18.10.2017

Der Kampf gegen die Schlafkrankheit

Von Binta Iliyasu

Titelbild

Foto: IAEA Imagebank via Flickr / CC BY-SA 2.0

Die Trypanosomiasis – auch Schlafkrankheit genannt – ist eine Geißel des afrikanischen Kontinents. Medizinische Fortschritte und neue Maßnahmen gegen die Tsetsefliege geben jedoch Anlass zur Hoffnung.

Die Afrikanische Trypanosomiasis – beim Menschen allgemein als „Schlafkrankheit“ bezeichnet, bei Tieren als „Nagana-Krankheit“ – ist eine Infektionskrankheit, die durch Parasiten verursacht wird. Beim Menschen wird die Erkrankung durch Trypanosoma brucei gambiense (Erreger der westafrikanischen Schlafkrankheit) und Trypanosoma brucei rhodesiense (Erreger der ostafrikanischen Schlafkrankheit) hervorgerufen. Diese Erreger leben und vermehren sich extrazellulär im Blut und in Gewebeflüssigkeiten ihrer Säugetierwirte und sind aufgrund der hohen Anzahl an geeigneten Insektenüberträgern in Afrika sehr verbreitet. Die Tsetsefliege, als Hauptüberträger für die Entstehung der Krankheit bekannt, befällt südlich der Sahara eine Landfläche von etwa 10 Millionen Quadratkilometern, die sich über 40 Länder zwischen 14. Grad nördlicher und 20. Grad südlicher Breite erstreckt. Da viele dieser Gebiete ergiebiges landwirtschaftliches Potential aufweisen, stellt die Existenz des Überträgers ein schwerwiegendes ökologisches Problem dar, das durch die globale Erwärmung und die politischen Krisen in der Region nur verschlimmert wird.

Trypanosomen können nicht nur die meisten Haustierarten infizieren, sondern auch viele wildlebende Spezies, die aufgrund nicht vorhandener akuter Symptome zu Trägern und somit zu einer weiteren wichtigen Infektionsquelle werden. Die ökonomischen Verluste aufgrund der Trypanosomiasis im subsaharischen Afrika werden auf mehrere Milliarden US-Dollar jährlich geschätzt, ohne dass die Verluste in der Milchproduktion, im Transport und beim Dünger berücksichtigt werden. Etwa 65 bis 70 Millionen Menschen, die auf einer Fläche von 1,55 Millionen Quadratkilometern leben, könnten mit der ohne Behandlung tödlich verlaufenden Schlafkrankheit infiziert werden.

Jährlich sterben drei Millionen Rinder und 55.000 Menschen an den verschiedenen Formen der Krankheit. Überdies behindert sie die Aufzucht von Hausrindern, Schafen und Ziegen auf einer Fläche von über zehn Millionen Quadratkilometern und schränkt die landwirtschaftliche Produktion stark ein. Dadurch ist die Afrikanische Trypanosomiasis eines der Haupthemmnisse für die landwirtschaftliche Entwicklung. Die afrikanischen Staatschefs zählen sie zu den wichtigsten Faktoren, die die sozioökonomische Entwicklung des Kontinents behindern.

„Die Afrikanische Trypanosomiasis gilt als eine der größten Einschränkungen für die sozioökonomische Entwicklung Afrikas.“

Im Jahre 2008 sind etwa 48.000 Menschen an der Krankheit gestorben, schätzungsweise 50.000 – 70.000 sind infiziert und jährlich werden etwa 10.000 neue Fälle der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gemeldet. Obwohl der WHO-Bericht einen Rückgang der Trypanosomiasis-Fälle auf 3796 verzeichnet – der niedrigste Wert der letzten 75 Jahre – stellt die Krankheit noch immer eine Bedrohung für Millionen Afrikaner südlich der Sahara dar. Darüber hinaus wird angenommen, dass viele Fälle gar nicht erst diagnostiziert, gemeldet und daher nicht behandelt werden.

Die Häufigkeit der menschlichen Afrikanischen Trypanosomiasis unterscheidet sich von Land zu Land und innerhalb eines infizierten Gebietes; das Ausmaß der Erkrankung kann von einem Dorf zum anderen variieren. Menschen, die in der Landwirtschaft, Fischerei, Viehzucht oder Jagd arbeiten, sind der Fliege und der Krankheit am stärksten ausgesetzt.

Anzeichen und Symptome des frühen Stadiums einer Schlafkrankheit-Infektion sind Fieber, Kopfschmerzen sowie eine Vergrößerung der Milz und der Lymphknoten (generell der zervikalen Drüsen). Hinzu kommen lokale Ödeme des Gesichts und der Augenlider. Reizbarkeit, Schlaflosigkeit und Persönlichkeits- oder Stimmungsschwankungen sind ebenfalls frühe Anzeichen der Schlafkrankheit. Darüber hinaus können endokrine Fehlfunktionen, etwa in Form eines Schwangerschaftsabbruchs oder Unfruchtbarkeit auftreten. Die Inkubationszeit der gambischen Schlafkrankheit verläuft langsam und kann leicht übersehen werden. Demgegenüber steht die rhodesische Form, bei der die Infektion akut auftritt und innerhalb von ein oder zwei Wochen zum Tod führen kann. Die Gambische Form hingegen verläuft chronisch und langfristig. Patienten können jahrelang ohne Wissen um die Krankheit leben. Sie wird oft erst im Endstadium erkannt, wenn das Gehirn schon infiziert ist. Zum typischen Krankheitsbild kommen als Folge einer Immunsuppression begleitende bakterielle Infektionen hinzu, die auch zum Tod führen können.

Überträger-Kontrolle

Der Kampf gegen die afrikanische Trypanosomiasis wird in erster Linie mit Medikamenten und Überträger-Kontrollstrategien geführt. Eine weitere Maßnahme ist die Zucht von trypanotoleranten Rinderrassen. Die Kontrolle der Tsetsefliegen-Population ist eine der ältesten Methoden im Kampf gegen die Trypanosomiasis. Es geht dabei darum, den Übertragungszyklus zu stören und so das Auftreten der Erkrankung zu reduzieren. Frühere Maßnahmen zur Eindämmung der Tsetsefliegen waren zu grob und wurden durch billigere, gezieltere und umweltfreundlichere Methoden ersetzt. So war etwa das Töten von Wildtieren, von denen sich die Tsetsefliegen ernähren, eine dieser frühen Techniken. Die Insel Principe vor der Westküste Afrikas wurde komplett von Wildschweinen befreit, was zur Ausrottung der Fliege führte. Es kam zur Neuansiedlung einer Tsetsefliegen-Population, die nicht mit Trypanosomen infiziert ist. Landrodung, die die vollständige Entfernung der Buschvegetation umfasst, gehört zu den ältesten Methoden zur Reduktion der Tsetsefliege-Population. Da sich die Fliegen gerne auf Baumstämmen niederlassen, wurde ein für sie unbewohnbares Gebiet geschaffen. Diese Technik erfordert allerdings einen kontinuierlichen Rodungsaufwand und schadet der Umwelt. Anorganische, metallische Pestizide und Chlorkohlenwasserstoffe (z.B. DDT) wurden zur Kontrolle der Tsetsefliegen-Populationen verwendet. Die Insektizide werden lokal als Aerosolsprays in stark von Tsetsefliegen betroffenen Regionen eingesetzt.

„Die Schlafkrankheit ist eine Krankheit der Armen.“

Ein weiteres Mittel der Überträger-Kontrolle ist die Verwendung verschiedener Arten von Tsetsefliegen-Fallen zur Überwachung und Kontrolle der Populationen. Diese einfachen und preiswerten Fallen waren früher Nachahmungen von Vieh, während es heutzutage lediglich einfache Blätter oder bikonische Formen sind. Außerdem wird blauer Stoff verwendet, der die Tsetsefliegen bekanntermaßen anzieht. Bei der Steril-Insekten-Technik wird eine hohe Anzahl an männlichen Tsetsefliegen aufgezogen, anschließend mittels Gammastrahlung sterilisiert und in die Wildnis freigelassen, wo sie sich mit anderen Fliegen paaren. Da weibliche Tsetsefliegen sich gewöhnlich nur einmal paaren, verhindert eine Paarung mit einer sterilen männlichen Fliege, dass die die weibliche Fliege Nachkommen gebärt. Diese Steril-Insekten-Technik (STI) wurde auf der Insel Sansibar in Ostafrika zur lokalen Beseitigung von Tsetsefliegen und Trypanosomiasis angewendet. Zu den jüngsten Bemühungen in der Überträger-Kontrolle gehört die Panafrikanische Tsetsefliegen- und Trypanosomiasis-Ausrottungskampagne (PATTEC) durch die Organisation für Afrikanische Einheit (OAU), jetzt Afrikanische Union (AU), um die Tsetsefliege mittels Geruchsköderfallen, mit Insektizid behandelten Zielobjekten, Aufgusspräparaten, Ultra-Low-Volume-Aerial-Spray-Insektiziden und Steril-Insekten-Techniken auszurotten. Eine andere Methode besteht darin, beispielsweise durch den Einsatz von Gentechnik parasitenresistent gezüchtete Tsetsefliegen auszusetzen, die sich mit anderen Tsetsefliegen paaren, um so die Verbreitung der Erreger einzudämmen.

Medikamentöse Behandlung und Prophylaxe

Behandlung und Prophylaxe mit Medikamenten sind die wichtigsten Methoden zur Eindämmung der Schlafkrankheit, wenngleich sie noch zu schwach und unbefriedigend sind. Abgesehen von den großen Mengen an minderwertigen oder gefälschten Medikamenten auf dem Markt weisen die meisten synthetischen Medikamente, die zur Behandlung von Trypanosomiasis eingesetzt und in den letzten 50 Jahren entwickelt wurden, erhebliche Sicherheits- und Wirksamkeitsmängel auf. Der pharmazeutischen Industrie fehlen insbesondere die notwendigen Anreize für die großen und riskanten Investitionen in die Entwicklung neuer Trypanocide, die notwendig wären. Dies ist vor allem deshalb so, weil die Trypanosomiasis eine Krankheit der Armen ist.

Die Art der Behandlung hängt vom Stadium der Krankheit ab. Die Medikamente, die während der ersten Stufe der Erkrankung verabreicht werden, sind von geringerer Toxizität und leichter zu verabreichen, während jene in der zweiten Stufe toxisch und kompliziert zu verabreichen sind und der Erfolg davon abhängt, ob das Medikament die Blut-Hirn-Schranke passieren und Parasiten erreichen kann. Natriumarsenit ist die erste Verbindung, deren Wirksamkeit gegen die Trypanosomiasis bei Nagetieren nachgewiesen wurde, das war im Jahr 1902. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Medikamente, die in den letzten Jahrzehnten mehr oder weniger erfolgreich und mit mehr oder weniger starken Nebenwirkungen zur Behandlung der verschiedenen Formen der Trypanosomiasis eingesetzt wurden, z.B. Suramin, das arsenhaltige Tryparsamid, Pentamidin, das ebenfalls arsenhaltige Melarsoprol oder Eflornithin. Die WHO unterhält in Kooperation mit den Pharmakonzernen Sanofi-Aventis und der Bayer AG Programme, um die Medikamente für betroffene Länder kostenlos anzubieten. Auch wird an neuen Medikamenten geforscht, z.B. an dem oral zu verabreichenden Diamidin-Pafuramin.

Impfstoff gegen die Schlafkrankheit?

„Vorsicht ist besser als Nachsicht“, so lautet ein bekanntes Sprichwort im Kampf gegen Infektionskrankheiten wie die Trypanosomiasis. Die Probleme, die durch die Tsetsefliegen und Trypanosomiasis im subsaharischen Afrika verursacht werden, sind enorm. Sie sind mitverantwortlich für Ernährungsunsicherheit und Unterentwicklung. Neue Ansätze zur Prävention und Behandlung von Krankheiten bleiben eine hohe Priorität. Die Entwicklung eines wirksamen Impfstoffs ist ein zentrales Ziel zur Verringerung des Ausmaßes der Krankheitsübertragung. Viele Wissenschaftler aus der Trypanosomiasis-Forschung beziehen sich auf die Ergebnisse von Experimenten mit Labortieren, deren Blut voll von Parasiten ist, so dass keine Möglichkeit einer Impfung gegen die Trypanosomiasis besteht. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass sowohl N'dama-Rinder als auch das anfälligere Zebu-Vieh unter bestimmten Umständen den Parasitenbefall kontrollieren und sich klinisch erholen können. Da ähnliche Berichte auf die Existenz dieses Phänomens bei der Schlafkrankheit hindeuten, lassen Fortschritte der wissenschaftlichen Kenntnisse und Technologien auf neue Impfstoffe hoffen. Die Forschung wurde durch den Bericht über die Möglichkeit einer natürlich erworbenen Immunität angeregt. Durch die jüngsten Durchbrüche auf dem Feld der rekombinanten DNA-(Bio-)Technologie ist heute auch der Einsatz von DNA-Impfverfahren – also Impfstoffe, die Gene enthalten – möglich. Es wurden bereits eine Vielzahl von Proteinen, die im Parasiten, aber nicht im Wirt vorhanden oder dort wesentlich verschieden sind, als Ziele für einen DNA-Impfstoff identifiziert und sollen dafür verwendet werden. Der Kampf gegen die Schlafkrankheit wird an vielen Fronten geführt.

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