01.09.2006

Editorial

Von Thomas Deichmann

Angstindustrie und Bemutterungsstaat … sind zwei Seiten derselben Medaille. Im letzten Magazin warnte Sabine Reul vor dem „hypertrophen Bemutterungsstaat“. Sie beschrieb den Trend zur politischen Intervention in persönliche Belange der Bürger am Beispiel der aktuellen Bestrebungen, selbst das Kinderkriegen in Deutschland per „Mikromanagement“ und pekuniären Anreizen regulieren zu wollen. Die einhergehende Auflösung der Grenzen zwischen Staat und Gesellschaft ist auch im aktuellen Heft ein Thema.

Katharina Rutschky und Hartmut Schönherr gehen dabei auch auf das hinter dieser Entwicklung stehende Menschenbild ein.
Leitartikel unseres Themenschwerpunktes ist der Beitrag von Frank Furedi. Er veranschaulicht das boomende „Angst produzierende Gewerbe“, das Sicherheit neu definiert und für alle Lebenslagen fordert, das immer neue Schutzbedürfnisse der Bürger weckt und anheizt, um uns schließlich in einer allumfassenden Intervention unter einem Riesen-Airbag zu begraben. Ob ökologistisch angehauchte Apokalyptiker, um die Verbrauchergunst buhlende Parlamentarier oder Anhänger des Schreckbildes „internationaler Terrorismus“: Das mitunter zynische Spiel mit der Angst und das Versprechen von Sicherheit ist längst zu einem zentralen Merkmal unseres politischen Alltags geworden. Ohne über den Tellerrand eines kurzfristigen Krisenmanagements hinauszuschauen, wird beständig jener misanthropische Stereotyp beschworen, nach dem alles, was wir tun, in eine noch schlimmere Katastrophe mündet.


Nutznießer dieses Prozesses sind auch einige Nicht-Regierungs-Organisationen (NROs), die sich zum Teil als wahre Meister der Panikproduktion präsentieren. Aufgrund ihrer vermeintlichen Distanz zu den Parteien genießen sie oft spontanen Zuspruch, wenn sie (unverblümter, als es jeder rechenschaftspflichtige Beamte, Politiker oder Wissenschaftler je tun könnte) vor aus hypothetischen Gefahren eigenhändig zusammengebastelten Weltuntergängen warnen. Von NROs dieses Schlages ist in diesem Heft ebenfalls die Rede. Es geht uns nicht darum, ihre Arbeit grundlegend zu diskreditieren oder gar konspirativ aufzubauschen. Sie sind oft nur ein besonders exponierter Ausdruck eines unerfreulichen Zeitgeistes, den es aufzubrechen gilt.

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