10.07.2015

Guter Ansatz, schwach umgesetzt: Tomorrowland mit George Clooney

In unserer von Fortschrittspessimismus geprägten Zeit wünscht man sich mal wieder ein Hollywood-Meisterwerk, das einem Glauben an die Zukunft vermittelt. Tomorrowland gelingt das trotz Staraufgebot nicht. Inhalt und Botschaft sind zu seicht. Eine Kritik von John A.

Spoileralarm: Die folgende Filmkritik dreht sich um die Handlung des Films, wenn Sie also vorhaben, ihn sich noch anzusehen, lesen Sie bitte nicht weiter. Sie sind noch dabei? OK.

Die Handlung geht so: Im Jahr 1964 bringt ein Junge den Prototypen eines Jetpacks zur Weltausstellung nach Chicago. Dort trifft er ein mysteriöses junges Mädchen, das ihm ein magisches Amulett gibt, mit dessen Hilfe er sich in ins „Tomorrowland“ transferieren kann, einer wunderschönen und verführerischen utopischen Welt, in der die Ingenieurskunst alle Probleme gelöst hat, offenbar ohne von Politik oder Religion behindert worden zu sein. Eine junge Protagonistin in der Gegenwart möchte ihrem Vater, einem Ingenieur, nacheifern, wird aber durch pessimistische Vorstellungen über das Klima, die Umwelt oder die Zukunft einer friedlichen Gesellschaft, die ihr und anderen Kindern in der Schule als überlieferte Weisheiten beigebracht werden, daran gehindert. Unter anderem versucht sie durch Sabotage zu verhindern, dass die Raketenabschussrampen in Cape Canaveral abgebaut werden, ein Unterfangen, welches ihr Vater widerstrebend durchführen muss – als letzten Auftrag vor seiner kommenden Arbeitslosigkeit.

Auch sie kommt plötzlich in Kontakt mit dem magischen Amulett, welches ihr einen Blick in das zukünftige Tomorrowland ermöglicht, in Form einer Art allumfassenden Hologramms. Sie begegnet auch demselben mysteriösen Mädchen, das ihr dabei hilft, den inzwischen erwachsenen Jungen zu finden, der jetzt von George Clooney gespielt wird. Clooney sagt ihr, dass die Welt, wie sie sie kennt, in weniger als 60 Tagen enden wird und sie nichts dagegen tun kann.

„Mit Optimismus und Ingenieurswissenschaften erschaffen wir Utopia“

Mit Hilfe von jeder Menge Computeranimation und einem lächerlichen Raketenstart vom Eiffelturm begeben sie sich ins Tomorrowland, wo sie den pessimistischen Präsidenten treffen (gespielt von Hugh Laurie). Dann, nach weiteren melodramatischen Szenen und noch unglaubwürdigeren Spezialeffekten, geht die Welt doch nicht unter. Ihr Vater und ihr Bruder werden mit ihr im Tomorrowland vereint und Ende. Selbstverständlich gibt es noch ein wenig mehr Handlung im Film, aber nicht sonderlich viel. Aber ich kann die gesamte Prämisse des Films kurz und bündig so zusammenfassen:

„Welche Herausforderungen auch immer vor uns liegen, mit Optimismus und Hilfe der Ingenieurwissenschaften können wir das Utopia von Tomorrowland erschaffen. Pessimismus und Technikfeindlichkeit hingegen wird die selbsterfüllende Prophezeiung des Untergangs herbeiführen.“

Das war’s. Die gesamte Botschaft des Films steht in diesem Satz.

Obwohl der Film in den USA von beiden Lagern der polarisierten und ideologisch geführten Klimadebatte kritisiert wurde, bezieht er zu Fragen der globalen Erwärmung, zum Klimawandel, zu steigenden Meeresspiegeln, zur Zerstörung der Ökosysteme oder zu der Frage, ob man daran glauben sollte oder nicht, keine Stellung. Er dreht sich ausschließlich um den Gegensatz zwischen optimistischer, utopischer Zukunftssicht und dystopischem Pessimismus. Trotz der Geldmengen, die in die Spezialeffekte gesteckt wurden und trotz der heldenhaften Anstrengungen von George Clooney und Hugh Laurie, dieser etwas dürren Prämisse etwas Tiefes und Bedeutungsvolles zu geben, geht es im Kern dieses Films eigentlich mehr um Walt Disneys optimistischen Blick auf die Zukunft aus der Sicht der 1960er-Jahre und des EPCOT-Centers während des Wettlaufs zum All als einen Gegenentwurf zur heutigen pessimistischen Sicht, die besagt, dass von allen Seiten Probleme auf uns einstürzen und dass niemand versucht, die Dinge zu regeln, weil wir alle zu pessimistisch sind oder nur auf uns selbst und auf unser Geld fixiert sind.

Öko-Pessimismus kommt nicht aus Hollywood

Woher kommt aber der Pessimismus? Ganz sicher durch die Umweltbewegung, durch die Untergangspropheten wie Rachel Carson und Paul Ehrlich, den Aufstieg von Greenpeace, dem Sierra Club, vom Worldwatch Institut bis zum Weltklimarat. Der Umweltpessimismus und die Überzeugung, dass die Erde stirbt, ohne dass es jemanden kümmert, ist durchgängiges Narrativ in westlichen Gesellschaften – so sehr und so offensichtlich, dass es nicht einmal mehr diskutiert wird. (Ganz bestimmt ist der übermächtige Pessimismus der Umweltbewegung der Gegner der Protagonisten des Films).

Der Umstand, dass angeblich wissenschaftliche Zeitschriften wie Nature oder New Scientist Artikel publizieren, die unterstellen, dass der Mensch nur von der Erde verschwinden müsse, und die Erde würde „heilen“, ist ein Spiegelbild jahrtausendealter Prophezeiungen der Apokalypse, in der nur wenige Auserwählte gerettet würden, um in einem zukünftigen Paradies zu leben, während die Erde unterginge. Dieselbe rauschhafte Mythologie, nur mit einem anderen gewünschten Ergebnis. Beide Stories sind religiöse Erzählungen über die Zerstörung der Erde durch die Sünden der Menschheit, nur dass die eine als Wissenschaft, die andere als Religion publiziert und verkauft wird. In meinen Augen gibt es zwischen beiden keinen Unterschied.

Wenn ich mir die wissenschaftliche Welt momentan so ansehe, dann herrscht in den Künsten, den Sozialwissenschaften ebenso wie in der Klimawissenschaft die totale Übernahme des dystopischen Pessimismus. Optimismus ist an den meisten Universitäten seltener als Hühnerzähne. Wer will schon Ingenieuren zuhören, die davon reden, ins Weltall zu fliegen, wo wir doch all diese ungelösten Umweltprobleme haben?

„Es kam mir vor wie ein einfaches Märchen für Kinder“

Zurück zum Film: Warum ist er kein großes Kino? Aus meiner Sicht ist die zugrundeliegende Prämisse des Films zu dünn, um ihr dramatisches Gewicht geben zu können. Trotz der spektakulären Effekte (oder vielleicht gerade wegen ihnen) hatte ich nie die Sorge, dass einer der Charaktere ernsthaft in Gefahr sei oder meines Mitgefühls bedürfe. Die übertriebenen Spezialeffekte ließen die Story noch dünner wirken, als sie es ohnehin schon war. Die Dialoge kann man vergessen. Die Bemühungen der Darsteller, insbesondere die der frühreifen Raffey Cassidy, ebenso wie die heldenhaften Anstrengungen von Clooney und Laurie, ihren Charakteren Tiefe zu geben, konnten schlussendlich den dünnen Plot nicht vor der Überfrachtung durch CGI und allseitigem „Hmmm…“ aus dem Publikum retten.

Es kam mir vor wie ein einfaches Märchen für Kinder, mit der Moral von der Ge‘schicht, dass die Hoffnung immer über die Angst siegt. Mehr war es nicht. Für mich ist das der Hauptgrund dafür, warum Tomorrowland nicht als Filmkunst taugt.

Walt Disney hätte den Autoren sicher gesteckt, dass Drehbücher, die Oscars für den besten Film gewinnen, wesentlich bedeutender sind als solche, die nach den Oscars für die besten Spezialeffekte oder die beste Kostüme schielen.

Tomorrowland kostete angeblich 200 Mio. US-Dollar und wird wohl keinen Gewinn einfahren. Eine auf ironische Weise pessimistische Erwartung für einen Film, der sich so viel Mühe gibt, für Optimismus zu werben.

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