01.07.2020

Der leere Radikalismus der Klimaapokalypse

Von Ted Nordhaus

CO2-Steuern, Solarenergie oder Elektroautos werden nicht zu einer umfassenden Dekarbonisierung führen. Klimawandel muss als gesellschaftliche Herausforderung, nicht als Marktversagen betrachtet werden

Was würde es bedeuten, ernsthaft mit dem Klimawandel umzugehen? „Wir müssen aufhören zu fragen, was die Erde für uns tun kann“, schloss der neu gewählte Präsident Jay Inslee in seiner Antrittsrede, „und anfangen zu überlegen, was wir für die Erde tun müssen.“ Inslee hatte seinen Wahlkampf zwei Jahre zuvor als Ein-Thema-Kandidat gestartet. Aber die Ereignisse übertrafen schnell das, was als eher extravagante Kandidatur begonnen hatte, um die Aufmerksamkeit auf den Klimawandel zu lenken.

Im Frühjahr 2020 brachten eine weitere Rekordflut am Mississippi, eine brutale Tornado-Saison, Dürre im Nordwesten und eine Reihe von verheerenden Gewittern im Nordosten Bundesstaaten, in denen die Vorwahlen umkämpft waren, in Inslees Lager. Als die Demokraten sich im Juli in Milwaukee zu ihrem Parteitag versammelten, vernichteten drei Wochen Hitze mit fast 40 Grad Celsius im gesamten Maisgürtel die Hälfte der Maisernte der Nation. Dann, am Labor-Day-Wochenende, machte sich ein Hurrikan der Kategorie 3 auf den Weg die Ostküste hinauf und hielt bis nach Washington, D.C. durch. Sechs Wochen später steuerte ein Hurrikan der Kategorie 4 auf New York zu und erzwang eine schnelle Evakuierung von Millionen von Menschen aus Manhattan und anderen Stadtteilen.

Inslee hatte sich vorgenommen, eine optimistische Kampagne zu führen und argumentierte, dass ein Green New Deal zur Bewältigung des Klimawandels gute Arbeitsplätze im Inland schaffen und die Vereinigten Staaten in die Lage versetzen würde, um wachsende Märkte für saubere Energien im Ausland zu konkurrieren. Aber zum Zeitpunkt seiner Wahl war die Wohlfühl-Rhetorik unnötig. Die Nation stand vor einer Krise und der designierte Präsident Inslee war die Person, die sie lösen sollte.

Als erste Amtshandlung erklärte Präsident Inslee einen nationalen Klimanotstand. Als zweites kündigte er die nationale Kohlenstoffrationierung an. Bis auf weiteres waren die Verbraucher auf eine Tankfüllung Benzin pro Monat beschränkt. Bezogen auf die Jahreszeit und das regionale Klima wurden die Lieferungen von Erdgas und Heizöl an Haushalte um bis zu 60 Prozent reduziert. Die Energieversorger wurden aufgefordert, innerhalb eines Monats Pläne zur Senkung der gesamten Stromerzeugung um 40 Prozent einzureichen und ihren bestehenden Erzeugungsmix so zu optimieren, dass sie so wenig wie möglich fossile Brennstoffe verwenden.

Die Rationierung wurde von der neuen Regierung als vorübergehende Notmaßnahme bezeichnet, bis der Präsident und der neue von den Demokraten dominierte Kongress in der Lage waren, die volle Kraft der Produktions- und Industriekapazitäten des Landes zu mobilisieren, um die Wirtschaft für eine kohlenstoffarme Zukunft umzurüsten. Inslee informierte die Kongressführer, dass er die Rationierung erst dann mildern würde, wenn der Kongress die Maßnahmen erlassen haben würde, die er in Kürze an das Repräsentantenhaus und den Senat senden würde.

Inslee lieferte dem Kongress ein umfangreiches Paket von Rechtsvorschriften zur Bewältigung der Krise. Senate Bill 1 verstaatlichte den Energiesektor und zentralisierte die meist privaten Versorgungsunternehmen des Landes unter der staatlichen Tennessee Valley Authority im Osten und der Bonneville Power Authority im Westen. Senate Bill 2 gründete die National Renewable Energy Corporation mit dem Auftrag, die heimischen Produktionskapazitäten für die Herstellung von Windturbinen und Solarmodule so umzubauen, dass bis 2030 60 Prozent der elektrischen Energie des Landes mit erneuerbarer Energie erzeugt werden können. Senate Bill 3 gründete die National Nuclear Energy Corporation, die die Kernsparten Westinghouse, General Electric, General Atomics und Bechtel zu einer einzigen öffentlichen Körperschaft mit dem Mandat zusammenführte, die bestehenden Kernreaktoren der Nation zu betreiben und 200 weitere große Leichtwasserreaktoren in einer einzigen Ausführung zu bauen, um den Rest des elektrischen Bedarfs der Nation innerhalb von zehn Jahren zu decken. Senate Bill 4 verstaatlichte die großen drei Autohersteller, zusammen mit Tesla. Der neue nationale Automobilkonzern würde nur Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge produzieren, mit dem Ziel, die gesamte Automobilproduktionskapazität innerhalb von drei Jahren auf Elektrofahrzeuge umzustellen.

Einen Monat nach seiner Amtseinführung reiste Inslee zu einem Treffen mit europäischen Verbündeten. Dort kündigte er seinen Plan an, die Nato in eine globale Organisation für den Klimaschutz und die Klimafolgenbewältigung umzuwandeln. Die Nato und ihre wohlhabenden Mitglieder würden den Aufbau einer kohlenstoffarmen Infrastruktur auf der ganzen Welt direkt finanzieren. Wie der Marshall-Plan zum Wiederaufbau Europas würde die Nato langfristige, zinsgünstige Darlehen für Entwicklungsländer bereitstellen, um saubere Energietechnologien zu kaufen und einzusetzen. Die Nato-Streitkräfte würden auch die Hilfsmaßnahmen für den Wiederaufbau nach Naturkatastrophen leiten und Flüchtlinge in Regionen umsiedeln, die weniger anfällig für den Klimawandel sind. „Es spielt keine Rolle, ob du schwarz, weiß oder braun, amerikanisch, indisch oder chinesisch bist“, donnerte Inslee am Ende der Nato-Treffen. „Wir sind jetzt alle Erdlinge, mit einer gemeinsamen Herausforderung und einem gemeinsamen Schicksal.“ Als Inslee an Bord der Air Force One ging, um seine indischen und chinesischen Kollegen zu treffen, war der Kampf gegen den katastrophalen Klimawandel endlich aufgenommen worden.

Ein radikaler Vorschlag

Viele Konservative haben den Green New Deal als Sozialismus angegriffen – als trojanisches Pferd, das im Namen der Bewältigung einer fabrizierten Klimakrise die wahre progressive Agenda offenbare, die darauf abziele, den Kapitalismus zu stürzen, die wirtschaftliche Freiheit aufzuheben und die US-Wirtschaft zentraler Planung zu unterwerfen. Und doch ist, wie meine imaginäre Erzählung einer Klimaschutzpräsidentschaft veranschaulicht, das Auffällige am Green New Deal und ähnlichen Vorschlägen von Klimafalken und linksgerichteten Umweltschützern nicht ihr Radikalismus, sondern ihre Bescheidenheit.

In einem Moment, in dem die Befürworter eine Reihe von Forderungen stellen, die gleichzeitig vage und kontrovers sind, von der Beendigung des Kapitalismus und des Wirtschaftswachstums über die Ablehnung von Materialismus und Konsum bis hin zur Reorganisation der gesamten Weltwirtschaft um intermittierende Quellen erneuerbarer Energien herum, scheint fast niemand, weder in der Politik noch in Nichtregierungsorganisationen, bereit zu sein, von den Regierungen direkte und offensichtliche Maßnahmen zu verlangen, um Emissionen zu reduzieren und fossile Energien durch saubere zu ersetzen.

Damit meine ich nicht nur die Forderung an die Regierungen, die Emissionen zu regulieren. Befürworter und sogar viele Regierungen fordern und verpflichten sich seit Jahrzehnten zu tiefgreifenden Emissionssenkungen, allerdings mit wenig Wirkung. Ich meine vielmehr konkrete Vorschläge zum raschen Aufbau der Infrastruktur einer kohlenstoffarmen Wirtschaft oder zur Einschränkung kohlenstoffintensiver Aktivitäten, die mit dem Alltagsleben der Amerikaner eng verwoben sind. Es ist eine Sache, den Amerikanern vorzuschlagen, dass die Bekämpfung des Klimawandels die Regulierung von Unternehmen mit fossilen Brennstoffen oder die Bereitstellung von Steuergutschriften beinhaltet, um beim Aufbau der sauberen Energiewirtschaft der Zukunft zu helfen. Eine ganz andere ist es, ihnen vorzuschreiben, dass sie das Fliegen einstellen müssen oder dass die Autoindustrie und Energiewirtschaft umgehend verstaatlicht werden müssen.

„Die spezifischen Dekarbonisierungsmaßnahmen, die Umweltschützer und Progressive befürworten, sind schrittweiser Natur, lauwarm und neoliberal."

Da viele Umweltschützer und sogar gewählte Demokraten zu der Annahme gelangt sind, dass eine ernsthafte Klimaveränderung bereits im Gange ist, ist es in Mode gekommen, eine Mobilisierung im Stil des Zweiten Weltkriegs zur Bekämpfung des Klimawandels zu fordern. 1 Aber praktisch niemand wird tatsächlich irgendeine der Arten von Aktivitäten fordern, die die Vereinigten Staaten während des Krieges unternommen haben: Rationierung von Lebensmitteln und Kraftstoffen, Beschlagnahmung von privatem Eigentum, Verstaatlichung von Fabriken oder ganzer Industrien oder das Aussetzen demokratischer Freiheiten.

Krankenversicherung durch Medicare for All verstaatlichen? Sicher. Den Energiesektor oder die Automobilindustrie verstaatlichen? Nicht ein Wort dazu hört man von Progressiven oder demokratischen Sozialisten, die sich für einen Green New Deal einsetzen. Die Umweltliteratur, sowohl die wissenschaftliche als auch die der Lobbyorganisationen, ist voller Forderungen nach einer drastischen Reduzierung des Flugverkehrs und des Fleischkonsums. Aber die bloße Andeutung der Kritiker auf der rechten Seite, dass der Green New Deal Einschränkungen beim Verzehr von Hamburgern (nicht ohne Grund) und beim Fliegen erfordern würde, provozierte Geheul von Umweltschützern, die darauf bestehen, dass solche Behauptungen nur die üblichen konservativen Lügenkampagnen seien.

Wenn man glaubt, dass die Klimakrise bereits im Gange ist und dass die Welt nur etwa ein Jahrzehnt Zeit hat, das Wachstum der Emissionen nicht nur zu stoppen, sondern sie enorm zu reduzieren, dann wäre eine Notfall-Mobilisierung zur schnellen Reduzierung der Kohlendioxidemissionen doch wohl die einzige vernünftige Antwort. Aber die apokalyptische Rhetorik, die endlosen Forderungen nach verbindlichen globalen Temperaturzielen und die radikal klingenden Verurteilungen von Neoliberalismus, Konsum und Unternehmen verbergen nur, wie schwach die Umweltklimapolitik tatsächlich ist. Die Vagheit und Bescheidenheit des Green New Deal ist kein Beweis dafür, dass Progressive und Umweltschützer Sozialisten sind. Sie sind vielmehr ein Beweis dafür, dass die meisten Klimaschützer, obwohl sie zweifellos beunruhigt sind, den Klimawandel nicht wirklich als eine so unmittelbare und existenzielle Bedrohung ansehen, wie sie immer behaupten.

Die spezifischen Dekarbonisierungsmaßnahmen, die Umweltschützer und Progressive befürworten, sind schrittweiser Natur, lauwarm und neoliberal. Letztlich laufen sie auf eine Variante der Regulierung von Unternehmen hinaus, um sie daran zu hindern, Dinge zu tun, die CO2-Emissionen verursachen, oder sie zu subventionieren, um erneuerbare Energie und andere Technologien zur Reduzierung von CO2-Emissionen zu nutzen – meist in der sehr eingeschränkten Auswahl jener Technologien und Praktiken, denen Umweltschützer anhängen: Wind, Solar, Bioenergie, Elektrofahrzeuge und ökologische Landwirtschaft.

Diese Art von Vorschlägen stehen den libertären und Laissez-faire-Prinzipien, zu denen sich viele Konservative bekennen, durchaus strikt entgegen. Aber sie sind weit entfernt von allem, was als Sozialismus erkennbar wäre. Ob CO2-Steuer, Emissionsrechtehandel oder Green New Deal – die Klimaschutzagenda, wie sie von marktorientierten Zentristen, feuerspeienden Klimafalken und „Das-ändert-alles-Progressiven“ gleichermaßen befürwortet wird, besteht letztlich aus zweierlei: Regulierung oder Besteuerung privater Unternehmen, um sie daran zu hindern, CO2 auszustoßen, und Subventionierung von Nutzung oder Verkauf sauberer Technologien. Dabei ist die Diskrepanz zwischen dem, was die Öko-Linke über den Kapitalismus und die Rolle des Staates sagt, und dem, was sie tatsächlich zu tun vorschlägt, viel interessanter als das vorhersehbare Geschrei der Konservativen.

Die Neue Linke

Die Entwicklung der Ansichten der Linken und der Umweltschützer über die Rolle des Staates in den letzten Jahrzehnten war kompliziert. Bis Mitte der 1960er Jahre waren Liberale, Progressive und Marxisten gleichermaßen mit dem öffentlichen Eigentum an den Produktionsmitteln völlig einverstanden. Liberale und Progressive bevorzugten eine gemischte Wirtschaft mit hohen öffentlichen Investitionen in öffentliche Güter – Infrastruktur, Strom- und Wasserversorgung – und staatlich unterstützter Industriepolitik, um sicherzustellen, dass die für die Volkswirtschaft wichtigen Branchen gedeihen. Die alte marxistische Linke sah eine viel weiterreichende Rolle für den Staat, bei der staatliche Unternehmen den Privatsektor verdrängen sollten.

Heute machen viele auf der Linken Konservative und den Aufstieg der neoliberalen ökonomischen Orthodoxie nach den Wahlsiegen von Margaret Thatcher in Großbritannien 1979 und Ronald Reagan in den Vereinigten Staaten 1980 für die Abkehr von der staatlich geförderten wirtschaftlichen Entwicklung und Infrastrukturinvestitionen verantwortlich. Aber in den entwickelten Ländern kam dieser Übergang viel früher und wurde sowohl von der Linken als auch von der Rechten befördert.

Die unmittelbaren Ursachen waren in vielen Fällen völlig verständlich. Der militärisch-industrielle Komplex der USA hatte einen Kalten Krieg mit der Sowjetunion geführt, der uns mit nuklearer Vernichtung bedrohte, und einen heißen Krieg in Südostasien, in dem Zehntausende Amerikaner und Millionen Vietnamesen getötet wurden. Eine Nation, die im Ausland Demokratie hochhielt, tat sich schwer damit, das Wahlrecht auf afroamerikanische Bürger im eigenen Land auszuweiten. An der Ostküste kämpfte Jane Jacobs gegen die Autobahnen von Robert Moses und erfand den modernen Urbanismus. 2 An der Westküste kämpfte David Brower gegen Floyd Dominys Plan, einen Staudamm am Grand Canyon zu errichten, und rief die moderne Umweltbewegung ins Leben. 3 Ende der 1960er Jahre war der Staat für viele auf der linken Seite genauso Teil des Problems wie für Ronald Reagan ein Jahrzehnt später.

„Eine neue Generation von linksgerichteten Intellektuellen, die in den Boomjahren der Nachkriegszeit aufgewachsen waren, sollte Materialismus und Konsum, nicht Religion, als das Opium des Volkes betrachten."

Aber es spielten auch andere Faktoren eine Rolle. Die boomende Nachkriegswirtschaft hatte in der gesamten entwickelten Welt einen beispiellosen materiellen Wohlstand geschaffen und die Behauptungen der alten marxistischen Linken, der Kapitalismus führe zur Verelendung der Arbeiterklasse, in Misskredit gebracht. Eine neue Generation von linksgerichteten Intellektuellen, die in den Boomjahren der Nachkriegszeit aufgewachsen waren, sollte Materialismus und Konsum, nicht Religion, als das Opium des Volkes betrachten.

Infolgedessen warfen viele auf der linken Seite ein zunehmend skeptisches Auge auf staatlich gelenkte wirtschaftliche Entwicklungsbemühungen. Diese Skepsis beeinflusste die aufkommende Umweltbewegung, die Industrialisierung und Konsum zunehmend als Grundursache für die meisten Umweltschäden betrachtete und sich daher den öffentlichen Bemühungen widersetzte, die inländische Produktion und den Konsum zu erweitern und eine Infrastruktur aufzubauen, die die sozialen und wirtschaftlichen Bestrebungen einer wachsenden und immer wohlhabenderen Bevölkerung unterstützt. Kombiniert mit der Aussteigermentalität vieler junger Umweltschützer begann die Ökobewegung eine Vision von kleinen, dezentralen, „angepassten“ Technologien im Gegensatz zu zentralen, staatlich kontrollierten, technokratisch geplanten und betriebenen Infrastrukturen und Technologien zu verfolgen.

Inspiriert von Ralph Naders Kreuzzug gegen General Motors, wandten sich gleichzeitig die neuen Gemeinwohl-Bewegungen von dem alten New-Deal-Regulierungsmodell ab, bei dem der Staat in Partnerschaft mit Unternehmen daran arbeitete, die Sicherheit für Arbeitnehmer und Verbraucher gleichermaßen zu gewährleisten, aber auch dafür zu sorgen, dass die Unternehmen weiterhin gedeihen, damit sie Arbeitsplätze, Löhne und Unterstützung für die regionale Wirtschaft bieten konnten. Nader und seine Anhänger griffen dieses Modell als regulatorische Vereinnahmung an und argumentierten, dass der Regulierungsstaat einen weitaus feindlicheren Ansatz gegenüber Unternehmen verfolgen müsse, wenn er die Bürger sicher und gesund halten wollte.

Die Abkehr der Neuen Linken vom dialektischen Materialismus, die Feindseligkeit der Umweltbewegung gegenüber der wirtschaftlichen Entwicklung und der großen, zentralisierten Infrastruktur sowie die starke industriefeindliche Haltung der Gemeinwohl-Bewegungen führten dazu, dass die Nach-68er postmarxistische Öko-Linke über ein äußerst begrenztes Repertoire an Interventionen verfügte, die sie zu akzeptieren bereit war, als Ende der 1980er Jahre die Klimaproblematik aufkam.

Vom Gemeingut zum Marktversagen

In den letzten drei Jahrzehnten haben Befürworter von Maßnahmen zur Eindämmung des Klimawandels drei verschiedene, wenn auch nicht einander ausschließende Politikansätze vorgeschlagen: Regulierung, Preisgestaltung und Subventionen. Der erste von ihnen bildete die Grundlage für internationale Maßnahmen zur Lösung des Problems und war zunächst der bevorzugte Ansatz der Umweltgemeinschaft. Der Prozess der Rahmenkonvention der Vereinten Nationen, der 1992 auf dem „Erdgipfel“ von Rio de Janeiro eingeleitet wurde, sollte die Nationen der Welt dazu bringen, sich im Rahmen eines Vertrages auf ein rechtsverbindliches Regulierungssystem zur Begrenzung und Reduzierung der globalen Emissionen zu einigen. Sie spiegelte sowohl das traditionelle „Verursacherprinzip“ wider, für das sich Umweltverbände eingesetzt hatten, um Luftqualität und ähnliche Verschmutzungsprobleme anzugehen, als auch die erfolgreichen Bemühungen der Vereinten Nationen um einen globalen Vertrag zum Schutz der Ozonschicht, der Steuerungs- und Kontrollvorschriften umfasste, die genau festlegen, wie und in welchem Umfang Nationen und Unternehmen regulierte Schadstoffe bei ihren Tätigkeiten kontrollieren würden.

Der zweite Ansatz war eine Ausarbeitung des ersten. Gefordert wurde, dass die Politik die Effizienz der Märkte nutzt, um billige Wege zur Emissionssenkung zu finden, anstatt den Unternehmen vorzuschreiben, wie sie dies tun sollen. Basierend auf den frühen Erfolgen, die das Auslaufen der letzten 15 Prozent der bleihaltigen Benzinraffination in den 1980er Jahren und die anschließende Reduzierung der Emissionen ermöglichten, die in den 1990er Jahren sauren Regen verursachten, plädierten viele Ökonomen für Emissionsrechtehandel oder CO2-Steuern anstelle von Verbots- und Kontrollregelungen. Diese Ideen wurden zeitweise von republikanischen Politikern und Unternehmen übernommen, vor allem, wenn sie eine gewisse Emissionsregulierung für unvermeidlich hielten.

Aber diese so genannten marktbasierten Strategien waren eigentlich nur ein etwas anderer Ansatz zur Regulierung von Emissionen. Die politischen Entscheidungsträger bestimmten entweder die jährliche Kohlenstoffobergrenze für Emissionen oder die sozialen Kosten von Kohlenstoff, die durch eine Kohlenstoffsteuer internalisiert würden, und erlaubten den Unternehmen zu bestimmen, wie sie die Obergrenze einhalten oder ihre Kohlenstoffsteuerpflicht minimieren können.

„Der primäre Rahmen, durch den der Klimawandel in den letzten drei Jahrzehnten betrachtet wurde, ist ein Marktversagen."

Der dritte Ansatz bestand darin, Unternehmen oder Verbraucher zu subventionieren, um saubere Energietechnologien zu produzieren beziehungsweise zu kaufen; vor allem Windkraftanlagen, Solaranlagen und Elektrofahrzeuge. In den Vereinigten Staaten wurden die Subventionen größtenteils in Form von Steuergutschriften und nicht in Form von Direktzahlungen an Erzeuger oder Abnehmer gewährt. Aber unabhängig vom Mechanismus konzentrieren sich Subventionen, wie Preis- und Regulierungsstrategien, auf Unternehmen und den Privatsektor als Ort von Klimaschutzmaßnahmen.

Anders ausgedrückt: Der primäre Rahmen, durch den der Klimawandel in den letzten drei Jahrzehnten betrachtet wurde, ist ein Marktversagen. Da die sozialen Kosten der CO2-Emissionen externe Effekte sind, die sich nicht in ihrem Marktpreis widerspiegeln, sind die Emissionen zu hoch. Das Marktversagen muss also korrigiert werden.

Ökonomen argumentieren seit langem, dass die Preisgestaltung von Kohlenstoff der einfachste und wirtschaftlichste Weg ist, um die Externalität zu internalisieren. Aber jeder der drei oben beschriebenen Ansätze sieht Märkte und die Unternehmen und Einzelpersonen, die in diesem Rahmen miteinander interagieren, als die primären Agenten der Dekarbonisierung, während der Staat Vorschriften erlässt, um das Verhalten dieser Akteure entweder zu stimulieren oder zu bestrafen.

In diesem Rahmen fehlt die Vorstellung, dass reichlich vorhandene, billige, saubere Energie und die dafür notwendige kohlenstoffarme Infrastruktur und Technologie ein öffentliches Gut sind. Historisch gesehen haben Nationen diese Art von Gütern direkt bereitgestellt, und zwar bei sehr verschiedenen öffentlichen Gütern wie Verteidigung, Gesundheit, Forschung oder sauberes und reichlich vorhandenes Wasser. In diesen Fällen schaffen Regierungsbehörden nicht Anreize für private Unternehmen, damit diese moderne Wasser- und Abwassersysteme errichten, sondern bauen sie entweder selbst oder beauftragen Unternehmen mit deren Bau. Aber in beiden Fällen ist es der Staat, der das System spezifiziert, seine verschiedenen Elemente beschafft, Bau und Betrieb koordiniert und den Bau direkt aus der öffentlichen Hand finanziert. Dasselbe gilt im Großen und Ganzen für Straßen, öffentliche Verkehrsmittel und die Energieversorgung in den meisten Teilen der Welt.

Die erfolgreichsten Initiativen für saubere Energie in der modernen Geschichte folgten diesem öffentlichen Modell, nicht einem der drei Politikmodelle, die die Klimapolitik bisher dominiert haben. Frankreich dekarbonisierte 80 Prozent seines Stromversorgungssystems durch den staatlich geführten Einsatz der Kernenergie. Schweden tat dies durch eine Kombination von Atom- und Wasserkraftwerken. Brasilien erreichte ein ähnliches Niveau vor allem durch den Bau von Dämmen.

Verfechter der Kernenergie heben oft die Fälle von Frankreich und Schweden hervor, während alle anderen sie ignorieren. Aber die herausragende Rolle, die die Dämme gespielt haben, deutet darauf hin, dass es Lehren für die Bemühungen um den Klimaschutz gibt, die weit über die Vorteile der Kernenergie hinausgehen. Allen drei Fällen gemeinsam ist die direkte öffentliche Beschaffung großer, zentralisierter Infrastrukturen zur Bereitstellung sauberer Energie für private, gewerbliche und industrielle Nutzer in großen, modernen Volkswirtschaften.

Die Behandlung des Klimawandels als Herausforderung für die öffentliche Infrastruktur und nicht als Versagen des privaten Marktes bringt eine Reihe von Vorteilen mit sich, die Bepreisung und Regulierung nicht bieten können. Sie ermöglicht lange Zeithorizonte, die private Investoren eher nicht tolerieren; Planung und Koordination über Sektoren der Wirtschaft hinweg, um Technologie, Infrastruktur und Institutionen zu integrieren, die für eine tiefgreifende Dekarbonisierung notwendig sind; und kostengünstige öffentliche Finanzierungsmodelle, die den Preis für den Umbau der Systeme viel überschaubarer machen könnten. Und unter der Annahme eines einigermaßen progressiven Steuersystems wäre es dabei wohl mindestens so einfach und gerecht wie Emissionshandel oder CO2-Steuern, die darauf abzielen, Marktversagen zu „korrigieren“.

Kommunitärer Kapitalismus

Ein Grund dafür, dass viele Umweltschützer, Progressive und sogar Sozialisten eine wichtige Rolle des staatlich gelenkten Aufbaus kohlenstoffarmer Infrastrukturen bei Klimaschutzmaßnahmen abgelehnt haben, ist, dass diese Initiativen in der Vergangenheit mit Technologien verstrickt waren, gegen die sich Umweltschützer eingesetzt haben. Die grüne Opposition gegen Kernenergie und Wasserkraftwerke hat sich zu einer Skepsis gegenüber zentralisierter Planung von Netzen und anderen Infrastrukturen entwickelt. Der weiche Energiepfad rund um Wind- und Solarenergie und Energieeffizienz wurde von Amory Lovins und seinen Mitstreitern in den 1970er Jahren explizit als alternative Energieinfrastruktur konstruiert, philosophisch und institutionell ebenso wie technologisch.

„In einer elektrischen Welt stammt Ihre Lebensader nicht von einer verständlichen Nachbarschaftstechnologie, die von Menschen betrieben wird, die man kennt, die auf der eigenen sozialen Ebene angesiedelt sind“, schrieb Lovins 1976 in seinem einflussreichen Essay 4 in der Zeitschrift Foreign Affairs, „sondern von einer fremden, abgelegenen und vielleicht demütigend unkontrollierbaren Technologie, die von einer weit entfernten, bürokratisierten, technischen Elite betrieben wird, die wahrscheinlich noch nie von Ihnen gehört hat. Entscheidungen darüber, wer wie viel Energie zu welchem Preis haben soll, werden ebenfalls zentralisiert – ein politisch gefährlicher Trend, weil er diejenigen, die Energie verbrauchen, von denen trennt, die sie liefern und regulieren.“

Lovins‘ Anti-Atompolitik und der kommunitäre grüne Utopismus wurden aus dem Misstrauen der Neuen Linken gegenüber den Institutionen des Establishments und dem Nachkriegskorporatismus geboren. Aber seine Vision erwies sich als viel besser geeignet für den neoliberalen Unternehmenskapitalismus. Lovins und sein Rocky Mountain Institute machen gute Geschäfte in der Unternehmensberatung, und Lovins ist ein Evangelist des grünen Kapitalismus geworden.

„Jede ernsthafte Energietransformation, ob Green New Deal oder pragmatische, parteiübergreifende Lösungen“, argumentierten Lovins und sein Kollege Rushad Nanavatty im Frühjahr 2019 in der New York Times, „muss Amerikas ungemein starken und kreativen Wirtschaftsmotor nutzen und nicht demontieren“. 5 Lovins‘ Alternative zum Green New Deal bietet altbekannte neoliberale grüne Rezepte, einschließlich Deregulierung von Versorgungsunternehmen und CO2-Bepreisung.

Die Argumente Lovins waren im Wesentlichen immer libertär und deregulierend. Es sei nur die Verzerrung der Energiemärkte durch die Politik, die auf Veranlassung der etablierten Betreiber von fossilen und nuklearen Energieträgern erfolge, behauptet Lovins seit langem, die die rasche Einführung erneuerbarer Energien verhindere. In Wirklichkeit war das Wachstum der erneuerbaren Energien von jahrzehntelangen staatlichen Subventionen, Aufträgen und Forschungsinitiativen abhängig. Aber Lovins ignorierte all das und behauptete schon seit Anfang der 1980er Jahre, dass die Kombination von Energieeffizienz und erneuerbaren Energietechnologien bereits die billigsten Energiequellen für Strom und eine Reihe anderer Anwendungen seien.

Die Soft-Energy-Vision von Lovins bildete die Grundlage für praktisch alle Initiativen im Bereich der grünen Energien seit den Energiekrisen der 1970er Jahre. Und da der zeitgenössische Umweltschutz seit den 1970er Jahren zunehmend mit dem zeitgenössischen Progressivismus und der Demokratischen Partei verschmolzen ist, passt die von Lovins vorgeschriebene grüne Präferenz für dezentralisierte und verteilte erneuerbare Energien gut zum reformierten Liberalismus und den New Democrats, die sich für ihn eingesetzt haben.

Doch da nun eine neue Generation von Progressiven und Klimaschützern den Übergang zu einer marktorientierten neoliberalen Politik in Frage stellt, ist die Linientreue der Progressiven zu Lovins dezentraler, marktorientierter Soft-Energy-Vision noch einmal zu überdenken. Dies umso mehr, als die Realität der erneuerbaren Energien im großen Stil kein bisschen wie die verteilte und dezentralisierte Utopie aussieht, die Lovins und seine Anhänger versprochen haben.

Die meisten erneuerbaren Energien stammen heute nicht mehr aus Häusern, die mit Solarmodulen verkleidet sind, sondern aus riesigen, industriellen Wind-, Solar- und Biomasseanlagen. Darüber hinaus erfordert die Skalierung erneuerbarer Energien, damit sie einen großen Beitrag zur Bekämpfung des Klimawandels leisten können, genau die Art von großen, zentralisierten und technokratischen Institutionen, gegen die Lovins in den 1970er Jahren angetreten ist: um riesige neue Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien gegen den Widerstand der örtlichen Bevölkerung durchzusetzen; um ein riesiges neues transkontinentales Übertragungsnetz aufzubauen, um Strom von Orten, die für Wind- und Solaranlagen geeignet sind, in die Städte und Industriezentren zu bringen, in denen er genutzt werden soll; um erneuerbare Erzeugungskapazitäten zusammenzulegen mit Infrastruktur und Industrie, die die großen Energieüberschüsse nutzen können, die durch die massive Erzeugung erneuerbarer Energien während Zeiten geringer Netznachfrage entstehen werden; und um Einsatz und Betrieb intermittierender Energiequellen mit dem Bedarf an Nachfragemanagement und Energiespeicherung in weiten geografischen Regionen zu koordinieren.

Und darin liegt der Haken. Umweltschützer haben lange Zeit das Versäumnis, in der Klimaproblematik voranzukommen, als Frage der sozialen Gerechtigkeit dargestellt. Öl- und Kohleindustrie und andere Unternehmensinteressen vereiteln angeblich den Willen der Menschen. Die Lösung liege in mehr Egalitarismus, mehr Protest, mehr Gemeinschaftsorganisation, mehr Demokratie von unten nach oben und mehr dezentralisierter Technologie. Aber ob mit Wasser- und Kernenergie oder mit Wind- und Solarenergie, der einzige im Entferntesten plausible Weg zu den Veränderungen, die viele Umweltschützer heute fordern – etwa Netto-Null-Emissionen bis 2030 oder die Stabilisierung der globalen Temperaturen bei 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau – würde von oben gesteuerte, zentralisierte, technokratische Maßnahmen erfordern, für die sich die meisten Umweltschützer in den USA eigentlich nicht begeistern können.

Die Erfordernisse groß angelegter technokratischer Aktionen zum schnellen Aufbau der Infrastruktur einer kohlenstoffarmen Wirtschaft lassen sich nicht ohne weiteres mit dem kommunitaristischen Small-is-beautiful-Lokalismus vereinbaren, der seit dem Aufkommen der Bewegung in den 1960er Jahren die Kultur und Politik des zeitgenössischen Umweltdenkens und -handelns prägt. Deshalb wurde die Rhetorik der Klimakrise in den letzten Jahren nicht um explizite und konkrete Vorschläge ergänzt, die Dinge zu tun, die eine Klimakrise zu erfordern scheint.

Progressive Umweltschützer treten stattdessen für Subventionen von sauberen Energietechnologien ein, während sie sich gleichzeitig gegen Konzerne wenden; sie fordern das Ende des Kapitalismus und greifen die marktorientierte Klimapolitik an, während sie sich weiterhin für eine Politik einsetzen, die auf der Entwicklung im Privatsektor und der Verbreitung kohlenstoffarmer Technologien basieren. Sie fordern im Prinzip enorme Investitionen in kohlenstoffarme Infrastrukturen, lehnen diese aber in der Praxis oft ab, wenn sie Umweltauswirkungen vor Ort mit sich bringen oder die Abschaffung lokaler Kontrollen und Vorrechte im Hinblick auf Raumordnung und Planung erfordern würden.

Gegen Windmühlen kämpfen

Es wäre zu einfach, die Diskrepanz zwischen apokalyptischen Behauptungen über die drohende Klimakatastrophe einerseits und andererseits der Bescheidenheit der Lösungen, die Klimaschützer vorzuschlagen bereit sind, als Zugeständnis an die politische Realität zu entschuldigen. Die politische Mobilisierung erfordert vielleicht Übertreibung, und obwohl die öffentliche Meinung die staatlichen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels weitgehend unterstützt, scheint es weder bei den Wählern noch bei den politischen Entscheidungsträgern den Mut zu geben, umfassende Beschränkungen des Konsums durchzusetzen oder einen Großteil der industriellen Kapazität des Landes im Namen der Vermeidung der Klimaapokalypse aufzugeben.

Und doch lehnt ein nicht unerhebliches Segment der Umweltbewegung und ihrer Anführer diese Art von Pragmatismus ausdrücklich ab. Denn die Welt habe nur etwa ein Jahrzehnt Zeit, um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, sonst würde die Zivilisation untergehen. Physik und Chemie, so der Umweltschützer und Autor Bill McKibben, seien nicht verhandelbar. 6 Die ausdrückliche Behauptung von McKibben, vielen großen Umweltverbände und zunehmend progressive Demokraten und demokratische Sozialisten wie Alexandra Ocasio-Cortez und Bernie Sanders ist, dass radikales Handeln der einzige Weg sei, um Klimakatastrophen zu vermeiden. Aber wenn diese Forderungen eine Art Radikalismus darstellen, dann nur einen, dem es grundsätzlich an einer klaren Vorstellung davon mangelt, wie eine solche Welt aussehen würde, in ihren Institutionen, ihrer eigentlichen sozialen und wirtschaftlichen Organisation oder den meisten ihrer konkreten Ausprägungen: Rationierung, Verstaatlichung oder gar Verhinderung des lokalen Widerstands.

„Der apokalyptische Umweltschutz hat seit seinen Anfängen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig solche pauschalen und unfertigen Forderungen gestellt."

Der apokalyptische Umweltschutz hat seit seinen Anfängen in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg regelmäßig solche pauschalen und unfertigen Forderungen gestellt. Aber es hat noch nie eine umsetzbare Agenda gegeben, für die sich der grüne Radikalismus tatsächlich begeistern ließe. Es ist eine Politik des Protestes und der Verneinung, der Divestments, des „In der Erde lassen“ und der Wachstumskritik. Es ist ein postmoderner Nihilismus, der sich mit den Merkmalen der moralischen Ernsthaftigkeit zu schmücken versucht.

Das Ergebnis ist ein Radikalismus, der Technikgläubigkeit angreift und gleichzeitig 100 Prozent erneuerbare Energie fordert. Der die Technokratie ablehnt, während er technokratische Lösungen von beispielloser Geschwindigkeit und Größe fordert. Er besteht darauf, dass Kapitalismus und Technologie das Problem und nicht die Lösung für unsere gegenwärtige Zwangslage seien. Letztlich verlangen aber die meisten Umweltschützer, einschließlich der radikalen Grünen – wenn man die markigen Sprüche und rhetorischen Kapriolen beiseitelässt – nichts Anderes als Kapitalismus mit CO2-Vorschriften und haufenweise Windrädern.

Aus diesem Grund ist an den ganzen Debatten innerhalb der Umweltschutz-Szene nicht viel dran. Die „Green New Dealers“ und die „Carbon Pricers“, jene, die an die Macht der Märkte glauben, und diese, die an die Macht des Staates glauben, unterscheiden sich eigentlich nicht. Kritiker auf der rechten Seite sehen das Ganze typischerweise entweder als schleichenden Sozialismus oder Maschinenstürmerei. Aber vor allem ist es eine Debatte unter Linksliberalen, die sich für Dinge interessieren wie die Frage, welche Mischung aus Staat und Markt, privat und öffentlich, Regulierung und Innovation, Market Pull oder Tech Push den optimalen Weg zu niedrigeren Emissionen bietet.

Unser gemeinsames neoliberales Haus

Die Tatsache, dass praktisch niemand auf der Seite der ökologischen Linken bereit zu sein scheint, sich für einen staatlich gelenkten Einsatz kohlenstoffarmer Infrastruktur und Technologie einzusetzen, deutet darauf hin, dass der größte Teil der Rhetorik über Klimakatastrophen und Kapitalismus hohl ist. Angesichts der Wahl zwischen großer Infrastruktur und großen Institutionen oder egalitärer Politik und dezentralen technoökonomischen Systemen haben progressive Umweltschützer sich schon vor langer Zeit entschieden. Was geschieht, wird letztendlich von Märkten, Privatunternehmen und unternehmerischer Innovation abhängen. Und zwar aus dem einfachen Grund, dass keine politische Institution, die in der Lage sein könnte, kohlenstoffarme Infrastrukturen in der Geschwindigkeit und dem Umfang zu planen, zu finanzieren, zu bauen und zu betreiben, die im Entferntesten mit einer tiefen und schnellen Senkung der Emissionen vereinbar wären, eine ausreichende gesellschaftliche Autorität erlangen wird.

Trotz der progressiven Behauptung, dass die wachsende Ungleichheit und der Klimawandel in den Jahren seit der Finanzkrise die bestehende politische und wirtschaftliche Ordnung beendet hätten, erklären diese Widersprüche, warum bisher keine ernsthafte egalitäre und demokratische Alternative zur Ära der neoliberalen Wirtschaftspolitik und des Unternehmenskapitalismus entstanden ist. Die Krise des Kapitalismus und der liberalen Demokratie des frühen 21. Jahrhunderts hat tatsächlich Raum für neue Modelle der politischen und wirtschaftlichen Organisation geschaffen. Doch die dominante Reaktion war eine Welle des populistischen Nativismus und des „weichen Autoritarismus“, getragen von Wählergruppen, die eher bereit sind, umfassende Macht in die Hände von politischen Autoritätspersonen zu geben, allerdings nicht die Art von Autoritätspersonen, von denen progressive Umweltschützer lange Zeit glaubten, dass sie den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft anführen würden.

Diese Entwicklungen sollten den Progressiven und Umweltschützern Anlass für eine Bedenkpause sein. Es ist bequem für Progressive, wegen des schwindenden Vertrauens in öffentliche Institutionen mit dem Finger auf Konservative zu zeigen. Und für Umweltschützer, das Leugnen von Tatsachen für das Versagen von Bürgern und Regierungen, sich für die Sache des Klimaschutzes einzusetzen, verantwortlich zu machen. Aber Progressive und Umweltschützer haben selbst viel Schaden angerichtet. Sie haben eine Weltanschauung aufgebaut, die zentralisierte Planung und technokratische Institutionen ablehnt und die genau von der Art der „politikbasierten Beweisführung“ 7 abhängt, die sie konservativen Intellektuellen und Aktivisten seit langem vorwerfen.

Seit ihrem gemeinsamen Entstehen in den 1960er und 70er Jahren haben der postmarxistische Progressivismus und die Ökologiebewegung an den Universitäten des Landes, vor allem in den Sozialwissenschaften, Hochburgen errichtet, aus denen ein alternatives Gefüge von Fakten, Werten und Politik aufgebaut wurde. In dieser Welt war die Geschichte der Modernisierung und Urbanisierung ganz und gar eine Geschichte der Einzäunung und Enteignung, nicht der Hoffnung und der Zusammenballung. Unsere anhaltende Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist in deren Welt eine enorme Verschwörung, die der Menschheit von „Extraktivisten“ aufgezwungen wird. Die Glaubenssätze lauten: Wir können die ganze Welt mit verteilten und intermittierenden Quellen erneuerbarer Energien versorgen; arme Inder und Afrikaner brauchen nur Solarmodule und Batterien, damit sie weiterhin ein einfaches Agrarleben mit ein paar modernen Annehmlichkeiten führen können; und Kleinbauern, Bauernmärkte und Stadtgärten sind die Lösung sowohl für die Umweltauswirkungen des globalen Ernährungssystems als auch für die Gesundheitsprobleme in einkommensschwachen Minderheiten-Communities.

„Der technologisch-wirtschaftliche Wandel wird von einem politischen und institutionellen Wandel begleitet, und beide werden sich gegenseitig verstärken."

Die Konservativen haben das Gleiche getan, durch Think Tanks wie das American Enterprise Institute und das Cato Institute sowie in den Wirtschaftsfakultäten der so genannten „Süßwasser-Universitäten“. In deren Welt sind die Märkte immer rational und effizient, die meisten öffentlichen Investitionen in Technologie und Infrastruktur dienen dem Abschöpfen von Geld, und der Klimawandel ist, wenn nicht sogar von Vorteil, so doch ein beherrschbares Problem, an das sich die Menschen problemlos anpassen werden.

Auf beiden Seiten existiert keine Vorstellung von einer Zukunft, in der Regierungen kohlenstoffarme öffentliche Bauprojekte wie große Kernkraftwerke, Wasserkraftwerke, industrielle Solar- und Windparks, Hochgeschwindigkeitsbahnsysteme und Technologien zur CO2-Abscheidung und -Speicherung in einem Umfang bauen, der zu einer raschen Dekarbonisierung der Weltwirtschaft notwendig wäre.

Tatsächlich sind die Weltanschauungen von Progressiven und Konservativen zwei Seiten derselben Medaille, die breitere Strömungen in den Kulturen der spätmodernen, fortgeschrittenen Volkswirtschaften widerspiegeln, in denen zunehmend autonome, individualistische und gut ausgebildete Bürger es politischen Autoritäten jeglicher Art nicht abnehmen, dass diese ihre Interessen vertreten.

In einer Welt, in der Wissenschaft und Wissen, Handlungen und Folgen endlos umstritten sind, ist eine Mobilisierung, wie sie von vielen Klimaschützern gefordert wird, einfach nicht möglich. In den Vereinigten Staaten oder den meisten anderen Teilen der Welt wird es keinen zentral gesteuerten Ausbau großer, zentralisierter Kernkraftwerke nach französischem Vorbild geben. Ebenso wenig werden die Vereinigten Staaten eine Mobilisierung im Stil des Zweiten Weltkriegs starten, um Windturbinen, Solarmodule und Elektrofahrzeuge herzustellen und einzusetzen.

Die Klima-Präsidentschaft, die ich mir eingangs ausgemalt habe, ist nicht nur deshalb wirklichkeitsfremd, weil die beschriebenen Ereignisse wahrscheinlich nicht so ablaufen oder interpretiert werden, wie es sich viele Umweltschützer vorstellen, sondern auch, weil es wenig Grund zu der Annahme gibt, dass wir in der Lage sind, einen politischen Konsens zu erreichen oder aufrechtzuerhalten, den ein solches Vorhaben erfordern würde.

Sofern der Klimaschutz unter diesen Umständen überhaupt voranschreitet, ist es viel wahrscheinlicher, dass er bruchstückhaft, oberflächlich, indirekt und ungeplant verläuft. Inkrementelle Schritte wie die Verbesserung der Flächen-, Energie- und Ressourceneffizienz, das Fortschreiten der Urbanisierung und die demographischen Entwicklungen werden tendenziell erfolgreicher sein als direkte Bemühungen zur Begrenzung der Umweltauswirkungen oder zum Einsatz von Umwelttechnologien. Nicht weil dies technisch nicht möglich wäre, sondern weil die Verbreitung von Werten, Identitäten und Ideologien, die die Modernisierung mit sich bringt, einfach nicht das Niveau der sozialen Solidarität oder des Konsenses stützen kann, das die Planung und Koordination von Infrastruktur und technologischer Entwicklung auf nationaler, geschweige denn globaler Ebene erfordern würde.

Nicht der französische Atomausbau oder die US-Wirtschaft im Krieg, sondern eher die Schiefergasrevolution oder Uber sind Modelle für die Transformation des Energiesystems. Beide sind ambivalent. Während Schiefergas die Bedeutung der Kohle auf dem US-Strommarkt deutlich reduziert zu haben scheint, ist es keineswegs klar, dass Ridehailing überhaupt einen Klimavorteil hat oder bringen wird. Aber sie sind gute Beispiele, denn beide waren bereits auf dem besten Weg, die globalen Energiemärkte bzw. die urbane Mobilität zu verändern, bevor die meisten Menschen verstanden, was vor sich ging. Tatsächlich wäre wahrscheinlich auch nichts passiert, wenn viele Menschen ihre Auswirkungen vollständig verstanden hätten. Zu der Zeit, als die meisten es taten, war es zu spät, um den Geist wieder in die Flasche zu stecken. Beide wurden durch jahrzehntelange öffentliche Technologiepolitik ermöglicht. Und beide haben ex post institutionelle und politische Anstrengungen ausgelöst, ihre Richtung und ihre Auswirkungen zu beeinflussen.

Auf diese Weise wird wahrscheinlich auch weiterhin technologischer Wandel leichter anzuregen und voranzutreiben sein als politischer Wandel. Der technologisch-wirtschaftliche Wandel wird von einem politischen und institutionellen Wandel begleitet, und beide werden sich gegenseitig verstärken. Aber es werden der technologische Wandel und die von ihm geschaffenen neuen Tatsachen sein, die eine politische und institutionelle Evolution ermöglichen. Dieser Wandel wird auf verschiedene öffentliche Initiativen und Institutionen zurückgehen und verschiedene Forderungen nach politischer oder rechtlicher Intervention aufwerfen. Aber der technologische Wandel selbst wird als exogen erlebt werden, und die Art der Interventionsforderungen wird unsere Erfahrung des technologischen Wandels als etwas von der Politik Getrenntes und Unabhängiges verstärken.

Ich würde mich freuen, wenn sich meine Prognose als falsch erwiese. Kohlenstoffarme Energie im Überfluss für alle ist ein öffentliches Gut, und eine konzertierte nationale Anstrengung öffentlicher Institutionen zum Aufbau dieser Infrastruktur wäre willkommen. Aber selbst Menschen, die sich als demokratische Sozialisten betrachten, scheinen nicht bereit zu sein, so etwas zu fordern. Das deutet darauf hin, dass wir, wenn wir große Fortschritte bei der Verringerung der CO2-Emissionen und der Bekämpfung des Klimawandels machen werden, dies wahrscheinlich viel stärker schrittweise, bruchstückhafter und dezentraler tun werden, was die Aussichten auf eine tiefe oder schnelle Verringerung der Emissionen äußerst unwahrscheinlich macht. Praktisch sind wir jetzt alle Neoliberale. Einige von uns haben es nur noch nicht bemerkt.

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