01.05.2003

Länger leben mit Chemie

Essay von Alexander Gourevitch

DDT könnte Millionen Afrikaner vor dem sicheren Malariatod bewahren – wenn die Umweltschützer es nur zuließen. Von Alexander Gourevitch.

Eigentlich gilt Uganda als Musterbeispiel für Fortschritt in Afrika. Unter Präsident Yoweri Museveni, einem ehemaligen Guerillakämpfer und Liebling der internationalen Spendergemeinschaft, ist Uganda ein jährliches sechsprozentiges BIP-Wachstum und die stufenweise Ausweitung politischer Freiheiten gelungen. Auf einem Kontinent der Armut und politischen Unordnung wurde Uganda langsam ein Modellbeispiel dafür, wie man die Dinge richtig macht. Sogar Aids, das vor einem Jahrzehnt noch geschätzte 20 Prozent der ugandischen Bevölkerung befiel, scheint unter Kontrolle zu sein.
Aber eine altmodischere Seuche hat Uganda wieder befallen: Malaria. Die von Moskitos übertragene Krankheit kostet Uganda im Jahr mehr als 347 Millionen Dollar. Heute werden bis zu 40 Prozent der Krankenpflegekosten des Landes für die Pflege von Malariakranken ausgegeben. Die Zahl der Neuerkrankungen ist so groß, dass die Regierung nicht einmal versucht, sie statistisch zu erheben. Im vergangenen Jahr starben 80.000 Menschen an der Krankheit, die Hälfte davon waren Kinder unter fünf Jahren.
So gab letzten Dezember Jim Muhwezi, Armeeoffizier und Parlamentsmitglied, der heute als Gesundheitsminister von Uganda fungiert, auf einer Versammlung regionaler Gesundheitsminister in Kampala den Beginn einer neuen Kampagne gegen die Epidemie bekannt, bei der Dichlor-Diphenyl-Trichlorethan, bekannt als DDT, verwendet werden solle. Muhwezi erschien DDT – ein in Europa geächtetes und in den USA seit 1972 verbotenes Pestizid – in einem armen Land mit einem minimalen öffentlichen Gesundheitssystem als eine kostengünstige, effektive Waffe gegen Malaria. In Südafrika hatte kürzlich die Wiedereinführung von DDT-Besprühung die Malariafälle in zwei Jahren um 75 Prozent reduziert. „Anstatt sich zurückzulehnen und unsere Leute an Malaria sterben zu sehen und wirtschaftliche Verluste zu ertragen“, proklamierte er, „müssen wir die Krankheit mit allen Mitteln bekämpfen.“
Muhwezi stieß jedoch sofort auf Widerstand. Im Anschluss an seine Ankündigung berichtete Andrew Sisson, ein Offizieller der amerikanischen Hilfsorganisation USAID, der der Konferenz in Kampala beiwohnte, dass man in den USA die Ansicht vertrete, DDT „verursache Umweltprobleme“. Ein ugandisches Parlamentsmitglied warnte Muhwezi, dass Europa und die Vereinigten Staaten Importe von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Fisch aus Uganda verbieten könnten. Da USAID es vorzieht, die Anschaffung großer Moskitonetze zur Lösung von Ugandas Mückenproblem zu finanzieren, ist sich Muhwezi nicht sicher, ob er internationale Unterstützung für ein DDT-basiertes Projekt zur Ausrottung der Malaria erhalten wird. „Wir hoffen, sie ziehen mit. Aber wenn nicht, machen wir es alleine.“
Bis vor kurzem wäre man geneigt gewesen, dies für Uganda als tragischen, aber unvermeidlichen Tauschhandel zu betrachten – vielen eine nicht verseuchte Umwelt zu verwehren oder einige vor der Malaria zu retten. Schließlich gilt in vielen Teilen der Welt DDT als eine toxische Chemikalie, die das Grundwasser verschmutzt und die Nahrungskette vergiftet; in den Vereinigten Staaten erinnert man sich an DDT, da es dafür verantwortlich gemacht wurde, dass der Weißkopfseeadler, das amerikanische Wappentier, auf die Liste der bedrohten Tierarten gesetzt werden musste. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse deuten jedoch darauf hin, dass diese gängige Meinung falsch ist. Ältere Studien zu den Auswirkungen von DDT werden angezweifelt, und neuere wehren sich gegen die Annahme, dass DDT grundsätzlich eine Gefahr darstelle. Im Rahmen der Verwendung, die Muhwezi im Sinn hat, ist DDT vielleicht gar nicht gefährlich.
Uganda ist nur eines von vielen afrikanischen Ländern, das unter Malaria leidet. Von den weltweit zwei Millionen Toten und 300 Millionen Neuinfizierten jährlich stammen 90 Prozent aus Afrika, und die hieraus entstehenden Kosten belaufen sich auf 1,3 Prozent des kontinentalen Wirtschaftswachstums. Die Insekten entwickeln Resistenzen gegen die Pestizide, die DDT hauptsächlich ersetzt haben; und auch der Parasit, der die Krankheit verursacht, ist in jüngster Vergangenheit gegen das gängigste und billigste Medikament, Chlorozin, immer widerstandsfähiger geworden. Trotzdem sperren sich die meisten internationalen Hilfsorganisationen, Entwicklungshilfe-Unternehmen und Kreditinstitute dagegen, Besprühungsprojekte im Allgemeinen und den Einsatz von DDT im Besonderen zu unterstützen. Ohne Hilfe können die afrikanischen Regierungen sich solche Programme jedoch nicht leisten. Die ablehnende Haltung gegenüber dem Einsatz von DDT durch Hilfsorganisationen und Regierungen kann damit enden, dass in Afrika unnötigerweise Millionen Menschen sterben.

„In wenig mehr als zwei Jahrzehnten hat DDT den Malariatod von 500 Millionen Menschen verhindert.“

Bittere Medizin?

DDT wurde in den späten 30er-Jahren in den Vereinigten Staaten bekannt, als Dr. Paul Muller, ein Chemiker der schweizerischen Firma J.R. Geigy, herausfand, dass bereits kleinste Mengen fast jedes Insekt töteten. Durch seine bis zu einem Jahr anhaltende Wirkung konnten die Besprühungsprogramme durch den Einsatz von DDT erheblich vereinfacht werden. Zudem war DDT billig in der Herstellung, leicht zu transportieren und beanspruchte nicht die ausufernden Sicherheitsvorkehrungen anderer Insektizide. Ebenso bemerkenswert war, dass, auch wenn manche Mücken eine Resistenz gegen die giftige Wirkung des DDT entwickelten, es immer noch eine abschreckende und irritierende Wirkung hatte, die nachtaktive Insekten aus den Wohnungen vertrieb.
Auch das US-Militär verwendete 1942 DDT, um Krankheiten wie Malaria, Dengue-Fieber und Typhus zu bekämpfen, die den US-Kampftruppen insbesondere im pazifischen Raum schwer zu schaffen gemacht hatten. Das Armeepersonal besprühte Soldaten, ganze Landstriche und entlauste sogar die Überlebenden der Konzentrationslager mit DDT. Nach dem Krieg wurde DDT wirtschaftlich genutzt und im öffentlichen Gesundheitswesen eingesetzt. Landwirte nutzten DDT zum Schutz von wertvollen Gewächsen wie Baumwolle, Mais und Äpfeln. Etwa zur gleichen Zeit startete die US-Regierung ein ambitioniertes DDT-basiertes Projekt zur Ausrottung von Malaria, mit dem die Krankheit in den frühen 60er-Jahren in Südeuropa, der Karibik und Teilen von Ost- und Südasien gänzlich ausgerottet werden konnte. (In Indien ging die Zahl der jährlichen Todesfälle beispielsweise von 800.000 auf Null zurück.) Muller erhielt für seine Entwicklung 1948 sogar den Medizin-Nobelpreis. „Der Mensch schuldet nur wenigen Chemikalien so viel wie DDT“, erklärte die National Academy of Sciences 1970 in einem Bericht. „In wenig mehr als zwei Jahrzehnten hat DDT den Malariatod von 500 Millionen Menschen verhindert.“
Doch dann drehte der Wind zu Ungunsten von DDT. In den 60er-Jahren kamen erste Berichte auf, dass die Widerstandsfähigkeit von Insekten gegen das Mittel wachse, eventuell ausgelöst durch den verbreiteten DDT-Einsatz in der Landwirtschaft. Zeitgleich entstand als neues Modell der Malariakontrolle die Einzelfallermittlung und -behandlung. 1979 ersetzte die Weltgesundheitsorganisation das vorbeugende Versprühen von Insektiziden durch diesen neuen Ansatz.
Am wichtigsten war jedoch die Veröffentlichung von Rachel Carsons Buch Silent Spring von 1962 (in Deutsch erschienen unter dem Titel Stummer Frühling). Das Buch ist eine lyrische Breitseite gegen synthetische Chemikalien im Allgemeinen und gegen DDT im Besonderen. Carson beschrieb, dass DDT, das in den Boden einsickere und in die Flüsse gelange, von Würmern und Fischen in deren Fettpolstern eingelagert werde. Mit der Zeit nähmen Singvögel wie das Rotkehlchen oder der Weißkopfseeadler so viel kontaminierte Beute auf, dass sie an DDT-Vergiftung stürben. Wenn sie nicht sofort stürben, warnte Carson, verhindere DDT die Reproduktion durch Beeinflussung der Eierschalen, wie Studien bewiesen. Carson führte als Beweis auch Studien an Ratten ins Feld und sammelte Anekdoten über Schäden bei Menschen, wie die eines Landwirts, dessen Knochenmark sich nach dem wiederholten Einatmen einer Mixtur aus DDT und Benzol, das er zum Besprühen seiner Felder verwendete, zersetzte.
Silent Spring wurde zu einem Motor der modernen Umweltbewegung. Der Environmental Defense Fund verbiss sich in eine nationale Kampagne und schlug Alarm und zog gegen den Einsatz von DDT vor Gericht. Die neu gegründete Environmental Protection Agency (EPA) sah sich genötigt, eine Reihe von Anhörungen zu DDT abzuhalten. Die Kritiker waren so erfolgreich, dass die EPA 1972 den Einsatz von DDT verbot, obwohl der Vorsitzende Richter nach den Anhörungen feststellte, dass „DDT keine karzinogene, mutagene oder den Boden belastende Bedrohung für den Menschen darstellt“. (Die Chemieunternehmen indes waren natürlich mehr als willig, weniger praktische, aber teurere Alternativen bereitzustellen.)
Das US-Verbot war der Wendepunkt in der Geschichte des DDT; die Abneigung gegen den Stoff „globalisierte“ sich: Umweltschutzorganisationen starteten Kampagnen gegen seinen Einsatz, wohlhabende Länder kürzten Subventionen für DDT-Projekte, und auch die WHO schloss sich dieser Haltung an. Im Jahr 2000 machte eine Gruppe von Umweltaktivisten, angeführt vom World Wild Fund for Nature (WWF), Stimmung für die „Konvention von Stockholm über persistente organische Schadstoffe“, die weltweit den Einsatz von DDT für jegliche Belange verbieten sollte. Die Konvention trat im Mai 2001 in Kraft, in allerletzter Minute konnte eine Ausnahme – für den Einsatz im Rahmen der öffentlichen Gesundheit – erreicht werden.

Wiederaufnahmeverfahren für einen Aussätzigen

Im Laufe der Jahre hat die Wissenschaft DDT von seinen vermeintlichen Sünden freigesprochen. Tatsache ist, dass die Stockholmer Konvention zum Teil einen gegenteiligen Effekt erzielte, denn sie beförderte eine ganze Serie von Studien und Literatur zu Tage, die den konventionellen Gewissheiten über DDT widersprachen. Wie nahezu jedes chemische Mittel ist DDT in hohen Dosierungen schädlich. Was aber die einst in den Vereinigten Staaten und im Ausland erlaubten Anwendungsgebiete betrifft, so gibt es keine solide wissenschaftliche Erkenntnis darüber, dass der Umgang mit DDT Krebs auslöste oder in anderer Weise für den Menschen schädlich war.
Nicht eine einzige Studie hat bisher den Einfluss der DDT-Anwendung auf Vergiftungserscheinungen bei Menschen untersucht. Mary Wolff, Professorin am Mount Sinai Medical Center, veröffentlichte 1993 eine kleine Untersuchung, die DDT mit dem Auftreten von Brustkrebs in Verbindung bringt. Aber keine der zahlreichen Nachfolgeuntersuchungen – inklusive eines fünf Studien umfassenden Berichtes, der auf der Untersuchung von 1400 Frauen mit Brustkrebs basierte – konnten diese Verbindung belegen. David Hunter, Epidemiologe an der Harvard University, der eine dieser Nachfolgeuntersuchungen leitete, sagt zu der angeblichen Verbindung von DDT und Brustkrebs: „Die Studien haben dieser Idee wirklich den Todesstoß versetzt.“

„Da DDT nicht durch die Haut aufgenommen wird, ist es unwahrscheinlich, dass die in geschlossenen Räumen gesprühten Mengen eine Gefahr darstellen.“

Auch Verbindungen zu anderen Krankheiten blieben bis heute unbestätigt. In seinen Hochphasen wurde DDT beispielsweise mit einer Bandbreite gefährlicher Chemikalien gemischt, etwa mit Petroleumderivaten. In jeder Anekdote über Tod oder Schaden durch DDT, die Carson in ihrem Buch anführte, war die Chemikalie in einer anderen, hochgiftigen Substanz wie Benzin, Petroleumdestillaten, Benzol oder Methylnaphtalin aufgelöst worden. Solcherlei „Gemische mit anderen Chemikalien oder Lösungsmitteln“ waren, wie ein Artikel im Medizinmagazin The Lancet im Jahr 2000 feststellte, verantwortlich für viele der bekannt gewordenen „Todesfälle durch DDT“. Aber nicht einmal diese Gefahren erstrecken sich auf den Einsatz für öffentliche Gesundheit, bei dem DDT in Wasser gelöst und als dünner Film versprüht wird.
Das heißt nicht, dass DDT harmlos ist. Matthew Longnecker untersuchte Frauen, die in der Zeit extensiven DDT-Gebrauchs lebten und kam zu dem Schluss, dass eine große Menge DDT im Blutkreislauf schwangerer Frauen beispielsweise Frühgeburten und geringes Geburtsgewicht verursachen könnte. Aber die Dosierungen im öffentlichen Einsatz – zwei Gramm pro Quadratmeter, versprüht in geschlossenen Räumen im Abstand von höchstens sechs Monaten – sind nicht ausreichend, diese Konzentrationen zu verursachen. Da DDT nicht durch die Haut aufgenommen wird, ist es unwahrscheinlich, dass die in geschlossenen Räumen gesprühten Mengen schwangere Frauen – oder irgendjemand anderen – einer Gefahr aussetzen. Und es existieren kaum Beweise dafür, dass DDT in bemerkenswerten Mengen in die Umwelt gelangt, wenn es in geschlossenen Räumen versprüht wird. Gemäß dem WHO-Bericht aus dem Jahr 2000 „reduziert die gezielte Anwendung von Insektiziden innerhalb geschlossener Räume das Eindringen von Chemikalien in die Umwelt erheblich. Aus diesem Grund werden die Risiken für die Umwelt durch derart gezielte Maßnahmen als minimal angesehen.“
Der landwirtschaftliche Einsatz von DDT ist eine andere Sache, da hierbei buchstäblich Tonnen dieser Chemikalie alle paar Wochen im Freien versprüht werden. Aber fast niemand, der den Einsatz von DDT zur Bekämpfung von Malaria befürwortet, fordert auch dessen Rückkehr als landwirtschaftliches Pestizid. Das ideale Pestizid bleibt am Getreide haften bis zum Zeitpunkt der Ernte und löst sich dann auf. DDT hingegen ist langlebig und benötigt eine lange Zeit, um abgebaut zu werden – dies ist der Grund, dass es sich in der Umwelt über die Zeit hinweg ansammelt. „Auch wenn es bislang keinen Beweis dafür gibt, dass es schädlich für den Menschen ist, ist es nicht sinnvoll, das Risiko einzugehen, wenn andere Pestizide, die für den landwirtschaftlichen Einsatz besser geeignet sind, zur Verfügung stehen“, sagt Donald Roberts, Experte für Tropenkrankheiten an der Uniformed Services University of Health Sciences in Bethesda, Maryland.
Trotz allem weigern sich Umweltaktivisten, zwischen dem landwirtschaftlichen Einsatz und dem für die öffentliche Gesundheit zu unterscheiden. Richard Liroff, ein Sprecher des WWF, sagt, „die meisten ihrer Argumente“ gegen das Sprühen von DDT basierten auf Studien wie der Longneckers. Aber die eindeutigen Vorteile des Einsatzes von DDT könnten mögliche Gefahren ausbalancieren. Schließlich verursacht auch Malaria ein niedriges Geburtsgewicht bei Neugeborenen (sowie geistige Zurückgebliebenheit bei Kindern). Und während DDT noch unbekannte Nebenwirkungen haben könnte, hat Malaria sehr bekannte direkte Auswirkungen: sie tötet im Jahr Millionen von Menschen.

„Man muss den Mythos aus den Köpfen der Leute kriegen, dass DDT keine gute Chemikalie sei.“

Ökologisches Mea Culpa

Aber auch wenn die vorherrschende wissenschaftliche Meinung den Einsatz von DDT in Anti-Malariakampagnen favorisiert, holen sich internationale Hilfsorganisationen ihren Rat immer noch bei Umweltschutzgruppen. „Roll Back Malaria“ (RBM), ein von der WHO gesponsertes Konsortium von Hilfsorganisationen, internationalen Institutionen und NGOs, hat einen 40-seitigen Plan zur Reduktion der Abhängigkeit von DDT erarbeitet mit dem Ziel, seinen Einsatz für Zwecke der öffentlichen Gesundheit möglicherweise zu verhindern. Gewöhnlich befolgen die internationalen Geber, die die meisten der Anti-Malariakampagnen bezahlen, die technischen Richtlinien der RBM. „Unter dem Strich bleibt festzustellen, dass die RBM die endgültige Eliminierung von DDT aus der Malaria-Werkzeugkiste bevorzugt“, sagt Dr. John Paul Clark, ein ehemaliger Berater der RBM mit ausgewiesenem Fachwissen in Bezug auf DDT, wenngleich er eingesteht, dass „es eine Anzahl von Ländern gibt, die zum jetzigen Zeitpunkt weder wirtschaftlich noch epidemiologisch in der Lage sind, diesen Wechsel zu vollziehen“.
Wenige Organisationen lehnen de facto DDT-Projekte ab, noch weniger halten allerdings Gelder für Projekte dieser Art bereit. Keine internationale Hilfsorganisation finanziert den Einsatz von DDT. Momentan finanziert die Weltbank ein Malariakontroll-Projekt in Eritrea unter der Bedingung, dass das Land kein DDT benutzt. Die kürzlich gegründete Global Environmental Facility hat Projekten in Afrika und Südamerika Geld zugesprochen mit der Absicht, den Empfängernationen von DDT abzuraten. In einem Statement per E-Mail hat mich das Malaria-Team der USAID informiert, dass seine „Aktivitäten darauf ausgerichtet sind, die Abhängigkeit von dem Pestizid DDT zu reduzieren“. Sie „bevorzugen Prävention, medizinische Intervention und in Pyrethroid getränkte Moskitonetze“. Richard Tren, Vorsitzender einer Gruppe, die sich Africa Fighting Malaria nennt, gibt an, internationale Hilfsorganisationen in Schweden, Großbritannien, Norwegen, Japan und Deutschland hätten ihm mitgeteilt, sie würden keine DDT-Projekte finanzieren, ebenso wenig wie UNICEF. Und da sie nicht die Mittel besitzen, nationale Projekte dieser Größenordnung selbstständig zu entwickeln, beugen sich die meisten afrikanischen Länder den Anforderungen dieser internationalen Geldgeber.
Die Alternativprojekte, die die Hilfsorganisationen finanziell unterstützen, sind entweder weniger effektiv, teurer, schwerer zu steuern oder völlig unangemessen. Nur wenig erfolgreich waren „umweltfreundliche“ Versuche mit mückenabweisenden Bäumen oder mückenlarven-fressenden Fischen. Das Pestizid Pyrethroid wurde ursprünglich als biologisch abbaubare Alternative zu DDT entwickelt, aber die wachsende Widerstandsfähigkeit der Mücken in ganz Afrika macht es zunehmend unnütz. Andere Ersatzpestizide wie Karbonsäure-Salze oder organische Phosphate haben sich als nicht sicherer oder effektiver als DDT erwiesen; den meisten fehlt zudem die Fähigkeit von DDT, Mücken abzuwehren, auch wenn sie schon resistent geworden sind. DDT ist mindestens viermal billiger als die günstigste Alternative – auch wenn es immer noch nur in einer einzigen indischen Fabrik produziert wird – und muss weniger häufig versprüht werden. Dies sind zwei enorme Vorteile für arme afrikanische Länder mit minimaler Infrastruktur, wo jeder Dollar, der nicht dazu ausgegeben wird, Malaria unter Kontrolle zu bringen, in andere Einsatzgebiete der öffentlichen Versorgungssysteme fließen kann, wie beispielsweise die Versorgung mit sauberem Wasser. „DDT hat eine Langzeitwirkung, die Alternativen haben dies nicht“, sagt Donald Roberts. „DDT ist billig, die Alternativen sind es nicht. Ende der Geschichte.“
Amir Attaran, ehemaliger Malariaexperte bei der WHO, unterstützte einst die Finanzierung alternativer Pestizide, änderte aber nach Erfahrungen in Südafrika seine Meinung. „Wenn es Südafrika nicht ohne DDT schafft, kann man wohl sagen, dass es niemand anderes schafft“, sagt Attaran. „Sie haben wirklich versucht, das Zeug loszuwerden und sie hatten das Budget, Alternativen einzusetzen… Sie haben es versucht und versagt.“ Südafrika hatte Mitte der 90er-Jahre von DDT auf Pyrethroid gewechselt, war aber 2000 zu DDT zurückgekehrt, da die Mücken Resistenzen gegen Pyrethroid entwickelt hatten und die Zahl der Malariafälle raketenartig anstieg.
Es ist schwierig, von den Hilfsorganisationen eine klare Antwort zu erhalten, weshalb sie den Einsatz von DDT nicht finanzieren würden. Sie mögen zögerlich sein, weil es widersprüchliche Ansichten und Handlungsanweisungen gibt: Nationale DDT-Verbote stehen im Konflikt mit WHO-Richtlinien, die besagen, es sei sicher und effektiv; diese kollidieren wiederum mit dem Entwurf von Roll Back Malaria, demzufolge DDT völlig verboten werden sollte. Keiner scheint den Kopf hinhalten und die Dinge regeln zu wollen. Am wichtigsten ist jedoch, dass bereits unterfinanzierte westliche Hilfsorganisationen davor zurückschrecken, DDT zu finanzieren, da dieser Schritt die latenten DDT-Ängste bei Bürgern wohlhabenderer Länder mobilisieren und deren Spendenbereitschaft drosseln könnte. Verschiedene Experten sagten mir, sie hätten vor allem Angst vor Auseinandersetzungen mit der Lobby der Umweltschützer. Als Attaran vor zwei Jahren in einem Rundbrief gegen das völlige Verbot von DDT protestierte, zog ihm der Vorsitzende von Roll Back Malaria das Fell über die Ohren, weil er die Verbindungen der RBM mit Umweltschutzgruppen untergraben habe. Attaran, ehemals Anwalt des Sierra Club, ist der Ansicht, die Umweltschützer sollten ihre lang gehegten Vorurteile überdenken. „Sie sollten tun, was auch die Pharmazieunternehmen beim Thema Verfügbarkeit von Aids-Medikamenten getan haben: Sie sollten ihre Schuld anerkennen.“

„Die afrikanischen Regierungen wissen, was sie brauchen, um Malaria zu kontrollieren – sie brauchen bloß das notwendige Geld.“

„Es kann nicht so schwer sein“

Das bedeutet nicht, dass jeder Dollar für Anti-Malariahilfe in die Verwendung von DDT investiert werden soll. Sinnvoll ist es, zwischen der Finanzierung verfügbarer und der Investition in neue Maßnahmen zu gewichten. Gegenwärtig wird jedenfalls zu wenig Geld für DDT ausgegeben. Örtliche Bedingungen werden den Handlungsspielraum vorgeben; in einigen Gebieten wird DDT weniger effektiv sein als andere Mittel; entsprechend sollte die Finanzierung angemessen und offen sein, so dass Länder ausprobieren können, was für sie richtig ist. Brian Sharp beispielsweise führt an, dass das Geld in rotierende Besprühungsprogramme fließen könnte, bei denen DDT im Wechsel mit anderen Insektiziden eingesetzt wird, um zu verhindern, dass sich bei den Mücken Widerstandskräfte bilden, und um somit die Schlagkraft von nicht-DDT-basierten Alternativen auszuweiten. Aber der Widerstand gegen DDT hat sogar diesen Kompromiss unmöglich gemacht.

Ein Schuldbekenntnis der Umweltaktivisten wäre ein Anfang; in den Vereinigten Staaten wird aber nur eine Anhörung im Kongress oder eine Anordnung der Bush-Administration USAID dazu veranlassen, die eingeschlagenen Pfade zu verlassen. Der direkteste Weg wäre, das EPA-Verbot von DDT zu überdenken, zusammen mit einem ausdrücklichen Mandat, einen Teil des Hilfsbudgets für die Besprühung mit DDT zu verwenden, sofern die betroffenen Länder dies wünschen. Momentan verfolgt USAID in Uganda das Ziel, wenigstens 60 Prozent der Bevölkerung Zugang zu Medikamenten und Moskitonetzen zu verschaffen; Jim Muhwezi möchte, dass USAID seine Ziele höher steckt.
Aber es ist nicht einfach, sie zum Zuhören zu veranlassen. In der Tat hat das benachbarte Tansania DDT nicht angewandt, weil es unter anderem als „zu kontrovers“ angesehen wird, wie Alex Mwita, Manager des Tansania National Malaria Control Programms, ausführt. „Man muss den Mythos aus den Köpfen der Leute kriegen, dass DDT keine gute Chemikalie sei.“ Das sollte so schwer nicht sein. Die afrikanischen Regierungen wissen, was sie brauchen, um Malaria zu kontrollieren – sie brauchen bloß das notwendige Geld. Wie Mwita sagt auch Brian Sharp, er warte darauf, dass der Westen seine „fehlgeleitete Abneigung gegenüber DDT“ überwinde. Dies tut auch Afrika.

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