19.12.2017

Monopol vor dem Kadi

Von Martin Arendts und Clemens Schmautzer

Das staatliche Lottomonopol in Deutschland verstößt nun auch nach Auffassung eines Gerichts (Verwaltungsgericht München) gegen Grundgesetz und Europarecht.

Erstmalig hat ein deutsches Gericht das von den deutschen Bundesländern beanspruchte Lotteriemonopol als rechtswidrig befunden. Damit sind die Milliardeneinnahmen für die Länder aus den von ihnen angebotenen Glücksspielen gefährdet. Das Verwaltungsgericht München kommt in seinem von unserer Kanzlei erstrittenen Urteil zu dem Schluss, dass das deutsche Lotteriemonopol in seiner derzeitigen Ausgestaltung sowohl gegen die unionsrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 56 ff. des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) als auch gegen die verfassungsrechtlich garantierte Berufswahlfreiheit gemäß Art. 12 des Grundgesetzes verstößt.

Die in Bayern ansässige Klägerin hatte sich im Oktober 2010 an die zuständige Bezirksregierung der Oberpfalz gewandt und sich nach einer Erlaubnismöglichkeit für die Veranstaltung einer Zahlenlotterie im Freistaat Bayern erkundigt. Daraufhin erhielt sie eine „Checkliste für eine Erlaubniserteilung zur Veranstaltung öffentlicher Glücksspiele“. Basierend auf den stichpunktartigen Erläuterungen der (nicht veröffentlichten) Checkliste stellte die Klägerin einen Antrag auf Erlaubnis zur Veranstaltung einer Zahlenlotterie im Freistaat Bayern.

Aufgrund der unklaren Auskünfte, die die Klägerin auf mehrmalige Nachfragen zu den Erlaubnisvoraussetzungen von der Bezirksregierung erhalten hatte, besserte die Klägerin ihren Erlaubnisantrag mehrfach nach. Die Bezirksregierung erließ dennoch auf Anweisung des Bayerischen Innenministeriums einen Ablehnungsbescheid. Sie begründete ihn ausschließlich damit, dass die Klägerin nach Auffassung der Behörde materielle Erlaubnisvoraussetzungen nicht erfülle.

„Die Werbepraxis der Landeslottogesellschaft verstößt gegen Europarecht.“

Gegen den Ablehnungsbescheid erhob die Klägerin nach einem fast eineinhalb Jahre dauernden Verwaltungsverfahren 2012 Klage beim Verwaltungsgericht München. Bemerkenswerterweise erklärte die Bezirksregierung erst im ersten mündlichen Verhandlungstermin und auch nur auf mehrmaliges Nachfragen der vorsitzenden Richterin, man gehe von der Anwendbarkeit der Monopolregelungen aus, da man diese für verfassungs- und unionsrechtskonform halte.

Dem widersprach das Verwaltungsgericht München in seinem Urteil vom 25. Juli 2017. Nach Ansicht des Gerichts ist das im Glücksspielstaatvertrags (GlüStV) zwischen den Ländern verankerte Lotteriemonopol 1 wegen der Werbepraxis der Landeslotteriegesellschaften aus unionsrechtlicher Sicht wegen Verstoßes gegen die Dienstleistungsfreiheit 2 nicht anwendbar und zudem verfassungswidrig.

Das Gericht stützt sich auf mehrere Gesichtspunkte. So berücksichtige bereits die Werberichtlinie der Länder, welche die § 5 Abs. 1 bis 3 GlüStV hinsichtlich erlaubter Werbung konkretisiert, nicht strikt die vom Europäischen Gerichtshof und vom Bundesverwaltungsgericht herausgearbeiteten Kriterien, die zur Rechtfertigung eines Glücksspielmonopols einzuhalten sind. Das Verwaltungsgericht München weist diesbezüglich darauf hin, dass § 3 Abs. 3 Satz 4 der Werberichtlinie entgegen den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich Imagewerbung erlaube. Nach § 5 Nr. 1 Satz 2 und 3 der Werberichtlinie dürfe überdies attraktiv geworben und der gemeinnützige Charakter der Lotterien in den Vordergrund gestellt werden.

„Durch die praktizierte Jackpot-Werbung werden Anreize gesetzt, an öffentlichem Glücksspiel teilzunehmen.“

Auch werde die Werbepraxis den Anforderungen der Rechtsprechung nicht gerecht. Das Verwaltungsgericht begründet dies anhand zahlreicher Werbemaßnahmen der Monopolträger, die von der Klägerin vorgelegt wurden. Dazu zählt die unzulässige Werbung mit gezielt beworbenen hohen Jackpotsummen in Form von Radio- und Fernsehspots. Unzulässige Jackpotwerbung finde sich zudem in Newslettern und in Kundenmagazinen der Landeslotteriegesellschaften, in sozialen Netzwerken, in Bannerwerbung auf Nachrichtenseiten im Internet sowie auf den Internetstartseiten der Landeslotteriegesellschaften.

Nach Überzeugung des Verwaltungsgerichts werden durch die Jackpot-Werbung der Landeslotteriegesellschaften die Gewinnwünsche der Bürger angeregt und bislang Unentschlossene zum Mitspielen angeregt. Oftmals werde der in Aussicht gestellte hohe Gewinn mit einem künftig (vermeintlich) besseren Leben, ohne den Zwang, den Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen zu müssen, verknüpft, um Gewinnbegehrlichkeiten zu wecken. Somit werden mit der Jackpot-Werbung nicht nur bereits vorhandene Spielleidenschaften angesprochen, um sie in geordnete Bahnen zu lenken (das wäre der Auftrag des GlüStV), sondern sie ruft bei bislang nicht Spielinteressierten erstmalig Spielanreize bzw. bei bereits Spielinteressierten ein gesteigertes Bedürfnis nach Glücksspielen hervor.

Darüber betreiben die staatlichen Lotteriegesellschaften nach Auffassung des Gerichts von den Monopolträgern eine unzulässige Image- und Sympathiewerbung. Als unzulässiger Anreiz zur Glücksspielteilnahme wirkten ferner die Verlautbarungen der Landeslotteriegesellschaften über Millionäre, insbesondere wenn sie mit der Angabe des vergleichsweise geringen Spieleinsatzes der betreffenden Gewinner verbunden würden.

Folglich kommt das Verwaltungsgericht München zu dem Schluss, dass die Regelungen in der Werberichtlinie und die darauf basierende Werbepraxis, für hohe Jackpot-Gewinne zu werben, weit über eine Kanalisierungs- und Lenkungsfunktion von am öffentlichen Glücksspiel interessierten Personen hinausgingen. Durch die praktizierte Jackpot-Werbung würden aktiv und deutlich Anreize gesetzt werden, an öffentlichem Glücksspiel oder Zahlenlotterien teilzunehmen. Durch eine solche Werbepraxis werde letztlich auch den Zielen des GlüStV (Kanalisierung des Spieltriebs, Bekämpfung der Spielsucht) nicht mehr genüge getan.

„Es war ein grober taktischer Fehler, dass sich die Länderchefs lediglich zu minimalinvasiven Eingriffen in den Glücksspielstaatsvertrag entschließen konnten.“

Das Gericht lehnt eine Neuverbescheidung des Genehmigungsantrags der Klägerin schließlich mit dem Argument ab, dass die (gesetzlich allerdings nicht als Voraussetzung geregelte) finanzielle Leistungsfähigkeit nicht hinreichend nachgewiesen worden sei. In der von der Bezirksregierung Oberpfalz an die Klägerin verschickten (nicht veröffentlichten) „Checkliste“ forderte sie allerdings lediglich die Vorlage eines sog. Vertriebskonzeptes.

Dabei ist die wirtschaftliche Bedeutung des rechtlich nicht mehr haltbaren Lotteriemonopols für die Bundesländer sehr groß. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts München dürften bei den Bundesländern, die seit dem grundlegenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. März 2006 mehr schlecht als recht versuchen, sich die Einnahmen aus der Lotterieveranstaltung auch weiterhin zu sichern, für Panikattacken sorgen. Die Länder – und wenn diese es nicht schaffen, dann der Bund – sind aufgefordert, endlich eine rechtlich haltbare Regelung zu schaffen. Dafür bedarf es eines großen Wurfs. Es war ein Fehler, dass sich die Länderchefs auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 17. März 2016 lediglich zu minimalinvasiven Eingriffen in das bestehende Regelungswerk des GlüStV entschließen konnten. So hatte das Land Hessen, nachdem das Sportwettkonzessionsverfahren von den Ländern aufgrund seiner unionsrechtswidrigen Ausgestaltung an die Wand gefahren worden war, einen Entwurf zur grundlegenden Neuregelung des Glücksspielwesens vorgelegt.

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