01.04.2001

Grüne Gentechnik: Gesundes Risiko

Essay von Gregory Conko

Die Chancen der Grünen Gentechnik sind groß, das Welternährungsproblem durch verbesserte Nutzpflanzen in den Griff zu bekommen. Doch verteuert und verhindert die Anti-Gentechniklobby die Weiterentwicklung auf diesem Gebiet. Von Gregory Conko.

In den kommenden hundert Jahren wird die Menschheit Armut und Hungersnöte auf neue Art bekämpfen können – durch die Fortschritte in der Gen- oder Biotechnologie. Kritiker der Methode warnen davor, dass genetisch veränderte Organismen (GVO) der Umwelt Schaden zufügen und Lebensmittel vergiften könnten. Durch derartige Organismen ließe sich aber auch die Nahrungsmittelproduktion erhöhen und die Verwendung von Pestiziden und Herbiziden einschränken, wodurch Lebensmittel gesünder und kontrollierter produziert werden könnten. Solche Fortschritte wären ein entscheidender Durchbruch – bereits heute leiden 1,5 Milliarden Menschen an Hunger, Fehl- und Unterernährung. Diese Zahl wird sich, bei einer wachsenden Weltbevölkerung, in den nächsten fünfzig Jahren, sollte alles beim Alten bleiben, noch weiter erhöhen.

Häufig wird diese Behauptung leichtfertig als reine Propaganda der bio-chemischen Großkonzerne abgetan. Tatsächlich erhöhen die meisten bislang schon kommerziell angebauten genetisch modifizierten Pflanzen die Erträge nur geringfügig. Zudem stehen diese Pflanzen fast nur Landwirten in den Industrienationen zur Verfügung. Bisher haben die Verbraucher – und vor allem die Verbraucher in Entwicklungsländern – nur wenig von diesen Neuentwicklungen profitiert. Beschränkt sich die Kritik aber auf den Status quo, übersieht sie, dass bereits heute eine Reihe genetisch veränderter Pflanzen auch in der Dritten Welt angebaut werden und dass eine große Anzahl sehr viel versprechender Nutzpflanzen zur Zeit gerade entwickelt werden.

“Die Zukunft der Biotechnologie liegt in der Entwicklung von Pflanzen, die speziell an die Bedürfnisse in Entwicklungsländern angepasst sind.”

In Mexiko werden genetisch verbesserte Tomaten und Kartoffeln kultiviert, in Argentinien und Uruguay gentechnisch optimierte Sojabohnen. In beiden Fällen werden die Erzeugnisse vor allem exportiert. Die Zukunft der Biotechnologie liegt jedoch in der Entwicklung von Pflanzen, die speziell an die Bedürfnisse in Entwicklungsländern angepasst sind. In den letzten Jahren gelang es Wissenschaftlern, eine Reihe von Genen zu bestimmen, die gegen Pflanzenkrankheiten der Tropen und der gemäßigten Zonen resistent machen. Weiterhin wurden Gene identifiziert, die Pflanzen Resistenz gegen Trockenheit, gegen den hohen Salzgehalt der Böden sowie gegen eine Reihe von Schädlingen verleihen. In vielen Fällen gelang es bereits, diese resistent machenden Gene auf Nutzpflanzen zu übertragen. Einige dieser neuen Sorten werden gerade eingeführt oder stehen kurz davor. Sobald solche neuen Sorten den Landwirten der ärmeren Ländern zu vernünftigen Konditionen zur Verfügung stehen, wird sich dort die Produktivität der Landwirtschaft erheblich erhöhen.

“Bis jetzt”, sagt Dr. Ariel Alvarez-Morales, Mikrobiologe am “Center for Research and Advanced Studies” in Irapuato in Mexiko, “haben wir neue Sorten nur für den Export angebaut. Mittlerweile verfügen wir aber über die Technologie, nützliche Gene auch auf diejenigen Pflanzenarten zu übertragen, die die Kleinbauern hier anbauen.”

Genetisch verbesserte Pflanzen können den Nährwert vieler Nutzarten um einiges erhöhen. Eine der aufregendsten Neuerungen in diesem Bereich ist der so genannte “Goldene Reis”, eine Sorte, die einen höheren Eisengehalt aufweist und mehr Beta-Karotin enthält (das der Körper zu Vitamin A verarbeitet). Drei Milliarden Menschen weltweit sind heute noch auf Nutzpflanzen angewiesen, die zu wenig Minerale und Vitamine enthalten, um den tatsächlich notwendigen Bedarf decken zu können. Mangel an diesen Substanzen kann zu Blutarmut, Blindheit, geistiger Mangelentwicklung und auch zum Tode führen. Trotz zahlreicher Forschungsprojekte nationaler und internationaler Organisationen fehlen bislang die Mittel, diesem Mangel auf simple, kostengünstige Art abzuhelfen. Heute, nach zehn Jahren der Forschung, eröffnet der Goldene Reis eine realistische Perspektive, diesem Defizit effektiv zu begegnen. Die Forschung für die Entwicklung des Goldenen Reises wurde von der New Yorker Rockefeller Stiftung unterstützt, und die beteiligten Parteien einschließlich der Agarkonzerne haben zugesichert, dass die neuen Sorten den Bauern in der Dritten Welt umsonst zur Verfügung gestellt werden sollen.

Der Goldene Reis ist kein Einzelfall. Derzeit entwickeln Wissenschaftler sowie öffentliche oder gemeinnützige Forschungszentren beispielsweise auch Süßkartoffeln mit höherem Proteingehalt, Cassava und Papayas, die gentechnisch gegen bestimmte Viruserkrankungen resistent gemacht wurden, Reissorten, die Sonnenlicht und Kohlendioxid effektiver aufnehmen und verarbeiten können, sowie Kartoffeln, die einen Impfstoff gegen Hepatitis B und Bananen, die einen Impfstoff gegen Cholera enthalten. Und das sind nur einige der Neuerungen. Alle diese gentechnisch veränderten Nutzpflanzen werden speziell für den Anbau in Entwicklungsländern gezüchtet.

Einige Kritiker behaupten zynisch, diese Produkte würden von internationalen Biochemie-Konzernen nur zu dem Zwecke entwickelt, ihr Image zu verbessern. Das ist aus zweierlei Gründen falsch: Zum einen werden die meisten derartigen Forschungsprojekte von öffentlichen oder gemeinnützigen Institutionen vorangetrieben – zumindest sind sie federführend involviert. Konzerne spielen dabei keine große Rolle. Zum anderen wurden die meisten der genannten Projekte schon vor Jahren begonnen – bevor die Kritik an Gentechnik in den Ländern des Westens zum großen Thema wurde.

“Die Ernährung von acht bis neun Milliarden Menschen wird sich nicht nur durch Umverteilung sichern lassen.”

Oft wurde darauf hingewiesen, dass Hunger und Mangelernährung ihre Ursache nicht in einem tatsächlichen, weltweiten Nahrungsmangel hätten. Auf dem heutigen Niveau der Weltnahrungsproduktion könnte jeder der sechs Milliarden Menschen täglich 2.500 Kalorien erhalten. Im 20. Jahrhundert waren die Hauptursachen für Hungersnöte Kriege, Bürgerkriege, korrupte Regierungen, schlechte Infrastruktur und Armut. Alle diese Probleme müssen gelöst werden, wenn wir den Hunger weltweit besiegen wollen.

Die Ernährung von acht bis neun Milliarden Menschen – und das ist eine zurückhaltende Schätzung für die Bevölkerungszahl im Jahre 2050 – wird sich aber nicht nur durch Umverteilung sichern lassen. Wächst die Bevölkerung, muss die Landwirtschaft, um sie ernähren zu können, mehr Nahrung auf weniger Land anbauen. Anderenfalls müssten Millionen Hektar von jetzt noch ungenutztem Land unter den Pflug genommen werden – und das wäre wahrscheinlich eine größere Umweltbedrohung als alles, was sich Kritiker der Gentechnik in ihren Horrorphantasien ausmalen können.

Selbstverständlich sind genetisch veränderte Pflanzen nicht die Lösung all dieser Probleme. Aber das behaupten die Verfechter der Gentechnik auch gar nicht. Dennoch bieten diese verbesserten Pflanzen Bauern gerade auch in Entwicklungsländern die Chance, ihre Produktivität – und damit ihren Wohlstand – zu verbessern. In einem im Juli 2000 gemeinsam veröffentlichten Bericht der “Royal Society of London”, von Nationalen Wissenschaftsakademien aus Brasilien, China, Indien, Mexiko, den USA und der “Third World Academy of Science”, wurde die “grüne Gentechnik” (die gentechnische Verbesserung von Pflanzen) eindeutig begrüßt und betont, dass durch diese Methode sowohl die Nahrungsversorgung gesichert als auch eine nachhaltige Landwirtschaft aufgebaut werden könne. In dem Bericht heißt es: “Es ist dabei von entscheidender Bedeutung, dass die Chancen der Gentechnik gerade den sich entwickelnden Ländern zugute kommen.”

Die Komplexität biologischer Systeme bringt es mit sich, dass viele Entwicklungen der Gentechnik nur langsam vorankommen und dass bis zu ihrer Massenanwendung oft lange Jahre vergehen. Die größte Gefahr droht den verbesserten Pflanzen und ihren Möglichkeiten aber nicht durch diese Schwierigkeiten, sondern durch die überwiegend unbegründeten Umwelt- und Gesundheitsängste vor den neuen Technologien, die vor allem in den reichen Ländern des Westens wachsen. Viele Regierungen der Industriestaaten haben bereits dem Druck der Biotechnologiegegner nachgegeben und die Erforschung und Erprobung gentechnisch veränderter Organismen erheblich eingeschränkt.

Beispielhaft ist der Fall einer gentechnisch veränderten Maissorte, die gegen bestimmte Schädlinge resistent ist. Im Frühjahr 2000 zog die damalige Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnis 90/Die GRÜNEN) die zuvor erteilte Unbedenklichkeitserklärung für den Anbau dieser Sorte zurück – und das nur einen Tag, bevor das beim Landwirtschaftsministerium angesiedelte Bundessortenamt die Freigabe für kommerzielle Feldversuche erteilen wollte. Die Gesundheitsministerin begründete diese Entscheidung mit einem Bericht des Freiburger Öko-Instituts, in dem die Durchführung weiterer Unbedenklichkeitstests gefordert worden war. Das Bundessortenamt hingegen hatte alle bis dahin durchgeführten Tests ausgewertet und war zu dem Schluss gekommen, alle Bedenken seien ausgeräumt worden. Auch die Zentrale Kommission für Biologische Sicherheit (ZKBS), ein wissenschaftliches Beratergremium der Bundesregierung, hatte die Freigabe befürwortet. Dessen ungeachtet berief sich Fischer auf den Grundsatz, dass alle nur irgendwie möglichen Bedenken ausgeräumt werden müssten, bevor eine Freigabe erteilt werden könne. Die ZKBS bezeichnete diese Entscheidung als “bar jeder wissenschaftlichen Grundlage”.

Selbst in den USA, denen europäische Gentechnikgegner oft vorwerfen, sie würden bedenkenlos gentechnisch veränderte Organismen entwickeln, sind die Hürden inzwischen so hoch, dass viele kommerzielle und universitäre Forschungsprojekte auf der Stelle treten. Auch hier werden nach zahlreichen Tests immer weitere, immer absurdere Nachweise verlangt. Auch die amerikanische Regierung ist heute kaum noch bereit, gentechnisch erzeugte Pflanzen freizugeben, und das selbst, nachdem sie Tausende von Tests unbeanstandet absolviert haben.

Man könnte einwenden, dies alles sei nicht so tragisch, da es in den USA und Deutschland ja keinen Mangel an Getreide gäbe. Tatsächlich mögen die Produktivitätssteigerungen, die sich durch neue, transgene Pflanzen erzielen lassen, für Europäer und Nordamerikaner zweitrangig sein. Wird aber die Entwicklung dieser Pflanzen verhindert, wird es auch die zweite Generation gentechnisch veränderter Pflanzen nicht geben, solche Pflanzen nämlich, die einen erheblich höheren Gehalt an Nährstoffen haben, sich länger lagern und selbst unter schwierigeren Bedingungen anbauen lassen. Und damit schwinden auch die Chancen für die Entwicklung robuster und billiger Pflanzen, die vor allem den Bauern und der Bevölkerung in der Dritten Welt zugute kommen würden.

Wissenschaftlich unbegründete und übertriebene Sicherheitsbestimmungen erhöhen die Entwicklungskosten beträchtlich. Gegner der Gentechnik beschwören immer die Gefahr, die Produktion gentechnisch veränderter Pflanzen könnte dazu führen, dass das technische Wissen und der Besitz der neuen Pflanzen von wenigen multinationalen Konzernen monopolisiert wird. Die Kostenexplosion, die durch die ständig wachsenden Sicherheitsbestimmungen ausgelöst wird, fördert eine solche Entwicklung aber eher. Aufwendige, langjährige Genehmigungsverfahren können große Konzerne im Allgemeinen besser bewältigen als kleine, unabhängige Labors oder gemeinnützige Institutionen.

Die Sorgen der Gentechnik-Gegner sind nicht völlig grundlos. Wie bei jeder neuen Technologie gibt es gewisse Risiken, die vor einer Einführung ausgelotet und abgeschätzt werden müssen. Im Gegensatz zu den Horrorszenarien der Gentechnik-Gegner sind sich aber die Forscher der möglichen Risiken der neuen Technologie durchaus bewusst; entsprechend gewissenhaft sind die Tests. Blickt man bei der Gentechnik jedoch auf jedes nur erdenkliche Risiko – und “jedes erdenkliche Risiko” lässt sich nie und nirgendwo im Leben ausräumen –, verhält man sich wie das Kaninchen vor der Schlange: Gebannt starrt man auf eine angenommene Gefahr, übersieht dabei aber ganz die Probleme, die entstehen, sollten die Möglichkeiten der Gentechnik ungenutzt bleiben. Kritiker der Biotechnologie (sie kommen einem mitunter vor wie verhinderte Science-Fiction-Autoren) entwerfen Szenarien, bei denen sich gentechnisch verändertes Getreide zur Killerpflanze entwickelt. Als mageren Beleg dafür führen sie an, es sei schon einmal beobachtet worden, dass gentechnisch veränderte Pflanzen zum Verschwinden einiger Schmetterlinge geführt haben. Wenig scheint sie hingegen zu kümmern, dass, werden diese verbesserten Pflanzen nicht entwickelt und eingeführt, weiterhin Hunderte Millionen von Menschen an Mangelernährung und Hunger leiden müssen.

“Viele Lobbygruppen aus Ländern des Westens wollen Afrikanern einreden, sie würden Opfer bösartiger Biotechnologien.”

Gesunde Skepsis ist gut. Häufig ist sie die Wurzel wichtiger Erkenntnisse. Im Falle der Gentechnik-Gegner handelt es sich aber selten um begründete und gesunde Skepsis, sondern vielmehr um quasi religiöse Dogmen. Viele Pflanzenwissenschaftler aus Ländern der Dritten Welt wie zum Beispiel Florence Wambugu von der Eggerton Universität in Kenia haben westlichen Umweltorganisationen bereits vorgeworfen, ihre Kritik der Gentechnik sei arrogant. In ihren Worten: “Viele Lobbygruppen aus Ländern des Westens wollen Afrikanern einreden, sie würden Opfer bösartiger Biotechnologien, da sie selbst eben nicht dazu in der Lage wären, zu unterscheiden, was ihnen nützt oder schadet.”

Übervorsichtige Vorschriften führen dazu, dass die grüne Gentechnik nur langsam vorankommt. Die Kosten für Forschung und Entwicklung steigen beträchtlich, und dies könnte nicht wenige Leben fordern. Keine Frage: Neue Erfindungen müssen getestet werden, da sie immer wieder neben Vorteilen auch Nachteile mit sich bringen – zum Teil unmittelbar, zum Teil besteht zumindest die Möglichkeit. Wollen wir aber wissenschaftlichen Fortschritt zum Wohle der Menschen, dann müssen wir uns fragen, wie viel Vorsicht jeweils angebracht ist. Die Beantwortung dieser Frage erfordert eine Abwägung möglicher Risiken und Vorteile einer neuen Technologie gegen die Konsequenzen ihrer Nicht-Einführung. Sich nur immer neue, mögliche Risiken auszudenken und deshalb Innovationen abzulehnen, ist unaufrichtig.

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