01.01.2010

Dambisa Moyo und Dirk Niebel Im Duett

Essay von Barbara Off

Wie nahe stehen sich die Forderungen einer afrikanischen Bankerin und die neue FDP-Entwicklungspolitik? Ein Kommentar von Barbara Off

Mit ihrem Plädoyer für das Ende westlicher Entwicklungshilfe sorgte Dambisa Moyo für Furore. Ihr Buch Dead Aid. Why Aid is not working and how there is another way for Africa erschien Anfang 2009 und landete rasch auf der Bestsellerliste des Time Magazine. Die 1969 in Sambia geborene Autorin studierte Ökonomie in Oxford und Harvard und legte anschließend eine astreine Karriere als Bankerin hin, zunächst bei der Weltbank und dann bei Goldmann Sachs in den Bereichen Schuldkapitalmärkte, Hedgefonds und Weltwirtschaft. In ihrem Buch zeigt Moyo, was in den letzten 60 Jahren der Entwicklungshilfe schiefgelaufen ist. Sie nennt die Gründe, doch dabei bleibt es nicht. Sie weist auch neue Wege, die in ihren Augen erfolgversprechender sind.

Entwicklungshilfe fördere nicht nur die Korruption, sondern verhindere auch Eigeninitiative, schreibt sie. Afrikanischen Staaten müssten Eigenverantwortung übernehmen und ihre Entwicklung selbst gestalten und finanzieren. Moyo hat dafür mehrere Finanzierungsstrategien im Köcher: Erstens sollten sich die Staaten um Anleihen auf dem internationalen Kapitalmarkt bemühen. Zweitens sollte weiterhin auf ausländische Direktinvestitionen gesetzt werden. Handel sei der dritte wichtige Pfeiler: Afrikanische Länder bräuchten vor allem fairen Zugang zum Weltagrarmarkt. Gleichzeitig, so argumentierte sie, müsste der Süd-Süd-Handel der Entwicklungsländer untereinander, der Handel auf dem afrikanischen Kontinent und in regionalen Wirtschaftsräumen, forciert werden. Auch die Finanzierung durch Mikrokredite nach dem Vorbild der Grameen Bank ist nach Ansicht von Moyo ausbauwürdig. Auf Mikroebene dürften schließlich auch private Überweisungen aus dem Ausland und entsprechende Ersparnisse von Privatpersonen nicht unberücksichtigt bleiben. Moyo schwebt vor, den Banken- und Finanzsektor in den afrikanischen Ländern innovativ umzubauen. Damit könne wirtschaftliches Wachstum für Afrika generiert werden. Immer wieder weist die Autorin in öffentlichen Auftritten darauf hin, dass sich Afrikaner vor allem Jobs, Marktchancen und Anerkennung wünschen. Der Westen hingegen solle aufhören, mit seiner paternalistischen „Bono-Haltung“ Afrikaner wie Kleinkinder zu behandeln.

Was hat der neue Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) dazu zu sagen? Man könnte meinen, Moyos Plädoyer komme ihm recht, da er sich noch als FDP-Generalsekretär für die Abschaffung seines jetzigen Ministeriums (BMZ) ausgesprochen hatte. Entsprechende Kritik musste er sich bei seiner Ernennung anhören. Dieser Akt sei ein Affront für jegliche Art ernsthafter Entwicklungspolitik. Außerdem werde Niebel ohnehin nur als Erfüllungsgehilfe von Westerwelles Außenministerium fungieren, wurde ihm vorgehalten. Doch was hat Niebel wirklich vor?

Im Koalitionsvertrag wird mehrfach darauf hingewiesen, dass die Effizienz deutscher Entwicklungshilfe zu steigern und Doppelstrukturen abzuschaffen seien. Die Notwendigkeit hierfür wurde bereits 2005 im multilateralen Kontext in der Deklaration von Paris erkannt. Auch dem Bundesrechnungshof ist dieses Problem nicht neu. Trotz des Gutachtens einer Unternehmensberatung, das dem BMZ seit mehr als drei Jahren vorliegt, ist es Niebels Vorgängerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) nicht gelungen, effizientere Strukturen zu schaffen. Niebel hat zwar nicht vor, das BMZ abzuschaffen. Aber er vertritt die Auffassung, dass es Ziel der Entwicklungszusammenarbeit sein müsse, sich irgendwann überflüssig zu machen. Damit scheint der Neuling auf diesem Terrain auf jeden Fall besser zu verstehen, was Entwicklung und Fortschritt bedeuten, als manch alter Hase in diesem Geschäft.

So klingt es vielversprechend, dass die neue Regierung Entwicklungszusammenarbeit nicht nur als Armutsbekämpfung versteht, sondern der zweiten Säule des BMZ, der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, neues Gewicht verleiht: Es geht um die verstärkte Einbeziehung der deutschen Privatwirtschaft in Abstimmung mit den außenwirtschaftlichen Interessen der Regierung, Investitionen, Ausbau und Schutz des Privatsektors der jeweiligen Länder, Public Private Partnerships, Ausbau von Mikrofinanzierungssystemen und die verstärkte Förderung von Infrastrukturprojekten. Bleibt abzuwarten, inwieweit dies und es überdies gelingt, Fortschritte im Bereich des globalen Handels zu erreichen, so wie es im Koalitionsvertrag steht. Aber wer, wenn nicht ein FDP-Minister mit einer Staatssekretärin, Gudrun Kopp, die Erfahrungen aus dem Bereich Außenwirtschaft mitbringt, könnte den Abbau von Handelsbarrieren im Agrarsektor und einen schnellen und entwicklungsorientierten Abschluss der Welthandelsverhandlungen vorantreiben? Dafür kann es auch nur von Vorteil sein, wenn die Zusammenarbeit mit Schwellenländern neu konzipiert wird.

Eine der ersten Amtshandlungen von Niebel war es, ein Wahlversprechen einzulösen: Er kündigte das Ende der Entwicklungshilfe für China an, die sich jüngst auf 70 Mio. Euro im Jahr belief. Ein unbegründeter Aufschrei ging durch die Reihen der Opposition. Wieczorek-Zeul hatte nämlich schon die klassische finanzielle Zusammenarbeit eingedampft. Niebel hat nun nur noch die bestehenden Projekte der technischen Zusammenarbeit wie im Bereich Klimaschutz und Energie zu Auslaufmodellen erklärt. Das macht Sinn, denn China ist nicht mehr auf die technische Hilfe des Westens angewiesen. Das zeigt sich schon daran, dass Solar-Technologien für deutsche Klimaschutz- und Entwicklungsprojekte in Afrika überwiegend in China eingekauft werden. Der neue Minister setzt damit sinnvolle Akzente.

Eine komplette Neuausrichtung der deutschen Entwicklungspolitik ist jedoch nicht zu erwarten. So bleibt es laut Koalitionsvertrag bei dem Ziel, die Entwicklungsleistungen trotz Finanzkrise schrittweise bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttosozialprodukts zu erhöhen. Gleiches gilt für das Erreichen der Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen. Auch hier steht der Kampf gegen die Armut im Mittelpunkt, was dem Vorhaben Niebels, das BMZ von dem Image des „Armutsministeriums“ zu befreien, widerspricht. Kontinuität zeigt sich auch beim Drängen auf „gute Regierungsführung“. Dies steht im Widerspruch zur Stärkung der Selbstständigkeit von Entwicklungsländern, denn nicht Eigenverantwortung, sondern Kontrolle der Regierungen, die den westlichen Geldgebern Rechenschaft schuldig sind, steht im Mittelpunkt. Die Rechenschaftspflicht der Regierungen gegenüber ihren Völkern wird damit unterlaufen und eine organische Demokratieentwicklung erschwert.

Den Entwicklungsländern wäre es dennoch zu wünschen, dass der FDP-Minister es schafft, dem oft missverstandenen Mantra der „Hilfe zur Selbsthilfe“ neues Leben einzuhauchen und mit dem liberalen Grundwert der Eigenverantwortung zu erfüllen. Ob westliche Entwicklungspolitik in den nächsten fünf bis zehn Jahren abgeschafft wird, wie Dambisa Moyo es fordert, ist fraglich. Eine liberale Entwicklungspolitik bietet jedoch Möglichkeiten, die Länder Afrikas auf dem Weg zu größerer Selbstständigkeit zu begleiten – und zwar zuvorderst mit Impulsen für freien Handel und Investitionen für wirtschaftliches Wachstum und Fortschritt.

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