28.04.2010
Amflora und die Gefahren der „Leugnung“ von Wissenschaft
Von David Fahnert
Im TED-Talk spricht der Redakteur des „New Yorker“ Michael Specter über irrationale Ängste vor Wissenschaft und Technik.
Jüngst wurde in Deutschland erstmals die Amflora-Kartoffel angebaut. Die Auspflanzung geschah unter Polizeischutz, weil Gentechnikgegner zu „Widerstand“ aufgerufen hatten. Ihre Hauptkritik richtet sich gegen ein Markergen, das sich in der Kartoffel befindet und eine Resistenz gegen das Antibiotikum Kanamycin besitzt. Antibiotikaresistenzen sind ein Problem in der Medizin. Biotechnlogische Markergene wie bei der Amflora haben hierauf jedoch keinen Einfluss. Wie die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) feststellte, ist „eine Übertragung eines Markergens von GV-Pflanzen auf Bakterien [...] bisher weder unter natürlichen Bedingungen, noch im Labor nachgewiesen worden“. Die große Gefahr, die diese Knolle in den Augen der Gentechnikgegner darstellen soll, lässt sich also mit wissenschaftlichen Methoden nicht belegen. Es geht um irrationale Ängste, und das wissen offenbar auch prominente Gegner. In der Tageszeitung „Die Rheinpfalz“ hieß es am 20.4.2010 über Informationen eines Greenpeace-Verantwortlichen: Das Antibiotika-Resistenzgen in Amflora sei zugegebenermaßen kein großes Risiko, aber ein Hebel, um ein nationales Anbauverbot zu erreichen. So viel zur Seriosität der Angstkampagnen.
Mit unfundierten Aussagen von Gentechnikgegnern, mit tödlich endender Impfmüdigkeit und dem Hype um Lebensmittel aus dem Ökolandbau setzt sich Michael Specter in seinem empfehlenswerten, ca. 15-minutigen TED-Talk „The danger of science denial“ auseinander. Specter geht der Frage nach, wie es sein kann, dass heutzutage so viele Menschen glauben, in der Vergangenheit sei vieles besser gewesen und die Zukunft beschere uns reihenweise Desaster. Und das, obwohl wir auf Grund wissenschaftlichen, technischen und gesellschaftlichen Fortschritts nach Kriterien wie Gesundheit, Wohlstand, Sterblichkeit, Mobilität oder individuellen Entfaltungsmöglichkeiten in einer immer besseren Welt leben.
Tiefere Einblicke in die Argumentation des vielfach ausgezeichneten Journalisten liefert sein aktuelles Buch „Denialism: How Irrational Thinking Hinders Scientific Progress, Harms the Planet, and Threatens Our Lives“. Seine These: Nicht der Fortschritt ist gefährlich, sondern Kräfte, die ihn zu behindern versuchen. Ohne wissenschaftlichen Fortschritt wären die Erkenntnisse, mit denen unser Leben so angenehm wurde, nicht möglich gewesen. Der Wissenschaftsjournalist, der für die „New York Times“ und die „Washington Post“ schreibt, kritisiert fundiert, warum sich der aktuelle Fortschrittspessimismus gegen den Menschen und letztlich sogar auch gegen die Natur richtet. Zudem kritisiert er, dass Wissenschaft immer weniger dem puren Erkenntnisgewinn diene, sondern mehr und mehr zum Werkzeug politischer Organisationen verkommen sei, was den Skeptizismus nur weiter nähre. Specter empfiehlt in einer angenehmen und undogmatischen Sprache, bei der Forschung nicht immer nur die theoretischen Risiken in Betracht zu ziehen, sondern den kaum zu erfassenden Nutzen für Mensch und Natur.