnisse berichtet: „Politische Problemlagen werden in der deutschen Qualitäts-Tagespresse also dreimal häufiger thematisiert als politische Problemlösungen.“ Lengauer ist jedoch, wie viele journalistische Fachvertreter, der Meinung, dass die negative Berichterstattung über Politik und ihre Akteure für die hohe Politikverdrossenheit in der Bevölkerung verantwortlich ist. Nichts gegen gepflegte Selbstkritik an der publizistischen Zunft, aber das geht dann doch zu weit: Dass der Journalismus sich in seiner Berichterstattung weniger auf die Lösungen konzentriert, darf ruhig laut und deutlich als Mangel an überzeugenden Lösungen bezeichnet werden.
Es gäbe also zwei Möglichkeiten, auf die negativer ausfallende Politikberichterstattung zu reagieren: Entweder, indem die Politik ernsthaft und langfristig an die großen Probleme herangeht und es nicht nur bei bürokratischer Flickschusterei belässt. Unabdingbar dafür wäre eine intellektuelle Standfestigkeit, die sich nicht immer nach Volkes Launen richtet. Die andere Möglichkeit strapaziert den Intellekt deutlich weniger und ist kosmetischer Natur: Sie besteht aus verbaler Gesichtswahrung und Imagepflege und stellt die bevorzugte Reaktion auf Politikerschelte dar. Diese Entwicklung ist jedoch bedenklich. Der Landauer Politologe Ulrich Sarcinelli, der einst zum Thema „Symbolische Politik“ habilitierte, bringt es auf den Punkt: „Mit einer Dauerfixierung der Politik auf ein positives Medienecho als Ersatzindikator für Volkssouveränität droht das Legitimationsprinzip ausgehebelt ... zu werden.“ (49 Politiker orientieren sich damit nicht mehr an den Belangen des Staatsbürgers, sondern an denen des Medienkonsumenten. Damit werden Journalisten für sie wichtiger und bedeutsamer, auf Kritik reagiert man aufgrund des eigenmächtig veränderten Politikverständnisses empfindlicher.

Als der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel im Nachrichtenmagazin Spiegel mit dem Vorwurf konfrontiert wurde, dass seine Partei Gauck aus rein taktischen Gründen zur Wahl des Bundespräsidenten aufgestellt habe, sah er in der Jammerei sein bestes Gegenargument: „Ich weiß ja, dass uns viele Journalisten ständig ausschließlich Taktik und nie innere Überzeugung unterstellen. Das gehört zum Demokratiezynismus, der in Deutschland Mode geworden ist.“ (5) Adressiert Gabriel den Verursacher dieses Zynismus wirklich richtig? Und ist gerade eine Antwort wie diese nicht im eigentlichen Sinne als zynisch zu bezeichnen?
Es ist dieses hilflose Achselzucken als Reaktion auf freche Journalistenfragen, das immer wieder die Frage aufkommen lässt, wer denn hier mittlerweile am längeren Hebel sitzt. Die gegenwärtige Politikergeneration scheint davon auszugehen, auf die Gegenliebe von journalistischen Berufskritikern angewiesen zu sein. Soziologen sprechen zwar von einer Mediengesellschaft. Das soll auch grundsätzlich nicht bestritten werden, aber wer käme denn auf die Idee, den politischen Apparat der Mediengesellschaft unterzuordnen? Zuerst leben wir in einem politischen System, das die Medienfreiheit zu gewährleisten hat, und dann in einer Mediengesellschaft. Wer sich das Zepter vom kleinen Bruder derart aus den Händen reißen lässt, braucht um Mitleid nicht zu bitten. Kaum einem Politiker gelingt es, sich von den medialen Dauerforderungen und der selbst auferlegten Medienpräsenz zu emanzipieren.
Die politische Führung hat die Aufgabe, das Land in eine gemeinsame gute Zukunft zu führen, am besten mit einem vorher bekannt gegebenen Entwurf, was man sich darunter denn vorstelle, auch Programmatik genannt. Doch Führungsfragen verlieren sich heute im pragmatischen Tagesgeschäft. Postmoderne Politik erscheint wie eine einzige große Verwaltung von überschaubaren Möglichkeiten, die im schlimmsten Fall mit dem Aktenvermerk „alternativlos“ von jeder offenen Debatte ausgeschlossen werden. In der Frage nach der bestmöglichen Organisation unseres Gemeinwesens wird nicht mehr nach einer großen und begeisterungsfähigen Idee gesucht. Stattdessen wird Modernisierung, wenn überhaupt, technokratisch begriffen, nicht mehr intellektuell.

Dass eine solche Idee nicht fix aus dem Ärmel zu schütteln ist, ist das eine. Dass ihr Mangel von den Politikern selbst aber offenbar nicht als störend empfunden bzw. öffentlich angemerkt wird, das andere. Daraus kann man nur schließen, dass die politische Elite sich heute nicht mehr im eigentlichen Sinne als Führungsspitze des Landes ernst nimmt. Ein kleiner Abgleich schafft hier Klarheit: Die Verfasser des Londoner Manifests für Innovation „Big Potatoes“ schreiben, es sei die Aufgabe von Führungspersonen „nicht nur Innovation voranzutreiben, sondern auch Hoffnung zu nähren, Ziele zu definieren, an die Menschen glauben können, und Verantwortung für Niederlagen zu übernehmen“. (6) Hinter welche dieser Forderungen kann man heute noch wirklich ein Häkchen setzen?
Vielfach herrscht in der heutigen postmodernen Politik die Haltung, aus eigener Ideenlosigkeit ins Volk hineinzuhorchen. Statt drängende Themen eigenständig auf die Agenda zu setzen und sich im Diskurs konsequent um die beste Lösung zu bemühen, schaut man lieber auf das Stimmungsbarometer der Meinungsumfragen und präsentiert der Öffentlichkeit im Anschluss ihr eigenes Stimmungsbild als Wahlprogramm. Das Londoner Manifest für Innovation hat indirekt auch zu dieser Tendenz Stellung bezogen: „Die Orientierung am Verbraucher [oder Wähler] ist Ausdruck eines umfassenderen Trends zur Auslagerung von Innovation an andere.“
Diese fragwürdige Strategie haben sich inzwischen auch viele Vertreter des Journalismus unübersehbar angeeignet. Die Aufregung um Sarrazins Migrationsthesen gab dafür ein Beispiel wie aus dem Lehrbuch ab: Erst war die Empörung in der Medienwelt groß, viele Publizisten nutzten die Gelegenheit, ihre eigene Toleranz auf Kosten einer konstruktiven Debatte hervorzuheben und den Autor des umstrittenen Buches mit unverhohlener Boshaftigkeit zu zerlegen. Doch im Volk dominierte von Anfang an Zustimmung für die Thesen und die Erkenntnis, dass eine groß angelegte Klärung des Themas überfällig sei. Viele Bürger fühlten sich durch den schreibenden Bundesbanker verstanden. Das verstanden dann auch viele Medienmacher und änderten schlagartig ihre Haltung, auf einmal war vor allem die Zustimmung salonfähig. Das ist das Gegenteil von publizistischer Unabhängigkeit.
Und der politische Apparat? Der machte sich unterdessen größtenteils Sorgen darum, was es für den Ruf der Bundesbank und gar des ganzes Landes bedeuten könnte, wenn die Meinungsfreiheit tatsächlich einmal konsequent in Anspruch genommen würde. Statt sich einzugestehen, dass man mit einer zielführenden Auseinandersetzung mit dem zugespitzt formulierten Thema selbst allzu lange gewartet hatte – so lange, bis das Klärungsbedürfnis im Volk in Zorn und Ohnmacht gekippt war –, trampelte man ebenfalls auf dem Überbringer der unschönen Nachricht herum, der sich angemaßt hatte, ein überfälliges Thema auf die politische Agenda zu setzen, ohne es vorher mit den PR-Strategen abgesprochen zu haben. Kurz darauf allerdings regten sich aus den Reihen von SPD und CDU Stimmen, die die Zuwanderungsthematik zum „Megathema“ erklärten, als sei es ihnen jetzt auch klar geworden. Man muss sich fragen, wann und ob die Politik denn von sich aus, ohne Nötigung von außen, fähig gewesen wäre, aus eigenem Antrieb eine wichtige Debatte zu starten und auch zu einer Lösung zu führen. Denn es kann keine Dauerlösung sein, dass Skandalautoren mit ihrem Potenzial zur emotionalen Volkserregung die politische Agenda bestimmen.

Auf die von der Politik so sträflich vernachlässigte zukunftsfähige Agenda wird dabei auch in den Medien längst reagiert. Im politischen Journalismus sind Tendenzen erkennbar, die mit einer Erhöhung der eigenen Bedeutsamkeit auf den Bedeutungsverlust der Politik beschrieben werden können. Theoretische Rückendeckung hat die publizistische Branche dafür allemal: Die Journalismustheorie schreibt ihr mitunter große Aufgaben zu. Als „vierte Gewalt im Staat“ soll der Journalismus durch Information politische Öffentlichkeit herstellen – und damit letztlich Stabilität und Funktionalität von Demokratie gewährleisten.
Diese idealistische Funktionsbeschreibung deckt sich auch teils mit dem Berufsverständnis deutscher Politikjournalisten. Eine aktuelle Studie der Freien Universität Berlin erbrachte, dass Politikjournalisten wesentlich stärker als Berufskollegen aus anderen Ressorts angeben, sich für Benachteiligte einzusetzen (42 Prozent) und Themen auf der politischen Agenda platzieren zu wollen (33 Prozent). (7) Auch Politikwissenschaftler Wolfgang Bergsdorf äußert sich ähnlich: „Wie die Ergebnisse im Vergleich mit angelsächsischen Journalisten zeigen, definieren deutsche Journalisten ihr eigenes Rollenverständnis stärker praktisch-partizipativ und advokatorisch.“ (8)
Der deutsche Politikjournalist, so kann man daraus ableiten, nimmt also gerne aktiv teil am frei gewordenen Feld der politischen Gestaltung und setzt sich in der Funktion als Opferanwalt für vernachlässigte oder benachteiligte Gruppen oder Themen ein. Seine genuine Aufgabe ist das freilich nicht: Der Leipziger Kommunikationswissenschaftler Günter Bentele, der es als einer der wenigen Fachvertreter wagt, die Journalismusfunktion etwas zu relativieren, schreibt, es sei nicht die Aufgabe des Journalismus, politische Probleme zu lösen. Politische, ebenso wie wirtschaftliche oder wissenschaftliche Probleme, stellten sich dem Journalismus allerhöchstens als journalistische Aufgaben dar, die er mit seinen Mitteln zu bearbeiten habe. (9)

Politische Probleme müssen nach wie vor von Politikern gelöst werden, die sich dafür gerne die nötige Zeit nehmen und die Medien auch einmal vor verschlossenen Türen stehen lassen dürfen, um in Ruhe zu arbeiten, wenn dies der Sache dienlich ist. Was die Presse dann darüber schreibt, ist ihre Sache, und was der Wahlbürger darüber denkt, ist die seine. Einen wesentlich größeren Handlungsspielraum könnten sowohl Politik als auch Journalismus für sich zurückgewinnen, wenn wieder mehr Distanz zwischen den Akteuren beider Berufsgruppen bestünde. Denn Streit aus der Distanz ist weniger persönlich und kann viel leichter auf der Sachebene geführt werden. Aus der Distanz heraus, wenn sie denn einherginge mit dem Bewusstsein, dass man eben nicht unentrinnbar voneinander abhängig ist, könnte auch wieder eine gesunde Hierarchie erwachsen. Wenn Politiker mit intellektueller Unabhängigkeit ihre Standpunkte vertreten und Journalisten dadurch spannenden Diskussionsstoff bieten, stellt sich vielleicht auch wieder eine gesunde Geschwisterliebe zwischen beiden Berufsgruppen ein.

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