20.06.2013

Grüne NGOs: Gescheitert. Petition für unabhängige Risikoforschung im Bereich Bio- und Gentechnik

Von Gerd Spelsberg

Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein. Die Petition für unabhängige Wissenschaft der großen Anti-Gentechnik-Organisationen findet keine Unterstützung bei der Bevölkerung. Weil sie keine unabhängige, sondern moralisierte Forschung fordern, meint Gerd Spelsberg.

Eine Bundestagspetition für „Unabhängige Risikoforschung zu gentechnisch veränderten Pflanzen“ ist gescheitert: Nur knapp 3500 Unterzeichner [1] kamen innerhalb von vier Wochen zusammen. Das Quorum von 50.000, bei dem sich der Bundestag mit dem jeweiligen Thema beschäftigen muss, wurde um Längen verfehlt. Erstaunlich, wo doch die in der Gesellschaft virulente Abneigung gegen die Agro-Gentechnik sich sonst bei jeder Gelegenheit in langen Unterschriftenlisten niederschlägt. Das Misstrauen gegen Behörden und die „offizielle“ Wissenschaft ist groß und der Vorwurf allgegenwärtig, sie seien mit der Agro-Industrie verbandelt (wenn nicht gar von ihr gekauft). Eigentlich ein leichtes Spiel, um Politik und vor allem die wissenschaftsnahen Behörden wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) [2] gehörig unter Druck zu setzen. Umso mehr erstaunt das Debakel der Petition. Und es war ja nicht irgendwer, der sie lanciert und in den sozialen Netzwerken gepusht hat, sondern die großen Akteure der Zivilgesellschaft [3]: Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), der Naturschutzbund Deutschland e.V. (Nabu), der Bund ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW), die Arbeitsgemeinschaft bäuerlicher Landwirtschaft (AbL), das Gen-ethische Netzwerk, Save our Seeds, Lobby Control [4] und noch ein paar andere. Warum nur mochten sich der in diesem Milieu fast selbstverständlichen Forderung, „die unabhängige Risikoforschung im Bereich Gen- und Biotechnologie zu stärken“, nur so wenige mit ihrer Unterschrift anschließen [5]?

„Sie reklamieren „Unabhängigkeit“ einfach und selbstverständlich für sich“

Sicher, viele mögen des ewigen Raunens über die unkalkulierbaren Gefahren der Grünen Gentechnik überdrüssig sein, aber vielleicht liegt es auch daran, dass der Schlüsselbegriff der Kampagne merkwürdig nebulös geblieben ist: Unabhängigkeit. Die Macher der Petition sagen nicht, was sie darunter verstehen, sie reklamieren „Unabhängigkeit“ einfach und selbstverständlich für sich. „Unabhängige“ Risikoforschung ist schlicht die, die nicht von der Agro-Biotech-Industrie (direkt oder indirekt) abhängig ist, sondern die sie selbst betreiben und die aus ihrem eigenen Umfeld finanziert wird. 
Aber ist es wirklich noch „unabhängige“ Wissenschaft, wenn sich einer der Träger der Petition, Christoph Then und sein Testbiotech-Institut, eine Studie über die Risiken gentechnisch veränderter Pflanzen [6] vom BÖLW finanzieren lässt? Oder der französische Toxikologe Gilles-Eric Séralini, Autor der berühmten, von der überwiegenden Mehrheit der Wissenschaftler heftig kritisierten Rattenstudie [7], zu dessen Auftraggebern [8] neben anderen auch Greenpeace zählt? Zudem finanzieren französische Supermarktketten [9] wie Carrefour und Auchan, die sich mit Produkten „ohne Gentechnik“ im Lebensmittelmarkt profilieren wollen, über den erklärtermaßen gentechnik-kritischen Verein CRIIGEN [10] Séralinis Projekte. Und gerade hat eine amerikanisch-australische Untersuchung [11] zur Verfütterung gentechnisch veränderter Pflanzen an Schweine (führt zu „ernsthaften Magenentzündungen“) Aufsehen erregt, deren Ko-Autor, Howard Vlieger, Präsident und Mit-Gründer von Vertiy Farms ist, einem US-amerikanischen Unternehmen, das Natural Foods und „gentechnik-freies“ Getreide vermarktet. Sowohl einige große Lebensmittel-Unternehmen als auch Bioverbände, Futtermittelhändler und andere Anbieter von Produkten, für die „ohne Gentechnik“ (Oettinger-Bier! [12]) zum Markenkern gehört, haben ein wirtschaftliches Interesse daran, dass Gentechnik weiterhin als etwas Unerwünschtes, Unnatürliches oder Gefährliches angesehen wird. Wäre das anders, entfiele ihre Geschäftsgrundlage. Und das gilt auch für BUND, NABU, Greenpeace & Co., für deren Spendenaufkommen die immer wieder neu geschürte Angst vor der Gentechnik äußerst nützlich ist.

Gleiche Spielregeln für Pro und Contra

Es ist keineswegs verwerflich, dass Unternehmen oder Verbände wissenschaftliche Studien in Auftrag geben und sich dafür Institute auswählen, von denen sie annehmen, dass sie auf gleicher Linie liegen. Und solche Studien sind nicht automatisch falsch und „unwissenschaftlich“, nur weil sie von Unternehmen finanziert werden. Aber das gilt für beide Seiten, also pro und contra Gentechnik. (Und solche im Kontext von Interessen entstandenen Studien sind nicht nur nicht falsch sondern in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung sogar notwendig.) Dass Testbiotech in einer etwa vom NABU finanzierten Studie herausfindet, der neue gentechnisch veränderte SmartStax-Mais sei eigentlich nicht gefährlicher als herkömmlicher Mais, ist ebenso unwahrscheinlich wie dass ein von Monsanto beauftragtes Institut wegen nicht geklärter Sicherheitsprobleme vor einer Markteinführung warnt. Und darum kann Risikoforschung, in die – ganz gleich von welcher Seite – wirtschaftliche Interessen hineinspielen, nicht „unabhängig“ sein. Das ist dann auch das große Versäumnis der Petition. Sie spricht einer Seite – Unternehmen und „etablierter“ Wissenschaft – jede Unabhängigkeit ab, während sie diese ganz selbstverständlich für ihre eigenen Interessen in Anspruch nimmt. Die Petition fordert nicht solide, überprüfbare und im besten Sinne „unabhängige“  Wissenschaft, sondern eine, die von vornherein – aus der eigenen Weltsicht heraus – auf der richtigen, der moralisch „guten“ Seite steht. Unabhängigkeit in der Wissenschaft leitet sich eben nicht aus einer bestimmten politischen oder weltanschaulichen Haltung ab, sondern aus der wissenschaftlichen, ergebnisoffenen Methodik und Arbeitsweise. Wenn die Petition das zum Ausdruck gebracht hätte, wäre sie vielleicht erfolgreicher gewesen.

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