08.12.2011

Freunde der EU

Kommentar von Caroline Boin und Andrea Marchesetti

Über die Kosten der vom Steuerzahler finanzierten grünen Lobbyarbeit.

Inhalt

  • Zusammenfassung / Einleitung
  • Die Green10
  • Finanzierung der Green10
  • EU-Förderung für Lobbyismus
  • Stellvertreter-Propaganda
  • Dem Geld hinterher
  • Geld für Werbung um noch mehr Geld
  • EU Kohäsionspolitik: 350 Milliarden Euro und Entscheidungsbefugnisse
  • Interessenkonflikte
  • Sucht nach EU-Mitteln
  • Unparteilichkeit steht auf dem Spiel
  • Lösungen für das EU-Demokratiedefizit?
  • Entwöhnung: Empfehlungen und Vorschläge

Zusammenfassung

Grüne Nichtregierungsorganisationen (NGO) üben großen Einfluss auf die Geschicke der Europäischen Union aus. Die Organisationen, die am lautstärksten auftreten, werden jedoch nicht selten von der EU direkt gefördert. Die EU unterstützt zahlreiche NGOs, die in Brüssel agieren. Deren Hauptaufgabe besteht darin, auf die Ausgestaltung von EU-Richtlinien und deren Umsetzungen Einfluss zu nehmen.

Die vorliegende Studie analysiert ein Finanzierungsprogramm der EU-Generaldirektion Umwelt – die für Umweltangelegenheiten verantwortliche Abteilung der Europäischen Kommission. Sie hat zwischen 1998 und 2009 mehr als 66 Millionen Euro Fördergelder an grüne NGOs vergeben. Wir bewerten insbesondere die Förderungen der „Green10“ – einer Koalition aus zehn NGOs, die sich einer ökologischen Agenda verschrieben haben:

  • Neun Mitglieder der Green10 erhalten Gelder von der EU-Kommission.
  • Acht Mitglieder der Green10 beziehen mindestens ein Drittel ihres Einkommens von der Kommission, und fünf davon sind für mehr als die Hälfte ihrer Einnahmen auf die EU-Kommission angewiesen.
  • Nach den gängigen EU-Regeln kann eine NGO bis zu 70 Prozent ihrer Einnahmen von der EU beziehen, lediglich 30 Prozent stammen dann aus anderen Quellen.

Zwischen 1998 und 2009 ist ein substanzieller Anstieg an Fördergeldern der Kommission für umweltpolitische Gruppen zu verzeichnen. Waren es 1998 noch 2.337.924 Euro, wuchs die Fördersumme bis 2009 auf 8.749.940 Euro. Der durchschnittliche Anstieg pro Jahr lag bei 13 Prozent. Die Unterstützung der Green10 nahm in diesem Zeitraum ebenfalls deutlich zu:

  • Zuschüsse an „Birdlife Europe“ stiegen von 1998 bis 2009 um 900 Prozent.
  • Zuschüsse an „Friends of the Earth Europe“ stiegen um 325 Prozent.
  • Zuschüsse an das „WWF European Policy Office“ stiegen um 270 Prozent.

Die Mehrheit der Green10-Mitglieder bezieht heute einen wesentlich größeren Teil ihrer Einnahmen von der EU-Kommission als zu früheren Zeiten. Viele der NGOs haben sich darum bemüht, ihre Abhängigkeit von EU-Geldern zu verringern – de facto sind aktuell jedoch drei Green10-Mitglieder stärker von der EU abhängig als 2005. Die grünen NGOs engagieren sich in einer Art Selbstbedienungskreislauf auch für eine Ausweitung ihres Einflusses und der finanziellen Unterstützung durch die EU.

  • Beispielhaft hierfür ist die Lobbyarbeit der Green10 für die „Ergrünung“ des EU-Kohäsionsfonds. Dieser Fonds umfasst mit einem Volumen von insgesamt 350 Milliarden Euro ein Drittel des EU-Haushalts für den Zeitraum 2007 bis 2013. Jährlich werden etwa 50 Milliarden Euro für unterschiedliche EU-Projekte ausgeschüttet. Die Mitglieder der Green10 würden von einer stärkeren Ausrichtung an Umweltfragen profitieren.
  • Die Green10 fordern u.a. für jedes EU-Komitee, das an Projektentscheidungen beteiligt ist, einen Sitz einer Umweltschutz-NGO. Zusätzlich fordern sie die Ausgabenerstattung (die in der EU bekanntlich großzügig ausfällt), sowie Trainings und Kapazitätsaufbau.
  • Trotz der Green10-Bemühungen, durch unterschiedliche Koalitionen und Kampagnen den Haushaltsplanungsprozess in ihrem Sinne zu beeinflussen, konnten sie ihr Ziel bislang nicht erreichen. Aber die Lobbyarbeit mit Blick auf den Haushalt 2014 bis 2020 hat bereits begonnen.

Dieser bequeme Finanzierungskreislauf wird durch die EU-Kommission selbst begünstigt:

  • Die Kommission behauptet, dass die finanzielle Unterstützung grüner NGOs notwendig sei, um die Interessen von Wirtschaft, Gewerkschaften und Verbrauchergruppen auszugleichen.
  • Allerdings scheint die großzügige Förderung einer Handvoll mächtiger grüner NGOs (während kleinere, eher regional agierende Organisationen ignoriert werden) im Widerspruch zu dieser Zielsetzung zu stehen. Denn es ist zweifelhaft, ob die großen, zentralisierten Organisationen repräsentativ sind für die vielfältigen Überzeugungen und Meinungen der Bürger in den EU-Mitgliedstaaten.
  • Die drei größten Empfänger von Kommissionsgeldern für Umweltgruppen erhalten etwa 70-mal so viel Förderung wie die drei kleinsten Bezieher.
  • Die Kommission hat Teile ihrer Öffentlichkeitsarbeit praktisch an „unabhängige“ NGOs delegiert, um eigene Ziele durchzusetzen und quasi unerkannt öffentlichen Diskussionen über Themen wie den Klimawandel ihren Stempel aufdrücken zu können.
  • Sowohl Kommissionsrepräsentanten als auch Empfänger-NGOs gestehen ein, dass NGOs, die mit EU-Geldern unterstützt werden, einen leichteren Zugang zu EU-Politikern genießen als unabhängig finanzierte NGOs.

All diese Aspekte deuten darauf hin, dass die Förderung von NGOs mit einem engen Interessenhorizont wie bei den Green10 den demokratischen Prozess und die Präsenz zivilgesellschaftlicher Vertreter in Brüssel unterläuft. EU-Förderungen haben aktivistische Organisationen in die Lage versetzt, staatliche Mittel zu nutzen, um ihre eigenen Budgets zu erhöhen und ihren Einfluss auf die Politik zu stärken.

Abbildung 1 Green10: Jährliche Fördersummen vom EU-Generaldirektorium Umwelt, andere Förderungen sowie Ausgaben für Lobbyarbeit in Euro1 – siehe in Novo108/109 S.30.

Einleitung

In den letzten 50 Jahren haben NGOs die Bemühungen verstärkt, ihren Einfluss auf politische Entscheidungen auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene zu vergrößern. Viele NGOs verfolgen eine beschränkte Agenda zu spezifischen Themen wie etwa „Umwelt“. Andere Themen werden häufig ausgeblendet.

Vor dem Hintergrund, dass politische Entscheidungsfindungen zusehends an überstaatliche Organisationen wie die Europäische Union (EU) (2) und die Vereinten Nationen übertragen wurden, hat es auch einen Wechsel hin zu überstaatlichem NGO-Aktionismus gegeben. Eine Klasse „internationaler NGOs“ ist entstanden. Schätzungen zufolge gehen derzeit etwa 80 Prozent nationaler Gesetze in EU-Mitgliedstaaten auf Entscheidungen in Brüssel zurück. (3) Es überrascht nicht, dass auch NGOs jedweder Ausrichtung die Prozesse in Brüssel zu beeinflussen versuchen. Nach der Gründung des „Europäischen Umweltbüros“ im Jahr 1974 – des ersten wirklichen europäischen Umwelt-Netzwerkes – haben viele internationale Umweltorganisationen europäische Filialen ins Leben gerufen. (4)

Viele NGOs sind stolz darauf, die EU in Schach zu halten, ihre Politik zu prüfen und sie – wenn notwendig – öffentlich bloßzustellen. Aber einige der am lautstärksten auftretenden europäischen NGOs sind weit weniger distanziert von der EU-Maschinerie, als die Öffentlichkeit meinen würde. Einige werden sogar direkt von der EU gefördert.
Die EU hat schon seit längerer Zeit NGOs und zivilgesellschaftliche Gruppierungen finanziert mit der Begründung, „dass es einen offen und weitreichend geführten Dialog mit allen Teilhabern geben muss“. 85) Aber solchen Allgemeinplätzen liegt eine eher zynische Wahrheit zugrunde: Die EU fördert viele NGOs, die von Brüssel aus operieren und deren Hauptaufgabe es offenbar ist, Entscheidungsfindungen innerhalb der EU und folgende Implementierungen zu beeinflussen. Um es auf den Punkt zu bringen: Die EU setzt öffentliche Steuergelder zur Förderung von NGOs ein, die auch im EU-Sinn Lobbyarbeit betreiben.

Der vorliegende Bericht konzentriert sich auf einen dieser Fördertöpfe: das Programm der Generaldirektion (GD) Umwelt für Betriebskostenzuschüsse für grüne NGOs („Operating grants to European environmental NGOs“), im Folgenden kurz „Programm“ genannt. Es wird von der Generaldirektion Umwelt verwaltet (einer von mehr als zwei Dutzend GDs der Europäischen Kommission, die von jeweils einem Abgeordneten eines EU-Mitgliedstaates angeführt werden). (6) Unter der Schirmherrschaft des Programms wurden innerhalb von zwölf Jahren mehr als 66 Millionen Euro an grüne NGOs ausgezahlt. Die erste Phase des Programms lief von 1998 bis 2001. Es wurde für den Zeitraum 2002 bis 2006 erneuert und existiert nun fort als Teil des neuen Programms LIFE+. (7)

Wir betrachten vor allem die Mittel, die an die Green10 ausgezahlt wurden – eine Koalition aus zehn NGOs, die sich für ökologische Positionen stark macht. Neun der Green10 haben von der EU-Kommission Gelder erhalten (s. Tabelle 2). Die Green10 bieten sich demnach für eine Fallstudie an, um zu klären, ob und wie EU-Fördergelder an grüne NGOs die EU-Politik beeinflussen.

Die Analyse des „Programms“ wirft zwei zentrale Fragen auf. Erstens die Frage der Unabhängigkeit: Insofern Green10-Mitglieder auf EU-Gelder angewiesen sind – in fünf Fällen belaufen sich die Fördersummen auf mehr als 50 Prozent der Etats –, ist ihre Unabhängigkeit von Regierungszielen gefährdet.

Zweitens stellt sich die Frage, ob die Finanzierung der Green10 tatsächlich das Ziel einer wachsenden „demokratischen Partizipation“ innerhalb der EU-Institutionen bewirkt. Die Fakten, die in diesem Bericht vorgelegt werden, weisen darauf hin, dass das besagte EU-Programm stattdessen die demokratische Rechenschaftspflicht untergräbt. Die EU finanziert nur spezielle NGOs. Sie behindert und korrumpiert damit die Zivilgesellschaft, weil andere NGOs benachteiligt werden. Mittlerweile versuchen die von der EU geförderten NGOs. die Staatsmacht zu nutzen, um ihre eigenen Etats weiter aufzufüllen und ihren begrenzten Interessen stärkeres Gehör zu verschaffen – häufig zum Nachteil der breiteren Öffentlichkeit. Die Förderung von NGOs bietet damit keine Lösung für das Demokratiedefizit innerhalb der EU. Diese Praxis ist vielmehr Teil des Problems.

Abbildung 2 Die Mitglieder von Green10

  • Birdlife International
  • Central and Eastern Europe (CEE) Bankwatch Network
  • Climate Action Network Europe (CAN-E)
  • European Environmental Bureau (EUB)
  • Transport and Environment (T&E)
  • Health and Environment Alliance (HEAL)
  • Friends of the Earth Europe (FoEE)
  • Greenpeace
  • International Friends of Nature (IFN)
  • WWF European Policy Office (WWF-EPO)

Die Green10

Green10 ist eine Koalition von „zehn der größten europäischen umweltpolitischen Organisationen/Netzwerke“, welche „innerhalb der gesetzgebenden Institutionen der EU agieren – der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und des Ministerrats. Sie will sicherstellen, dass Umweltaspekte im Zentrum der Politikgestaltung angesiedelt sind“. (8)

Die auf der Webseite der Koalition genannten Aktivitäten reichen bis 2006 zurück. Aber es gibt Hinweise darauf, dass eine kleinere Koalition namens Green8 bereits 2002 aktiv war. (9) Dem „Europäischen Umweltbüro“ zufolge, einem Mitglied der Green10, betreiben alle Mitglieder der Koalition eine Geschäftsstelle in Brüssel. (10)
Die Koalition hat den vagen Anspruch, über 20 Millionen Menschen zu vertreten, und „ist bemüht, den Entscheidungsprozess so demokratisch wie möglich zu gestalten, indem die Ansichten von Mitgliederorganisationen, deren Mitarbeitern, Gremien und Mitgliedern in Betracht gezogen werden. “ (11) Aber hinter der Fassade von Unabhängigkeit, Basisunterstützung und demokratischer Repräsentation stehen die Bilanzen der Green10-Mitglieder. Sie erzählen eine andere Geschichte.

Tabelle 1: Die Green10 und die EU-Lobbyregister (12, 13), siehe Novo108/109, S. 32

Finanzierung der Green10

Acht der Green10-NGOs beziehen einen beträchtlichen Anteil ihrer Einkommen aus Steuergeldern. Die Mehrheit ist stark auf Fördergelder der EU und der EU-Mitgliedstaaten angewiesen. Tatsächlich beziehen acht Mitglieder der Green10 ein Drittel oder mehr ihrer Einnahmen von der Europäischen Kommission. Bei fünf der Mitglieder liegt der EU-Förderanteil am Einkommen bei über 50 Prozent.

Das „WWF European Policy Office“ finanziert sich – mit rund 15 Prozent seines Einkommens – zu einem weit kleineren Anteil durch Mittel der EU-Kommission und damit weniger als fast jedes andere Mitglied der Green10. Der europäische Ableger von Greenpeace, die „Greenpeace European Unit“ ist die einzige Ausnahme: Sie bezieht ihre Einnahmen von Greenpeace International und gibt an, dass die Organisation „weder versucht, Spenden von Regierungen (zu denen auch die EU Institutionen gehören), Unternehmen oder politischen Parteien zu bekommen, noch solche annehmen würde“. (14)

Für die übrigen acht Mitglieder der Green10 bleibt die Kommission einer der wichtigsten Gönner. Ein Großteil der Fördermittel stammt von der EU-Generaldirektion Umwelt. Das ist die für Umweltschutzfragen verantwortliche Abteilung der Europäischen Kommission (s. Tabelle 2).

Im Jahr 2009 zahlte die EU-Generaldirektion Umwelt 422.700 Euro und damit ungefähr 64 Prozent des Gesamteinkommens an „CEE Bankwatch Network“. (15) Im Jahr 2008 hat wurde das „Europäische Umweltbüro“ mit rund 900.000 Euro unterstützt, was 52 Prozent seines Einkommens ausmachte. Ähnlich sah es aus bei „Friends of the Earth Europe“: Die Organisation erhielt aus dieser Geldquelle im Jahr 2008 rund 790.020 Euro und damit etwa 52 Prozent ihres Jahreseinkommens.

Tabelle 2: Förderquellen und Lobbyausgaben der Green10. Siehe in Novo108/109, S. 33

EU-Förderung für Lobbyismus

Eine der Lobby-Taktiken, die auf der Webseite der Green10 genannt werden, ist das Engagement „für neue Vorschläge zum Umweltschutz“. Die meisten Koalitionsmitglieder sind sowohl im Lobbyregister der EU-Kommission als auch in dem des Europäischen Parlaments angemeldet. Die EU-Kommission definiert Lobbyismus als „Tätigkeiten, mit denen auf die Gestaltung der Politik und die Entscheidungsprozesse der Europäischen Institutionen Einfluss genommen werden soll“. Das Europäische Parlament bezeichnet Lobbyisten als „Personen, die häufig in die Räumlichkeiten des Parlaments vordringen möchten mit der Zielsetzung, den Parlamentsmitgliedern im Rahmen ihrer Mandate Informationen zu vermitteln, die den eigenen Interessen oder denen von dritten Parteien dienlich sind“. (18)

Die Registrierung und Veröffentlichung von Details über Lobbyarbeiten und deren finanzielle Unterstützung obliegt auf freiwilliger Basis den NGOs und anderen Gruppen, die auf EU-Institutionen Einfluss nehmen. Das Register der EU-Kommission wurde im Juni 2008 eingerichtet. Bis Anfang März 2010 gab es annähernd 2600 Registrierungen (1357 „hausinterne“ Lobbyisten und Handelsverbände sowie 781 NGOs und Think-Tanks.) (19) Kritiker dieses Registrierverfahrens fordern mehr Transparenz und schätzen, dass 20.000 Lobbyisten in Brüssel aktiv sind. (20)

„CEE Bankwatch Network“ und „International Friends of Nature“ erscheinen in keinem der Lobbyregister, die von der EU-Kommission oder vom EU-Parlament angelegt wurden (s. Tabelle 1). Die „Health & Environment Alliance“ ist nicht im Parlamentsregister erfasst (21), obwohl die Green10 ein „allgemeingültiges System für die Registrierung von Lobbyisten sowie der Organisationen, von denen sie finanziert werden“ befürwortet und angibt, dass „die Organisationen der Green10 bereit wären, an solchen Verfahren teilzunehmen.“. (22)

Abbildung 3: Kreislauf der Bequemlichkeit – siehe in Novo108/109 S.34.

Stellvertreter-Propaganda

Es scheint, als sei nicht die Stärkung von Belangen des Gemeinwohls, sondern sich selbst rechtfertigende Propaganda die wesentliche Funktion der EU-Förderung der Green10. Bei Befragungen von Mitarbeitern der Kommission und von NGOs, die EU-Förderungen beziehen, wurde eingeräumt, dass „ein Konsens vorherrscht, demzufolge das EU-Programm darauf abzielt, NGO-Aktivitäten zu unterstützen, die Bereiche der EU-Umweltpolitik betreffen und die relevant sind für die programmatische Arbeit der EU-Kommission“. Es gehe nicht darum, „NGO-Aktivitäten per se zu unterstützen.“ (23)

Insbesondere die Kommission macht kein Hehl daraus, dass sie NGOs fördert, um die eigene politische Tagesordnung voranzubringen und die öffentliche Meinung zu Themen wie etwa dem Klimawandel zu beeinflussen: „Es heißt, vor allem zum Thema Klimawandel seien NGOs nützlich, indem sie durch ihre Netzwerke EU-Positionen verbreiten und unterstützen.“ (24) Die Kommission finanziert NGOs auch, um gegenüber der Öffentlichkeit die Vorzüge von EU-Regelungen zu betonen, im Sinne von „Bewusstseinsbildung und Werbung für die EU-Umweltpolitik über die EU-Grenzen hinaus“. (25) Solche Prozesse sind nichts anderes als Stellvertreter-Propaganda.

Man sollte meinen, die EU-Kommission hätte die Aufgabe, direkt mit den europäischen Bürgern und Steuerzahlern zu kommunizieren. Stattdessen delegiert sie Teile der Öffentlichkeitsarbeit an NGOs mit der Begründung, „sie hätten den Vorteil, enger mit der Bevölkerung in Kontakt zu stehen, über eine hohe Glaubwürdigkeit zu verfügen und damit über ein hohes Potenzial, effizient Bewusstsein zu bilden und weit auszustrahlen. “ (26)

Die EU nennt die Regulierung von Pflanzenschutzmitteln als Beispiel für eine EU-finanzierte Maßnahme, „bei der NGOs und andere Interessenvertreter auf allen Ebenen versuchen, durch Briefe und Themenvorgaben Einfluss zu nehmen“. (27) Dieser Zusammenhang kam 2009 ans Licht. Es stellte sich heraus, dass das Europäische Büro des „Pesticide Action Network“ (PAN-E), eine der führenden Organisationen, die sich für die Reduktion oder das Verbot von Pflanzenschutzmitteln einsetzen, insgesamt 88.430 Euro und damit 59 Prozent des Jahreseinkommens 2009 aus EU-Töpfen bezogen hatte. Das „Pesticide Action Network UK“ ist die Muttergesellschaft und zusammen mit PAN Deutschland verantwortlich für „die „Finanzbuchhaltung [von PAN-E], die Besetzung der Gremien und die Unterhaltung des Büros und ihres Koordinators“. Das „Pesticide Action Network UK“ erhielt 2009 weitere 141.152 Britische Pfund (ca. 160.000 Euro) (28) von der Europäischen Kommission. (29) PAN-E veranlasste „66 Einreichungen im Rahmen der EU-Gesetzgebung für die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln“. (30)

PAN-E arbeitet eng mit europäischen Abgeordneten zusammen. (31) Dennoch ist die Organisation weder im Lobbyregister der EU-Kommission noch in dem des Parlaments registriert.

Dem Geld hinterher

Das Aufgabengebiet der EU im Bereich des Klimaschutzes ist während der letzen 25 Jahre stetig gewachsen. Kürzlich wurde geschätzt, dass ca. 80 Prozent der nationalen Umweltgesetze der EU-Mitgliedstaaten auf Entscheidungen der EU zurückgehen. (32) Das erste europäische Umweltnetzwerk, das „European Environmental Bureau“ (EEB) wurde 1974 gegründet. Bald folgten andere internationale Umweltorganisationen und gründeten europäische Zweigstellen. Einige der Errungenschaften der Green10-Lobby werden auf den Webseiten der Mitglieder angegeben:

  • „NGOs beeinflussten erfolgreich den Europäischen Konvent, um die bestehenden Verpflichtungen des Lissabonner Vertrags zur nachhaltigen Entwicklung, zum Umweltschutz und zur Integration von Umweltinteressen in jeden Politikbereich der EU zu bewahren. “
  • „NGOs produzierten ein gemeinsames ‚Manifest‘ mit Schlüsselempfehlungen für Abgeordnete des europäischen Parlaments im Zeitraum 2004–2009.“ (33)

Was Umwelt-NGOs wie die Green10 vielleicht gegenüber Wirtschaftslobbyisten an Finanzmitteln fehlt, das wiegen sie durch scheinbare Unabhängigkeit und Legitimität auf. Laut Berichten, die den Entscheidungsprozess der EU auswerten, zählen Umwelt- sowie Menschen- und Tierrechtsorganisationen zu den einflussreichsten Lobbyisten in Brüssel. (34) Sie profitieren auch von der Architektur der EU, welche die Kommission auffordert, zivilgesellschaftliche Gruppierungen zurate zu ziehen, bevor sie Entscheidungen fällt. (35)

Die Green10 argumentieren, dass die demokratische Entscheidungsfindung gefährdet ist, „wenn Unternehmen unangemessener politischer Einfluss und privilegierter Zugang zu Entscheidungsträgern gewährt wird“. (36) Sie selbst scheinen davon jedoch reichlich Gebrauch zu machen. In einer Präsentation über die Green10 berichtet das „European Environmental Bureau“ freudig über „regelmäßige Sitzungen mit dem Umweltkommissar“ und „regelmäßige Sitzungen mit dem Rat“. (37) Ein Arbeitspapier des Europäischen Parlaments bestätigt ebenfalls diese engen Bindungen – einschließlich finanzieller Beziehungen – zwischen dem EEB und der Kommission. (38) Tatsächlich scheint die Kommission dem EBB bei der Gründung seines Brüsseler Büros im Jahre 1974 geholfen zu haben. (39) Einer unabhängigen Bilanzprüfung der Finanzierung von NGOs durch die EU-Generaldirektion Umwelt zufolge bestand „ein deutlicher Unterschied“ in den Beziehungen zwischen der GD Umwelt sowie finanziell geförderten NGOs und solchen, die keine EU-Mittel empfangen, wobei „Letztere deutlich weniger repräsentiert“ seien. (40)

Geld für Werbung um noch mehr Geld

Grüne NGOs verwenden EU-Mittel nicht nur, um politische Vorhaben durchzusetzen, sondern auch, um ihren eigenen Einfluss innerhalb der EU zu stärken und noch mehr EU-Mittel einzuwerben. Zurzeit dürfen bis zu 70 Prozent des Haushalts der empfangenden NGOs aus EU-Zuwendungen bestehen. (41) Begünstigte sind nur verpflichtet, die restlichen 30 Prozent aus anderen Quellen aufzubringen – deutlich weniger als die ursprünglich vorgeschriebenen 50 Prozent. Es kann kaum überraschen, dass diese Lockerung der Richtlinie auf Empfehlung von NGOs erfolgte (42) und „von den Begünstigten als einer der bedeutendsten Erfolge ihrer Einflussnahme auf die Entwicklung des aktuellen Programms anerkannt wurde“. (43)

Nach einer anhaltenden Flut von Beschwerden grüner NGOs „trat die Kommission gegenüber dem Rat und dem Europäischen Parlament für eine Erhöhung der finanziellen Zuwendungen ein mit dem Ergebnis, dass der Etat für das aktuelle Programm erhöht wurde“. (44) Eine unabhängige Prüfung des Finanzierungsprogramms der GD Umwelt kam zu dem Schluss, dass die Zunahme der Aktivitäten von Umwelt-NGOs sowie die steigende Zahl der Mittel beantragenden Umweltorganisationen „eine Erhöhung (zumindest eine Verdopplung) des Etats erfordere“. (45)

Folglich haben sich die Gesamtmittel, die durch die GD Umwelt grünen NGOs zugewiesen werden, seit 1998 stetig erhöht: Sie lagen 1998 noch bei 2,3 Millionen Euro und stiegen bis 2009 auf 8,7 Millionen Euro [s. Tabelle 3]. (46) Dennoch war diese Entwicklung für die empfangenden NGOs nicht zufriedenstellend. Eine unabhängige Überprüfung des Programms stellte fest: „… die überwältigende Mehrheit der NGOs ist der Meinung, dass der Abstand zwischen ihren Möglichkeiten, sich in die Politik einzubringen und Einfluss zu nehmen, und denen der Wirtschaftsvertreter weiter besteht und wächst.“ (47)

Tabelle 3: Jährliche Zuwendungen der EU-Generaldirektion Umwelt an grüne NGOs. Siehe in Novo108/109, S. 35

EU Kohäsionspolitik: 350 Milliarden Euro und Entscheidungsbefugnisse

Politische Verhandlungen auf höchster Ebene für den EU-Haushalt für den Zeitraum 2007 bis 2013 begannen im Jahr 2004 – drei Jahre, bevor er in Kraft treten sollte. (49) Die Verhandlungen endeten 2006 mit einer Kompromisslösung. Nun schauen Lobbyisten und Politiker auf den Haushalt für 2014 bis 2020, und Verhandlungen über bestimmte Aspekte – vor allem in Hinblick auf die gemeinsame Agrarpolitik – werden vor Ende dieses Jahres beginnen. (50)
In den Jahren vor der Verabschiedung des Haushalts für 2007 bis 2013 warben die Green10 unermüdlich für das „Ergrünen“ der Etats und eine Erhöhung der Fördermittel für Umweltschutz und nachhaltige Entwicklung. Viele dieser Vorschläge sind extrem eigennützig. Wäre ihre Kampagne für das Budget 2007 bis 2013 erfolgreich gewesen, hätten die Green10 sehr viel mehr Geld und Einfluss erhalten.

Im Jahr 2005 agitierte die Green9-Gruppe (51) dafür, „den Etat zu ‚ergrünen‘ und Hilfsmittel gezielt für das Erreichen der EU-Umweltvorgaben einzusetzen“. (52) Sie ging dabei sogar so weit zu verkünden, dass „NGOs sowohl in den strategischen Programmrichtlinien für die ländliche Entwicklung und die regionalen Entwicklungsfonds eine Rolle spielen sollten, als auch in der Umsetzung dieser Programme vor Ort, um deren politische Kohärenz und Integration zu gewährleisten.“ (53)

2007 nahmen mehrere Mitglieder der Green10 an einer Beratung über die Reform und Zukunft der EU-Kohäsionspolitik teil. Die Kohäsionspolitik, seit Verabschiedung der Einheitlichen Europäischen Akte von 1987 offizieller Teil der EU-Politik, will die Umverteilung zwischen den EU-Regionen fördern nach dem Prinzip, „dass wir alle von der Verringerung der Einkommens- und Wohlstandsabstände zwischen unseren Regionen profitieren“. (54)

Die Eingaben der Green10 für diese Beratung basierten auf einer früheren Publikation eines Mitglieds namens „10 Golden Rules for NGO Partnership“. (55) Man wollte „eine wirksamere Beteiligung von Interessenvertretern in den mit der EU-Förderpolitik befassten Lenkungs- und Kontrollausschüssen erlangen“. Die Eingabe des WWF-EPO empfahl eine noch weiter gehende Berücksichtigung der „Nachhaltigkeit“ in ihrer Kohäsionspolitik. (56)

Doch es ging um deutlich mehr als nur den Umweltschutz: Wie WWF-EPO feststellte, werde „die Kohäsionspolitik nach 2013 höchstwahrscheinlich einen der höchsten Anteile am EU-Haushalt erhalten. Sie wird das bedeutendste Finanzierungsvehikel für die Verwendung europäischer Steuergelder und hat folglich beispielhaften Rang.“ (57) In der Tat liegt der Haushalt der Kohäsionspolitik aktuell bei 347 Milliarden Euro (gegenüber 308 Mrd. Euro bei ihrer Einführung 2004), d.h. bei mehr als einem Drittel des EU-Etats für 2007 bis 2013. (58)

In ihren Eingaben empfahlen WWF-EPO und „Birdlife International“ mehr finanzielle Zuwendungen an Umwelt-NGOs und deren Beteiligung an Entschlüssen über die Verwendung der EU-Kohäsionsfonds. Selbstverständlich würde die Beteiligung von NGOs daran ihre Position in sowie deren Finanzierung durch die EU weiter stärken. (59)

Die Umweltlobbyisten sprachen folgende Empfehlungen aus:

  • „Gebt allen Partnern denselben Status und dieselben Wahlrechte.“
  • „Beteiligt alle Partner an der Formulierung der Projektauswahlkriterien und am Prozess der Projektbewertung und -auswahl.“
  • „Bietet allen Ausschussmitgliedern die Ausbildung und die Ressourcen, die sie brauchen, um hochwertig partizipieren zu können.“
  • „Übernehmt die Kosten für Reisen, Übernachtungen und Kopierkosten für NGO-Mitglieder der Ausschüsse.“
  • „Reserviert wenigstens einen Sitz in allen Ausschüssen (nicht nur im Bereich Umwelt) für einen Umwelt-NGO-Partner.“ (60)

Die Green10 machten sich für eine Erhöhung mehrerer EU-Etats stark, wohl wissend, dass sie davon direkt profitieren würden. Sie wollten, dass Life+ – d.h. das von der GD Umwelt verwaltete EU-Umweltbudget – „deutlich erhöht werde, um EU-Maßnahmen zum Umweltschutz zu finanzieren“. Für das Budget 2007 bis 2013 forderten die Green10 für Life+ 9,5 Milliarden Euro, für Natura 2000 („das Prunkstück der EU-Natur- und Artenschutzpolitik“) (61) 21 Milliarden Euro und ein Mindestbudget von 88,75 Milliarden Euro für die ländliche Entwicklung. (62) Mehrere Mitgliedsorganisationen der Green10 beziehen Fördergelder von Life+. (63)

Fünf Mitglieder der Green10 gründeten gemeinsam mit osteuropäischen Umweltnetzwerken wie CEEWEB und „Milieukontakt Oost-Europa“ die „Coalition for Sustainable EU Funds“. (64) Ihre Ziele und Forderungen waren die gleichen wie die der anderen Green10-Mitglieder: die Reform der EU-Fördermittel zu beeinflussen, um „sicherzustellen, dass sie auch effizient ausgegeben werden …“ und gleichzeitig die Zuflüsse an NGOs und deren Macht zu erhöhen. (65)

2006 erklärten die Mitgliedsorganisationen der Green10, dass sie „über die politische Vereinbarung äußerst enttäuscht“ seien, nachdem die europäischen Regierungen ihre Forderung, den Kohäsionsfond „zu ergrünen“, ignoriert hatten. (66) Obwohl es ihnen nicht gelang, ihre Wünsche für den Haushalt 2007 bis 2013 durchzusetzen, haben sie ihre Lobbyarbeit für den nächsten Etatzyklus 2014 bis 2020 fortgesetzt.

Die Green10 sowie einige ihrer Mitgliedsorganisationen nahmen an den öffentlichen Beratungen über die Zukunft des EU-Haushalts („Financial Perspectives 2014–20“) teil. (67) Das „CEE Bankwatch Network“ überreichte im Juni 2008 die ursprüngliche Agenda der Green10 für die öffentlichen Beratungen, mit der Forderung nach NGO-Sitzen in allen Ausschüssen, der Erstattung von Ausgaben sowie Ausbildung, vermehrte Kapazitäten und dergleichen. (68)

Die Eingabe des EEB war eine kurze Unterstützungserklärung für die bereits bekannten Vorschläge der Green10, aber auch für die der „EU Civil Society Contact Group“ (einer NGO-Koalition, der auch die Green10 angehören). (69) Dort erkannte man zwar an, dass die öffentliche Haushaltspolitik seit Langem „als exklusives Privileg der Exekutiven und Legislativen gilt“. Die „EU Civil Society Contact Group“ schlug dennoch vor, dass „öffentliche Interessensorganisationen positive Beiträge zum Budgetprozess machen könnten und sollten“. (70)

Die anhaltenden Bemühungen des EEB, auf die Haushaltsreformen Einfluss zu nehmen, werden in seinem Arbeitsprogramm 2008 bestätigt, das unter den „geplanten Aktivitäten“ folgende angibt: „Vorbereitung auf die Debatten über die finanzielle Perspektiven 2014–20 und Einsatz für eine bedeutende Erhöhung der Ausgaben für Artenreichtum in den kommenden Finanzplanungen.“ (71)
Friends of the Earth Europe (FoEE) hat ebenfalls anhaltendes Interesse daran, die Zuteilung der EU-Fördermittel zu beeinflussen, und erklärt ausdrücklich seine Absicht, die kohäsionspolitischen Ausgaben von der Wachstumsförderung hin zur Finanzierung umweltfreundlicher Lebensweisen umzulenken: „Ab 2013 wird die Kohäsionspolitik aller Voraussicht nach den größten Teil des EU-Haushalts verschlingen und spielt somit eine entscheidende Rolle für die Umsetzung dieses lebenswichtigen Übergangs zu einem nachhaltigen Lebensstil … Wir sind auch fest davon überzeugt, dass es für die Erweiterung des Konzepts der Kohäsion von rein wirtschaftlichen Aspekten auf soziale und umweltbewusste Lebens- und Arbeitsbedingungen starke Argumente gibt.“ (72)
„CEE Bankwatch“ und FoEE haben sogar eine Kampagne namens „Milliarden für Nachhaltigkeit“ ins Leben gerufen, die eigens das „Ergrünen“ der Struktur- und Kohäsionsfonds anstrebt. (73) Wie Green10, so bemüht auch sie sich um die Aufnahme von NGO-Vertretern in exekutive Funktionen wie die Planung der öffentlichen Haushalte.

Interessenkonflikte

Dieser Bericht befasst sich nicht mit der Frage, ob Umwelt-NGOs neben anderen NGOs und privaten Interessengruppen in Ausschüssen vertreten sein sollten. Die Sache ist vielschichtiger: Ist es legitim, dass NGOs in entscheidungsbefugten exekutiven Organen vertreten sind, wenn sie finanzielle Unterstützung erhalten, um als Lobbyisten gegenüber diesen Organen aufzutreten? Ebenso fragt sich, ob NGOs, die ein direktes finanzielles Interesse an EU-Haushaltsentscheidungen haben, in den Ausschüssen sitzen sollten, die diese Entscheidungen treffen. Ist das wirklich im besten Interesse der europäischen Bürger und Steuerzahler?

Die Ausschüsse entscheiden, wo und wie Fördermittel entsprechend den Wünschen einzelner Mitgliedstaaten zu verwenden sind, während die EU theoretisch dafür Sorge trägt, dass Gelder nicht „verschwendet“ werden. In der Praxis sitzen in jedem Ausschuss generell eine unabhängige Prüfungsstelle und eine öffentlich-rechtliche Körperschaft – doch auch das ist keine Garantie für Transparenz. (74) Es gibt immer wieder Verdacht auf Korruption und Geldverschwendung, insbesondere in Hinblick auf die Baubranche. (75) Eine noch stärkere Unterstützung der eng gefassten Interessen, die von grünen Gruppen vertreten werden, wird dieses Problem gewiss nicht lösen.

Zudem ist die Agenda der grünen NGOs weder harmlos noch unkontrovers. Das Ziel des Kohäsionsfonds ist laut EU-Definition der Ressourcentransfer, um „rückständige Regionen zu modernisieren, damit sie zum Rest der Union aufschließen können“. (76) Nach eigenem Bekunden würden viele Vorschläge der grünen Gruppierungen indes „sowohl den Lebensstil als auch die Geschäftsgepflogenheiten der Menschen verändern“. (77)

Die genannten Vorschläge hätten den Effekt, die Ausgaben für Green10 und andere NGOs hinterrücks zu erhöhen, und zwar nicht nur in Form von Fördermitteln, sondern auch als Reisekostenerstattungen (in der EU notorisch großzügig) (78) sowie als Mittel für „Ausbildung und Kapazitätsaufbau“. Die Beteiligung an Entscheidungsprozessen und an der Umsetzung von Programmen vor Ort würde den Einfluss dieser Gruppen auf die EU vergrößern und ihnen als Nebeneffekt künftig noch mehr Möglichkeiten bieten, sich weitere Gelder und Einfluss zu sichern.
Es besteht die Gefahr, dass manche Aktivistengruppen mit engem Interessenhorizont, darunter grüne NGOs, den demokratischen Prozess zum eigenen Vorteil ausnutzen. Hätte die EU der Forderung der Green10 nach Aufnahme einer grünen NGO in jeden Ausschuss stattgegeben, hätten Umwelt-NGOs nach Gutdünken alle Entscheidungen über die Bewertung und Auswahl von Projekten, die dem Kohäsionsfonds unterstehen, d.h. über die Zuteilung von mehr als 50 Milliarden Euro jährlich von 2007 bis 2013, beeinflussen können. (79)

Süchtig nach EU-Mitteln

Ein unabhängiger Bericht über die von der GD Umwelt vergebenen Fördermittel für NGOs stellte fest, dass die meisten Empfänger von diesen Zuwendungen sehr abhängig seien, und merkt an, es sei „wahrscheinlich, dass ein großer Anteil der Zuwendungen an der Gesamtfinanzierung einer NGO eine hohe Abhängigkeit vom EU-Umweltprogramm impliziert“. (80) Dieses trifft in jedem Fall auf die Mehrheit der Green10 zu.

Wie bereits dargelegt, müssen Empfänger-NGOs für nur 30 Prozent ihres Budgets andere Finanzquellen erschließen, während die EU bis zu 70 Prozent zuwenden kann. (81) Diese geringe Kofinanzierungsvorgabe „wird innerhalb der Kommission nicht von allen unterstützt“ (82) und hat Befürchtungen bezüglich der langfristigen Lebensfähigkeit von Projekten sowie der Unabhängigkeit der NGOs ausgelöst. Außerdem sieht es so aus, als seien viele NGOs ermutigt worden, sich nicht um andere Finanzierungsquellen zu bemühen, da ihnen dann die großzügigen und unbeschränkten EU-Zuwendungen generell gekürzt werden. (83)

Das ist umso bedenklicher, da NGOs von der Kommission immer höhere Zuwendungen erhalten. Die Mehrzahl der Green10 erhält inzwischen deutlich mehr Geld von der GD Umwelt als in den vorausgegangenen Jahren (s. Tabelle 4). So stiegen von 1998 bis 2009 die Fördermittel für „Birdlife Europe“ um 900 Prozent, für FoEE um 325 Prozent und für WWF-EPO um 270 Prozent.
Der Bericht über die Fördermittelvergabe der GD Umwelt erklärte, dass „in allen Fällen die jährlichen Zuwendungen variieren. Ein systematischer Hinweis auf einen Rückgang der Abhängigkeit der Begünstigten vom Programm im Zeitraum 2002–2004 ließ sich nicht feststellen“. (84)

Manche NGOs wie „CEE Bankwatch Network“ und die „Health & Environment Alliance“ (HEAL) sind nach wie vor zu fast 60 Prozent auf die Fördermittel der EU angewiesen. CEE erhielt acht und HEAL sechs Jahre lang EU-Gelder – lange genug, um andere Quellen zu erschließen.

Der Bericht stellte auch fest, in NGO-Befragungen habe „die überwältigende Mehrheit (14 von 16) angegeben, sobald Begünstigte ein gewisses Maß an Einbindung in die EU-Politik erreicht hätten, diese nicht ohne anhaltende Unterstützung durch das Programm aufrecht erhalten werden könne“. (85) Die Kommission selbst bestätigte 2008, dass viele Organisationen „während des gesamten Zeitraums durchgängig unterstützt wurden“ und es „relativ schwierig“ sei, als neuer Antragsteller Fördermittel zu erhalten. (86)

Tabelle 4: Zunahme der von der EU-Generaldirektion Umwelt an die Green10 vergebenen Fördermittel (87). Siehe in Novo108/109, S. 39

Unparteilichkeit steht auf dem Spiel

Die Kommission verspricht, die Unabhängigkeit der von ihr unterstützten NGOs zu respektieren, insbesondere indem sie „den Antragstellern gestattet, ihre eigenen Arbeitsprogramme gemäß den eigenen Prioritäten zu formulieren“, um „die Vielfalt und Unabhängigkeit der geförderten Organisationen zu gewährleisten“. (88) Doch ein unabhängiger Bericht, der auf Interviews mit Kommissionsbeamten und Vertretern von Umwelt-NGOs beruht, räumt ein, dass finanzielle Abhängigkeit auf nationaler oder regionaler Ebene diese Eigenständigkeit gefährden könnte: „Wenn NGOs (ob überwiegend oder ausschließlich) auf nationale bzw. regionale staatliche Förderung angewiesen wären, würde dies unweigerlich ihre Unabhängigkeit gefährden, da die Mittelbereitstellung auf dieser Ebene in den meisten Fällen von politischen Beziehungen und der Bereitschaft, relativ enge politische Agenden zu bedienen, abhängt.“ (89)

Es kann daher kaum überraschen, dass sowohl die Kommission als auch die geförderten NGOs leugnen, dass ihre Unabhängigkeit durch Finanzzuwendungen gefährdet sei. (90) Der Bericht verrät allerdings nicht, warum „politische Beziehungen“ und „enge politische Agenden“ die Unabhängigkeit von NGOs auf nationaler oder regionaler Ebene, nicht aber auf Ebene der EU gefährden sollen.
Die NGO-Fördermittel der GD Umwelt werden im Unterschied zu anderen EU-Mitteln nicht für genau bezeichnete Ziele zugeteilt. Dennoch wird von NGOs erwartet, gewisse Aufgaben zu erfüllen, darunter die Teilnahme an „Konsultationen“: „Während des Berichtszeitraums haben NGOs (einschließlich jener, die durch das Programm gefördert werden) eine zunehmende Anzahl von Einladungen zu solchen Sitzungen erhalten. Die Nachfrage war so groß, dass NGOs in den meisten Fällen kaum mithalten konnten.“ (91)

Es besteht die Gefahr, dass diese Gruppen „inkorporiert“ werden, sich selbst zensieren und Teil des Systems werden, das sie eigentlich überwachen wollten. Obwohl die Kommission die Autonomie der NGOs formell anerkennt, ist sie offensichtlich in der Lage, deren Agenden und Prioritäten zu beeinflussen.

Lösungen für das EU-Demokratiedefizit?

Die Kommission betrachtet die Förderung von NGOs als Bestandteil anhaltender Bemühungen, die EU zu „demokratisieren“ und „Europa mit seinen Bürgern zu verbinden“. (92) Blickt man über die Rhetorik der nicht gewählten Kommission hinaus, fallen die ernsthaften Probleme ins Auge, die das Bestreben nach sich zieht, eine Institution durch undemokratische Methoden zu demokratisieren.
Obwohl sich dieser Bericht zwar nur auf grüne NGOs bezieht und insbesondere auf die Green10, wirft er dennoch wichtige Fragen auf, was die Unabhängigkeit dieser NGOs und ihre Rolle in den Entscheidungsprozessen im Allgemeinen betrifft. Da die meisten wichtigen NGOs in Brüssel auf EU-Geld angewiesen sind, könnte es sein, dass NGOs das „demokratische Defizit“ der EU sogar verschärfen.

Laut einer unabhängigen Befragung unter Vertretern der GD Umwelt konnte die Mehrheit sich nicht darauf einigen, ob Empfänger-NGOs für die Bevölkerung repräsentativ seien. (93) Die Studie fand heraus, dass die geografische Reichweite des Programms in erster Linie „durch die Mitgliedschaft von etablierten NGOs in Westeuropa“ vergrößert worden sei. (94) Die Kommission bevorzugte die bekanntesten Namen innerhalb der grünen Lobby, sodass „eine kleine Anzahl an NGOs den Löwenanteil der Fördermittel erhielt“. (95) Derweil bleibt die Beteiligung von NGOs aus den neuen Mitgliedstaaten und Kandidatenstaaten gering. (96)

Sich auf Netzwerke zu konzentrieren mag der EU-Kommission als „günstigste Option für die Auseinandersetzung mit der Zivilgesellschaft erscheinen“, aber es darf bezweifelt werden, ob diese zentralisierten Organisationen für die vielen unterschiedlichen Standpunkte der Bürger der Mitgliedsstaaten repräsentativ sind. Selbst wenn die Green10, wie sie behaupten, tatsächlich 20 Millionen Menschen repräsentieren, ist das gegenüber den 500 Millionen Einwohnern der EU immer noch eine Minderheit.

Entwöhnung: Empfehlungen und Vorschläge

Die EU argumentiert, Umwelt-NGOs stellten „ein notwendiges Gegengewicht zu den Interessen anderer Akteure dar …, darunter Industrie/Unternehmen, Gewerkschaften und Verbrauchergruppen“. (97) Die Annahme, NGOs und Unternehmen stünden in ewigem Widerstreit, ist jedoch zu einfach gestrickt: Wie manche Kooperationen auf nationaler und internationaler Ebene in jüngster Zeit belegen, sind die Interessen oft gemeinsame. (98) Große Unternehmen arbeiten häufig mit Umweltgruppen zusammen, um Regulationen durchzusetzen, die ihnen gegenüber kleineren Mitbewerbern Vorteile bieten. Selbst wenn das Ergebnis für die Umwelt gut ist, ist der Preis in Form von Wettbewerbsbeschränkungen, verminderten Innovationen und steigenden Kosten für die Verbraucher oft sehr hoch.

Selbst dort, wo echte Interessengegensätze zwischen Unternehmen und Umwelt-NGOs vorliegen, ist fraglich, ob es Sinn macht, das Problem der Beeinflussung von EU-Entscheidungsprozessen durch andere Partikularinteressen dadurch lösen zu wollen, dass man Umwelt-NGOs mehr Einfluss und finanzielle Unterstützung einräumt. Warum sollten Umwelt-NGOs mehr Einfluss haben als Unternehmen, Gewerkschaften oder Verbrauchergruppen? Warum sollten sie subventioniert werden?

EU-Entscheidungsprozesse sollten prinzipiell nicht von den engen Eigeninteressen von Unternehmens-, Konsumenten- oder Umwelt-NGOs bestimmt werden. Sie sollten vielmehr das Allgemeinwohl der 500 Millionen Bewohner der EU wahren. Wie dieser Bericht anschaulich bestätigt, ist EU-Unterstützung für Umwelt-NGOs keineswegs ein öffentliches Gut. In vielen Fällen kann es sich sogar um ein öffentliches Übel handeln.

EU-Einmischung in die Finanzierung von NGOs hat verheerende Folgen. Sie untergräbt nicht nur deren finanzielle Unabhängigkeit, sondern auch ihre politische Unabhängigkeit und ihre Fähigkeit, eigene Prioritäten zu setzen. Obwohl sie die besten Absichten hegen, könnten Empfänger-NGOs in eine Lage gelangen, in der sie als Tarnung für den bürokratischen Apparat dienen oder ihm in beratender Funktion zuarbeiten. Indem sie einige ausgewählte Gruppen finanziert, verdrängt die EU-Förderpolitik zugleich andere Umwelt- oder Bürgerorganisationen.

Schlimmer noch, EU-Fördermittel für NGOs wecken die Illusion demokratischer zivilgesellschaftlicher Partizipation. Doch in Wirklichkeit gefährden sie das Ansehen aller NGOs, die in Brüssel aktiv sind. Zurzeit scheint es, als habe die EU das demokratische Defizit durch die Selektion und Bezahlung von Gruppen für die Ausübung bestimmter Funktionen verschärft. Die finanzielle Unterstützung grüner NGOs durch die EU muss unverzüglich beendet werden.

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