17.12.2010

„Der große Entwurf“ – Eine neue Erklärung des Universums

Oliver Tack über das neue Buch von Stephen Hawking und Leonard Mlodinov.

Warum gibt es etwas und nicht einfach nichts? Warum existieren wir? Warum gibt es im Universum scheinbar ein besonderes System von Gesetzen und nicht ein anderes? Mit diesen gewaltigen Fragen beschäftigt sich Stephen Hawking zusammen mit Co-Autor Leonard Mlodinow in seinem neuesten Werk „Der große Entwurf“. Ihre Antwort sei vorweg genommen, denn für Aufsehen sorgten sie gerade mit diesem kontroversen Punkt: Es sei nicht notwendig, einen Schöpfer als den ersten Beweger von etwas zu bemühen, der das Licht entzündet und das Universum in Gang gesetzt habe. Das Buch handelt im Grunde jedoch nicht von Religion, sondern beschäftigt sich trotz philosophischer Elemente vornehmlich mit Physik.


Auf rund 180 Seiten beschreiben Hawking und Mlodinow zunächst den Übergang von der naiven Vorstellung, die Bewegungen der Himmelskörper seien übernatürlichen Wesen zuzuschreiben, hin zur Formulierung allgemein gültiger Naturgesetze. Deren Beschaffenheit sei jedoch keineswegs eindeutig. Ein Goldfisch in einem kugelförmigen Aquarium würde beispielsweise Bewegungen von Körpern außerhalb seiner Behausung verzerrt wahrnehmen, da das Licht am Glas gebrochen wird. Er würde daher zu weitaus komplizierteren Beschreibungen der Wirklichkeit gelangen als jemand auf der anderen Seite der Scheibe, doch wären sie ebenso gültig. Die Autoren folgern, es gäbe keinen abbild- und theorieunabhängigen Realitätsbegriff. Es sei für die Güte eines Modells lediglich entscheidend, dass es beobachtbare Phänomene zuverlässig beschreibt und vorhersagt. Leider gäbe es aber keine einzelne, allgemein gültige „Weltformel“, wie Hawking selbst einst vermutete. Man müsse sich mit einer Vereinigung von Teiltheorien zufrieden geben, die Erscheinungen jeweils nur innerhalb eines bestimmten Bereichs beschreiben können. Da sich diese Bereiche aber stellenweise überschnitten, ließen sie sich als Teil einer übergeordneten Theorie auffassen: der M-Theorie. Sie erlaube zusammen mit der „Summe über alle Geschichten“ des Nobelpreisträgers Richard Feynman die Vorstellung, dass es zahlreiche unabhängige Paralleluniversen mit ganz unterschiedlichen Naturgesetzen gibt. Ihr zufolge existieren wir in einem, das zufällig eine lebensfreundliche Umgebung bereithält und nicht deshalb, weil es so von jemandem für uns gestaltet worden ist.


Das Buch bietet einen kurzen, gut lesbaren Überblick über moderne Teilchenphysik und Kosmologie, gewürzt mit dem typischen Hawking’schen Humor. Laien dürften aber trotz guter Einführung in späteren Kapiteln etwas ratlos dastehen, Physiker hingegen eine breitere Diskussion wünschen – nicht zuletzt deshalb, weil es konkurrierende Modelle gibt, die andere Szenarien erlauben. Einige Seiten mehr hätten dem „großen Entwurf“ also gut getan. Doch bedenkt man, dass der an ALS erkrankte Stephen Hawking nur noch umständlich mittels Sprachcomputer kommunizieren kann, erscheint dieses Manko verzeihlich. Auch so bleibt das Buch interessant und motiviert dazu, sich selbst Gedanken über unser Universum zu machen. (Oliver Tack)

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