01.04.2001

Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr

Analyse von Karin Jäckel

Karin Jäckel widerspricht der Ansicht, das der Wunsch der Gesellschaft nach Familie begraben wurde. Fern von der Wirklichkeit steht deshalb die rot-grüne Familienpolitik.

“Familie ist”, definierte die neue Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) während des vergangenen Wahlkampfs anlässlich einer Veranstaltung des Vereins “Väteraufbruch für Kinder” in Wuppertal, “Familie ist, wenn alle aus demselben Kühlschrank essen.”
Treffender hätte man das Familienbild in der aktuellen rot-grünen Familienpolitik sowie die gesellschaftsverändernden Erfolge der Genossinnen und Genossen bei der Realisierung der von Friedrich Engels 1884 manifestierten sozialistischen Idee zur Verwandlung der Privathaushaltung in “gesellschaftliche Industrie” kaum darstellen können.

Was in den 68er-Jahren in einer studentischen Minderheit mit dem locker-flockigen Spruch “Wer zweimal mit demselben pennt, gehört schon zum Establishment” begann, findet heute seinen Niederschlag in der ganzen Gesellschaft.
Fast jede zweite traditionelle Familie aus Mutter, Kindern und Vater zerbricht. Die Ehe scheint altmodisch geworden zu sein und wird öffentlich als out deklariert. Die heute in den Führungsetagen von Politik und Wirtschaft sitzende Riege der sogenannten Alt-68er hat an diesem Ziel seit den Studentenrevolten ihrer Jugendzeit gearbeitet und geht bis heute mit Joschka Fischer und Gerhard Schröder als leuchtendes Beispiel für Mehrfachscheidungen voran.

In ist statt der Dauer-Ehe die locker wechselnde Lebensabschnittspartnerschaft bindungsschwacher Singles im Wohngemeinschaftsstil mit oder ohne Kinder, die so lange hält, wie der Kühlschrank voll ist. Stilecht im sozialistischen Wortlaut Friedrich Engels’ könnte man auch sagen, sie hält so lange, bis “die Dauer des Anfalls der individuellen Geschlechtsliebe” vorbei ist und die Trennung oder Scheidung “für beide Teile wie für die Gesellschaft zur Wohltat” wird.

“Fast jede zweite traditionelle Familie aus Mutter, Kindern und Vater zerbricht.”

Diese “Wohltat” spüren vor allem die Kinder. Ihre “Pflege und Erziehung” ist zwar juristisch Pflicht und Recht der Eltern, wird aber getreu der sozialistischen Lehre immer umfassender zur “öffentlichen Angelegenheit”, damit endlich dem “Anfall der individuellen Geschlechtsliebe” nachgegeben werden kann. Und zwar ohne das “moralische wie ökonomische Moment” der Sorge vor einer eventuellen Elternschaft und der damit einhergehenden Familienarbeit. Spätestens seit Simone de Beauvoir ist diese ja als der Klotz am Bein der Frau verpönt, welcher ihr die als allein selig machend verkündete Berufstätigkeit als Garant der Selbstverwirklichung raubt.

Da nahezu jedes zweite Ehepaar bindungsschwach ist, kommen zu den Millionen von der “Wohltat” der Scheidung bereits profitierender Kinder alljährlich rund 160.000 weitere hinzu. Nicht zu vergessen alle jene Kinder, die schon im Mutterleib “aus sozialen Gründen” abgetrieben oder durch mildtätige Einrichtungen wie die vielerorts zur Verfügung stehende “Babyklappe” oder “Babytür” aufgefangen werden. Immerhin stehen dahinter ein aufgewärmtes Bettchen und ein Heimerziehungsplatz für die ungeliebten und ungewollten “Folgen” der “rücksichtslosen Hingabe eines Mädchens an den geliebten Mann” bereit. Wie es heißt, soll mit diesem hoffentlich Leben rettenden Angebot der Kindesmord verhindert werden, den insbesondere junge, ebenso verzweifelte wie überforderte Mütter an ihren frisch geborenen Säuglingen begehen.
Wer nun annimmt, dass die politischen Ziele der “Sachverwalterinnen der Fraueninteressen” und ihr gebetsmühlenartig wiederholter Abgesang für die Familie mit den Wünschen im Volk identisch sind, der irrt. Brandaktuelle Umfragen des Bundesfamilienministeriums unter Frauen in Gesamtdeutschland belegen, dass 65 Prozent die politische und gesellschaftliche Diffamierung der nicht erwerbstätigen Familienfrauen beklagen, 56 Prozent gern länger bei ihrer Familie zu Hause bleiben würden, anstatt ihre Kinder schon im Säuglings- oder Kleinkindalter in die Fremdbetreuung abzugeben, und dass 49 Prozent zur Verwirklichung dieser Wünsche die Einführung eines “Müttergehalts” als “reguläres Einkommen für Frauen, die Kinder erziehen” verlangen. Vom politisch immer wieder erklärten out für die Institution Familie kann in der gelebten Wirklichkeit also nicht die Rede sein.
Noch eindeutiger als unter Erwachsenen ist das Pro-Familien-Votum der Kinder und Jugendlichen, welches z.B. in der “Shell-Studie 2000” veröffentlicht wurde. Sie alle erträumen als größtes Glück eine heile Familie mit Mutter, Vater und am liebsten auch mit Geschwistern. Sie wünschen sich weder Markenklamotten noch teure Konsumartikel oder kostspielige Reisen, sondern in erster Linie mehr Zeit von und mit ihren Eltern. Und sie leiden so sehr unter der Trennung oder Scheidung ihrer Eltern, dass sie das damit verbundene traumatische Erlebnis des Verlustes lebenslang nicht oder nur schwer verwinden. Im Vergleich zu Kindern aus intakten Familien erleben Scheidungswaisen ein vielfach höheres Risiko, selbst einmal geschieden zu werden.

Alle erträumen als größtes Glück eine heile Familie mit Mutter, Vater und am liebsten auch mit Geschwistern.”

Ungeachtet dieser Volkswirklichkeit und den bekundeten tatsächlichen Bedürfnissen bringen rot-grüne Politikerinnen gegenläufige Gesetzesnovellen ein, mit denen sie soziale Gerechtigkeit z.B. in Form der Umverteilung des staatlichen Kindergeldes weg von besser verdienenden Eltern hin zu Eltern mit niedrigerem Einkommen erzwingen wollen.
Dass eine solche Ungleichbehandlung von Eltern Verfassungsbruch ist und dem Richterspruch des Bundesverfassungsgerichts zur deutlichen Entlastung aller Eltern nicht gerecht wird, ist den rot-grünen Gleichmacherinnen und Gleichmachern, die selbst mehrheitlich kinderlos sind und von Familie mit Kindern etwa so viel verstehen wie ein zölibatärer Priester vom Ehealltag, anscheinend gleich.

Wer wirklich glaubt, die sozialistische “Wohltat” der Scheidung beglücke, die Entprivatisierung der Familien verbessere die Welt und nur der berufstätigen Frau gehöre die Zukunft, ist ein armer Tor. Die Zukunft sind Kinder und zwar sie allein. Wer keine hat, lebt allenfalls kurze Gegenwart. Und das gilt nicht nur für Männer, die von Feministinnen so gern als Fehlkonstruktion der Natur abgebügelt werden. Das gilt auch für Frauen.
Wer sich anmaßt, mit Hilfe eines politischen Amtes die Geschicke von Millionen Menschen lenken zu wollen, sollte jenseits von persönlicher Profilierungssucht und politisch-missionarischem Eifer dem Eid folgen, der auf das Wohl des Volkes geleistet wurde und den tatsächlichen Wünschen und Bedürfnissen der Menschen gerecht werden.Eines dieser seit Urzeiten und bis heute geltenden archetypischen Bedürfnisse ist es, eine heile Familie und Kinder bzw. Mutter und Vater zu haben und in liebevoller Geborgenheit aufzuwachsen. Das Grundgesetz verpflichtet den Staat zum Schutz dieser Familie. Dazu gehört die Zukunftssicherung ebenso wie die persönliche, private Zuständigkeit von Eltern für ihre Kindern sowie eine die Gegenwart sichernde Steuerentlastung für alle Familien mit Kindern.
Dass gesamtdeutsche Familienpolitik mehr oder minder bewusst die sozialistische “Kollektivierung der Kindererziehung” forciert, die in der Ex-DDR soeben erst scheiterte, verfolgen Kinderärzte und Kinderpsychologen weltweit mit kritischer Sorge, allen voran diejenigen, die zum Beispiel in Russland oder der Tschechoslowakei einschlägige Erfahrungen mit der Umstellung von der Familien- auf die Kollektiverziehung gesammelt haben.


Natürlich hat die rot-grüne Bundesregierung in der Familienpolitik bisher nicht nur leeres Stroh gedroschen. Sie hat das Kindergeld erhöht, hat die Erziehungszeitenregelung verbessert und den bisher dafür gängigen Begriff des Erziehungsurlaubs abgeschafft. Sie hat ein neues Gewaltschutzgesetz für Kinder und Frauen ratifiziert und arbeitet daran, Väter stärker in die Familienarbeit einzubinden. Leistungen, die niemand schmälern will, die aber bei weitem nicht ausreichen und insbesondere im Gewaltschutzgesetz an der Realität vorbeizielen. Denn indem der Slogan “Gewalt ist männlich” geprägt wurde, ist daraus eher eine Ächtung der als Alleintäter gebrandmarkten Väter als eine Ächtung der nachweislich auch von Müttern ausgehenden Gewalt abzuleiten.Ein wirksames Mittel zur Entlastung von Eltern und der Zukunftssicherung von Kindern wäre das nicht nur von 49 Prozent aller Frauen in Ost- und Westdeutschland, sondern auch von immer mehr Familienforschern, Juristen und Wissenschaftlern geforderte Erziehungs- oder Müttergehalt als reguläres Einkommen, das sich an vergleichbaren Leistungen für professionelle Kindererziehung ausrichtet. Leider haben sich jüngst die rot-grünen Politikerinnen zum wiederholten Male vehement dagegen ausgesprochen und unterstellt, dies sei eine von Männern inszenierte Forderung mit dem Ziel, Frauen zurück an den Herd zu stellen.


Ebenso wirksam wäre es, Familien ein Kinderwahlrecht zu erteilen, welches sich an der Kinderzahl orientiert und Eltern bis zur Volljährigkeit der Kinder berechtigt, in Namen ihrer Kinder zu wählen. Diese Erhöhung der Stimmenanzahl von Eltern würde die im Vergleich zu Singles und Kinderlosen geringere Anzahl der Familien als Wählerpotenzial attraktiver machen und automatisch ihren Bedürfnissen mehr politisches Gewicht verleihen. Verfassungsrechtlich möglich wäre ein solches Kinderwahlrecht ohne große Umschweife, wie beispielsweise die Hamburger Justizsenatorin Lore Peschel-Gutzeit überzeugend darlegte. Entsprechendes Gehör fand eine dem Petitionsausschuss eingereichte Petition bisher allerdings nicht.
Deutsches Familienrecht sei ein “Dschungel”, meinte der französische Ministerpräsident Jacques Chirac. Verlaufen haben sich darin vor allem die politischen “Sachverwalterinnen der Fraueninteressen”.

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