05.10.2010

Lobbyismus in der Welt der Erneuerbaren

Kommentar von Daniela Korn

Ist die Lobbymacht der Erneuerbaren-Energien-Wirtschaft kleiner als die der großen Energieversorger?Über Methoden und Möglichkeiten der Energiewender.

Lobbyismus ist weder verboten noch verwerflich. Lobbyisten artikulieren Partikularinteressen und können dennoch wichtige Informationsquellen sein. In jeder freiheitlich-demokratischen Gesellschaft trifft man auf sie. Lobbyorganisationen sind aber oft auch mächtige Instrumente der politischen Einflussnahme und der öffentlichen Meinungsbildung. Sie organisieren sich zunehmend besser, harmonisieren und vernetzen sich, um an Einfluss zu gewinnen. Nicht selten geschieht dies unter dem Deckmantel des vermeintlichen Allgemeinwohls. Deshalb gehört Lobbyismus grundsätzlich beobachtet und immer wieder hinterfragt. Dies trifft auch auf die Lobby der Erneuerbaren-Energien-Wirtschaft zu, die auf der Klaviatur der professionellen Beeinflussung von Meinungsbildung und Entscheidungsfindung inzwischen perfekt zu spielen weiß.

Große Unternehmen können ihre Interessen sowohl direkt und unabhängig von Verbänden vertreten als auch über diese bündeln. Den kleineren Akteuren bleibt oft nur die Zusammenarbeit. Damit scheinen die Kräfteverhältnisse in der Energiewirtschaft schon abgesteckt: Es dominiert das Bild der machtlosen Kleinen, die für erneuerbare Energien (EE) kämpfen. Auf der anderen Seite stehen die übermächtigen Großen in Form finanzstarker Energieversorgungsunternehmen (EVU). Doch passt dieses Bild von David gegen Goliath tatsächlich zur Wirklichkeit?

Direktes Lobbying

Klassische Lobbyarbeit in Form von direktem Lobbying richtet sich an alle politischen Entscheidungsträger – angefangen vom Parlament und den Ministerialbürokratien über die Parteien bis hin zu Fraktionen, Kommissionen und Ausschüssen, die die Mitwirkung von Verbänden und NGOs in aller Regel begrüßen. Über solche Kanäle kann auf die Gesetzgebung Einfluss genommen werden, indem Gutachten und Studien eingebracht werden – nicht selten begleitet von Medienkampagnen. In diesem Bereich scheint die Lobby der EVU in der Tat aufgrund ihrer Ressourcenstärke gegenüber der EE-Wirtschaft im Vorteil zu sein. Daneben sind aber vor allem auch persönliche Kontakte und Kenntnisse in institutionelle Abläufe und Prozesse von entscheidender Bedeutung. Die EE-Lobby pflegt in dieser Hinsicht ausgezeichnete und zahlreiche Verbindungen auf Länder-, Bundes- und EU-Ebene. In den nationalen und europäischen Verbänden der Erneuerbaren Energien sind in der aktuellen Wahlperiode nach eigenen Recherchen mehr als 50 Mitglieder des Bundestages tätig. [1] Im Lobbyverband EUFORES in Brüssel sind derzeit mehr als 100 nationale Abgeordnete, ehemalige und amtierende Mitglieder des Europäischen Parlaments aktiv. [2]

Indirektes Lobbying

Beim indirekten Lobbying geht es darum, über die breite Öffentlichkeit Druck auf die Politik auszuüben. Diesem Aktionsfeld kommt in den letzten Jahren eine immer größere Bedeutung zu. Und ohne Frage kann sich die EE-Lobby hier über reichlich Rückhalt in vielen Redaktionen erfreuen. Hinzu kommt die öffentlichkeitswirksame Unterstützung durch zahlreiche Umweltorganisationen wie BUND (die deutsche Sektion von „Friends of the Earth“), NABU oder Greenpeace. Zwar profitieren solche grünen NGOs nicht unbedingt materiell von der Nähe zur EE-Wirtschaft. Doch es gibt ideelle Schnittmengen, die beide Seiten bereichern: Angesichts der beiderseits heraufbeschworenen Klimakatastrophe, vor der uns die erneuerbaren Energien retten sollen, verkaufen die einen ihre Technologien, während die anderen sich über Mitglieder, Beiträge und Spenden erfreuen. Manch eine grüne NGO ist über Umwege auch indirekt in EE-Geschäfte involviert. [3]

Flankiert wird das Engagement mit dem Ausmalen von immer neuen Katastrophenszenarien, sollten die Erneuerbaren nicht rasch zum Zuge kommen. Angeprangert werden EVUs, weil sie diesen vermeintlichen Lösungsweg verbauen. Abgerundet wird die einfache Botschaft mit dem ständig wiederholten Mantra, die Energiewende weg von Kohle- und Atomstrom hin zu den „sanften“ Ressourcen sei binnen weniger Jahrzehnte problemlos und ohne Engpässe zu bewerkstelligen. Solche einfachen und emotionalisierten Positionen kommen heute besser an als technische und wirtschaftliche Fachinformationen, die ein weit komplexeres Bild liefern.

Den Erfolg dieser indirekten Lobbying-Strategie bestätigte kürzlich eine Forsa-Umfrage, nach der 80 Prozent der deutschen Bevölkerung von der Notwendigkeit der Umstellung auf erneuerbare Energien überzeugt sind und 50 Prozent der Befragten eine totale Energiewende für möglich halten. [4] Diesem öffentlich aufgebauten Druck beugt sich die aktuelle Politik heute allzu gerne, bietet dies doch die Chance, sich als Umweltretter zu profilieren. Dass es auch Fachleute gibt, die eine 100-prozentige Energiewende binnen weniger Jahre als gefährliches Hirngespinst abtun, spielt für viele Politiker offenbar keine Rolle mehr. Grüne NGOs, die traditionell vor allem auf indirektes Lobbying setzten, bauen nun angesichts ihrer Erfolge zunehmend auch auf direktes Lobbying, d.h. die unmittelbare Einflussnahme auf politische Entscheidungen und deren konkrete Umsetzungsmodalitäten.

Expertisen der Lobby

Ein immer wichtigerer Bestandteil erfolgreicher Lobbyarbeit ist das Vorweisen von wissenschaftlichen Studien, Gutachten und Expertisen. Früher gab es in Politik und Gesellschaft auch so etwas wie Visionen. Heute zieht man sich in nahezu jedem Politikressort gerne ein weißes Forscherkittelchen über, um die Perspektivlosigkeit zu kaschieren und dem mitunter planlosen Handeln den Anschein einer fundierten Entscheidungsfindung zu geben. [5]

Dieser Bereich war ursprünglich die unantastbare Domäne der finanzstarken EVU-Lobby. Heute aber überschwemmt die EE-Lobby, oft im Schulterschluss mit NGOs, Politik und Öffentlichkeit mit immer neuen Studien, die die Notwendigkeit und Machbarkeit einer Versorgung mit erneuerbaren Energien unter Beweis stellen sollen. Hierbei profitiert die EE-Lobby indirekt auch von einer seit Jahren schleichenden Änderung der Forschungspolitik. Einerseits wird politisch motivierte und entsprechend gelenkte Projektförderung zulasten der institutionellen Förderung ausgebaut, die Forschung zur Drittmittelakquise gedrängt und Nachwuchsforscher in diese Richtung gegängelt. Andererseits werden ökologisch ausgerichtete Institute, deren Forschungsqualität sich nicht selten auf reine Literaturarbeit beschränkt, immer stärker eingebunden. Die Ergebnisse, die sie abliefern, kennt man in der Regel schon vor der Auftragsvergabe. Vor diesem Hintergrund erscheinen auch einige Machbarkeitsstudien der EE-Lobby als äußerst fragwürdig.

Aufbau von Drohkulissen

Lange Jahre haben EE-Lobby und grüne NGOs zur Durchsetzung ihrer Ziele Drohkulissen rund um den Klimawandel und die Endlichkeit der fossilen Energieträger aufgebaut. Heute können sie dies drosseln, weil die Angstszenarien fest in den Köpfen der Bürger verankert sind. EVUs haben indes ihre wichtigste Drohkulisse weitgehend verloren: den Verlust von Arbeitsplätzen bei anhaltenden wachstums- und effizienzschädigenden staatlichen Eingriffen in den freien Markt. Dies ist bitter für die EVUs, zumal Umfragen regelmäßig ergeben, dass die Öffentlichkeit Umweltschutzthemen zwar eine große Bedeutung beimisst, die Arbeitsmarktlage aber dennoch als wichtiger erachtet wird. [6]

Doch offenbar gelingt es nicht mehr, die Zusammenhänge von Effizienz, Kosten und Arbeitsmarkt im öffentlichen Diskurs deutlich zu machen, obwohl es eine Reihe von Studien gibt, die bei einer anhaltenden planwirtschaftlich forcierten EE-Stärkung vor Wettbewerbsnachteilen und Arbeitsplatzverlusten warnen. [7] Viel präsenter ist dagegen die EE-Lobby mit ihren Versprechen von „Fantastilliarden“ neuer Arbeitsplätze und Innovationskräften, die den Wirtschaftsstandort Deutschland nachhaltig und neu an die Weltspitze führen sollen.

Getrennt marschieren, vereint schlagen

Viele EE-Lobbyvereine versuchen, sich Gehör zu verschaffen. Man könnte denken, die Vielfalt dieser Organisationen würde auch eine Vielfalt von Argumenten, Standpunkten und Visionen hervorbringen. Doch das ist nicht der Fall. Zwar gibt es Rivalitäten und Grabenkämpfe, um die spezifischen Partikularinteressen (z.B. Windenergie vs. Biomasse) herauszustellen. Aber unterm Strich sind die EE-Lobbyvereine eher als Einheit zu begreifen. Ein Grund dafür liegt auf der Hand: Viele große Vereine und Verbände der EE-Lobby sind über Vorstands- und Beiratsposten eng miteinander verzahnt. In der Tat gibt es nur eine überraschend kleine Anzahl von Entscheidern auf den Führungsebenen der vielfältigen EE-Lobbyvereine. Sie sind häufig nicht nur personell, sondern auch über gemeinsame Projektarbeiten miteinander verbunden – auch direkte institutionelle Verbindungen sind nicht gerade selten. Geradezu fürsorglich umschließt die vom Bundesumweltministerium (BMU) und Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) geförderte „Agentur für Erneuerbare Energien“ die Arbeit der deutschen Verbände, der involvierten Forschung und der Erneuerbaren-Energien-Industrie. [8]

Schaler Beigeschmack

Lobbyarbeit, enge Netzwerke und personelle Verflechtungen sind nicht automatisch mit Günstlingswirtschaft oder Korruption gleichzusetzen. Die vielfältigen Formen der Interessenvermittlung sind legitim und in gewissem Maße unabdingbar für das Gemeinwohl. Einige der Entwicklungen und Bestrebungen der letzten Jahre im Umfeld des EE-Lobbyismus hinterlassen jedoch einen schalen Beigeschmack.

So gibt es eine Vielzahl von unanstößigen Möglichkeiten, Kontakte zu pflegen – über gemeinsame Abendessen, Einladungen zu Fachsymposien etc. Die Bewertung fällt schwerer bei den gerade im EE-Lobby-Netz so beliebten Preisverleihungen. Auch wenn die Preise meist nur einen ideellen Wert darstellen, so garantieren sie doch die Anwesenheit der gewünschten Person. Sie bieten häufig den Anlass für einen besonderen „Gala-Abend“ und Stoff für erfolgreiche Pressearbeit. Neben ideellen Preisen gibt es auch eine Reihe hoch dotierter Preise. Hierzu zählen zum Beispiel der an den prominenten deutschen Fürsprecher der Solarenergie Hermann Scheer (SPD) verliehene „SolarWorld Einstein-Award“ (dotiert mit 25.000 Euro) durch die SolarWorld AG. [9] Oder die ebenfalls an Scheer verliehene „Karl W. Böer Solar Energy Medal of Merit“ – eine mit 50.000 US-Dollar dotierte Auszeichnung der US-amerikanischen Universität von Delaware, für die sich auch die „International Solar Energy Society“ (ISES) stark macht. [10] Beide Preise hat auch Prof. Adolf Goetzberger vom „Frauenhofer ISE“ erhalten. Er war von ISES schon 1993 mit dem „Achievement through Action Award“, dessen Dotierung mit „substantial cash prize“ angegeben wird, ausgezeichnet worden.

Eine nähere Betrachtung wert ist auch „Eurosolar“ und die Frage, welche Ziele dieser eingetragene Verein aus Bonn mit der Zusatzbezeichnung „Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien“ verfolgt. Auf der Internetseite heißt es, Eurosolar sei eine „1988 gegründete gemeinnützige Europäische Vereinigung für Erneuerbare Energien, unabhängig von Parteien, Institutionen, Unternehmen und Interessengruppen“, und man vertrete u.a. „das Ziel, atomare und fossile Energie vollständig durch Erneuerbare Energie zu ersetzen“. [11] Doch man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass es ganz nebenbei auch um persönliche Profilierung geht. Das Bundestagsmitglied Hermann Scheer ist Präsident von Eurosolar und in dieser Position ein oft gebuchter Redner. Seine Tochter Nina Scheer, Geschäftsführerin des „Bundesverbands der grünen Wirtschaft“ mit dem Namen „UnternehmensGrün e.V.“ schreibt für die Eurosolar-Publikation „Solarzeitalter“. [12] Irm Pontenagel, die Ehefrau von Hermann Scheer, fungiert derweil als bezahlte [13] Geschäftsführerin von Eurosolar und wurde von ebendieser „Europäischen Vereinigung für Erneuerbare Energien“ vor einiger Zeit zur „Stromrebellin 2007“ geadelt. [14]

Scheer betont, dass er das Amt des Eurosolar-Präsidenten ehrenamtlich ausübt. [15] Sein guter Bekannter und häufiger Begleiter Wolfgang Palz, der u.a. im ISES-Direktorium aktiv ist, hat indes beschrieben, dass Scheer aufgrund seiner Positionen nahezu jeden zweiten Tag Vorträge in der ganzen Welt angeboten werden. [16] Eurosolar wird seit der Gründung vor mehr als 20 Jahren von Hermann Scheer angeführt.

Erfolge der EE-Lobby

Ein großer Erfolg des Lobbyismus für erneuerbare Energien war die Verabschiedung des Gesetzes zum Vorrang der erneuerbaren Energien (EEG). Es wurde zum 1. April 2000 gegen den Willen der EVU angenommen und dadurch gekrönt, dass die EVU zunächst selbst von dem Geldregen der Einspeisevergütungen über das sogenannte Doppelvermarktungsverbot ausgeschlossen wurden. Weitgehend macht- und stellenweise ratlos mussten sie sich fortan als Bremser und Verhinderer der Energiewende brandmarken lassen. Der EE-Lobby ist es zudem gelungen, der breiten Bevölkerung die absolute Notwendigkeit einer Umstellung auf EE einzutrichtern. Gut die Hälfte der Bundesbürger ist überdies der Meinung, dass dies möglich sei, obwohl sich hierzu die Fragezeichen türmen.

Auch bei den aktuellen Diskussionen um Kürzungen der Einspeisevergütung für Fotovoltaikanlagen in Deutschland ist die EE-Lobby mit von der Partie. Durchgesetzt werden konnte als Kompromiss die Mogelpackung, nach der Kürzungen gegen die stärkere Förderung des Eigenverbrauchs zum Teil kompensiert werden. (16) Während seither der Verband der Solarwirtschaft und die Hersteller über das drohende Ende der Solarwirtschaft lamentieren, zeigen gleichzeitig die Branchenerwartungen, dass trotz Kürzung der Einspeisevergütung mit neuen Installationsrekorden für das Jahr 2010 gerechnet wird. Über einen Zeitraum von 20 Jahren soll die Einspeisevergütung für Fotovoltaikanlagen Bestand haben. Allein für die neuen Anlagen 2009 ergeben sich dadurch für den Stromverbraucher Mehrkosten von mindestens 14 Milliarden Euro. [17]

Inzwischen dürfen auch die EVU von den festgelegten Einspeisevergütungen profitieren. Als Folge planen sie derzeit u.a. gigantische Offshore-Windparks. Die politisch garantierten Gewinne will man sich nicht entgehen lassen. Durch die EE-Reform hat die EE-Lobby also einige starke Partner gewonnen. Wie weit der neue Schulterschluss zwischen klassischer EE-Lobby und EVU tragen wird, bleibt abzuwarten. Solange EVU auch Kohle- und Atomkraftwerke betreiben, wird die EE-Lobby sie gewiss weiter als Gegner der Energiewende anprangern.

Nicht nur die Größe zählt

Es zeigt sich, dass die Macht von Lobbygruppen nicht nur von der Größe der dahinterstehenden Industriebetriebe abhängt. Sie ist auch von den Netzwerken in Politik, Wissenschaft und Technikentwicklung stark abhängig. Bedeutend ist ebenfalls das indirekte Lobbying über die Meinungsbildung in der Bevölkerung mittels der Emotionalisierung eigener Themen. Eine kritische und ergebnisoffene Diskussion über Vor- und Nachteile der erneuerbaren Energien ist dadurch fast unmöglich geworden. Die EE-Lobby offenbart dabei sehr engstirnige Perspektiven, denn außer der totalen Energiewende werden so gut wie keine Lösungen angeboten. Sie agiert nach dem Motto „Nach mir die Sintflut“ und trägt nicht zuletzt dazu bei, dass der Gesellschaft horrende Kosten für den Ausbau der Erneuerbaren aufgebürdet werden.

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