01.07.2005

Editorial

Von Thomas Deichmann

Die Regierung packt ein. - Im letzten Novo bemängelten wir an dieser Stelle noch das „abgeschmackte Spiel um Einschaltquoten und vermeintliche Wählergunst“ im Politikgeschäft. Keine vier Wochen nach Erscheinen des Hefts flogen den damit gemeinten PR- und Technokratenhäusern in Brüssel und Berlin die Brocken um die Ohren. Die EU steckt nun, seit den Verfassungsreferenden, in einer tiefen Krise, die bereits seit Jahren schwelte (und von uns frühzeitig benannt wurde). Das grundlegende Problem unserer Zeit offenbarte sich an den abgehobenen Bekundungen europäischer Bürokraten, die EU-Verfassung werde trotzdem so und nicht anders kommen.

In Brüssel und anderswo sitzen offenbar elitäre Cliquen, die sich zum Teil nicht einmal mehr der Form halber für die Befindlichkeiten derer, die sie eigentlich repräsentieren, interessieren. So wurde das Votum der Franzosen und Holländer mit volkspädagogischen Weisheiten als bedeutungslos zu verkaufen versucht – und weitere Referenden, wie beispielsweise in Großbritannien geplant, kurzerhand abgeblasen.


Ist es Zufall, dass sich in Deutschland ausgerechnet der grüne Außenminister Fischer am vehementesten gegen ein Referendum aussprach und den EU-Verfassungsvertrag beständig als „Optimum dessen, was an Integration möglich ist“ wie warmes Bier durch die Nation trug? Wohl kaum, denn in punkto „Entfremdung“ von der Bevölkerung stehen die Grünen in der Politikerklasse niemandem nach. Hinzu kommt ihr missionarischer Übereifer, dort, wo sie Einfluss haben, der Mehrheit das eigene enge Weltbild auf Biegen und Brechen überzustülpen. So sind (mit stillschweigender Tolerierung der SPD) durch die kleine Klientelpartei, deren Wählerstamm seit Jahren eher schrumpft als wächst, gravierende (Fehl-)Entwicklungen in der Energie-, Gentechnik- und Ernährungspolitik eingeleitet worden. Am stärksten fällt dabei ins Gewicht, dass sie eifrig daran gearbeitet haben, die gesellschaftliche Wertschätzung naturwissenschaftlichen Erkenntnisgewinns zu untergraben. Dies ist und bleibt ihr größtes politisches Vermächtnis. Daher war es wie ein Befreiungsschlag, dass die Grünen durch die Ankündigung von Neuwahlen in Deutschland von ihrem hohen Ross gestoßen wurden und nun wieder offener um gesellschaftliche Anerkennung für ihre Politik kämpfen müssen.


Bislang geben sie dabei kein gutes Bild ab. Jedenfalls fielen Bütikofer und Künast in den Talkshows der letzten Wochen (oft mehr noch als ihre Kontrahenten) durch beherztes Phrasendreschen auf. Beispiel: In den vergangenen Jahren sorgte Verbraucherschutzministerin Künast mit fadenscheinigen Hinweisen auf angebliche Risiken der Grünen Gentechnik für anhaltende Aufregung und blockierte die Technologie. Neuerdings warnt sie lieber, in unverkennbarer Anlehnung an Münteferings „Heuschrecken-Attacke“, garniert mit einer Prise stumpfem Antiamerikanismus, vor den globalen Agrargiganten, die nur darauf aus seien, deutsche Bauern auszusaugen.


Über die Bedeutung der EU-Referenden lässt sich Frank Furedi in diesem Novo aus. Sabine Reul stellt indes die Frage, ob wir zumindest hierzulande die „Chance für einen Neubeginn ergreifen“ werden. Sie warnt davor, dass die „technokratische Zwanghaftigkeit, mit der seit sieben Jahren über die Köpfe der Menschen hinweg Politik betrieben“ wird, nach einem Regierungswechsel einfach fortgesetzt werden könnte. Der „Schaffung einer neuen demokratischen Öffentlichkeit“, die sich wieder Zeit nimmt für inhaltliche Auseinandersetzungen und Weichenstellungen für den Weg nach vorn, räumt sie höchste Priorität ein. Genau darum geht es auch in diesem Novo. Und aus demselben Grund möchten wir Sie mit allem Nachdruck zu unserer „Battle of Ideas“-Konferenz einladen, die im kommenden Oktober in London stattfinden wird.

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