01.04.2001

Das Verbot von DDT tötet Menschen

Analyse von Lorraine Mooney

Umweltschützer fordern das weltweite Verbot des Insektenvernichtungsmittels DDT. Die Folge: Zigtausend Menschen in Entwicklungsländern sterben an Malaria.

Wenn Jocchonia Gumede einen Anruf von zu Hause erhält, erschrickt er. In den vergangenen 18 Monaten sind sechs seiner engsten Verwandten an Malaria gestorben. Er arbeitet seit über 30 Jahren für die gleiche Familie in Johannesburg als Hausangestellter. Seine eigene Familie lebt in Jozini, im Norden von Kwa Zulu Natal. Sie versorgt sein Vieh und bearbeitet sein Land. Jozini ist ein außergewöhnlich schöner, aber ungesunder Ort zum Leben, denn Malaria ist in diesem Gebiet seit jeher endemisch. Als Junge erkrankte Jocchonia zweimal an dieser Krankheit. Er wuchs jedoch zu einer Zeit auf, als Medikamente und Insektizide die Menschen vor Ansteckungen bewahrten. Seit einiger Zeit sind die todbringenden Mücken wieder auf dem Vormarsch, und viele Menschen sterben.

“Durch den Einsatz von DDT konnten bis 1970 über 500 Millionen Menschenleben gerettet werden.”

Nach dem Zweiten Weltkrieg setzten Europäer und Amerikaner DDT ein, um die Malaria auszurotten. Die UN-Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte Europa 1975 zu einem malariafreien Gebiet. DDT verdrängte und tötete den Malaria-Überträger: die weibliche Anophelesmücke. Nach Angaben der US-Wissenschaftsakademie konnten durch den Einsatz von DDT bis 1970 über 500 Millionen Menschenleben gerettet werden. Seither wurden wahrscheinlich mindestens noch einmal so viele Menschen durch das Insektizid vor einer Ansteckung geschützt.
Aber DDT ist für viele Grüne ein “Teufelszeug”. Die erste Hetzjagd gegen das Mittel fand bereits vor 40 Jahren statt: Rachel Carsson stellte in ihrem 1962 erschienen Buch DDT als das größte “Umweltgift” schlechthin dar. Zu Zeiten, als DDT in der Landwirtschaft noch exorbitant zum Einsatz kam, hat es wahrscheinlich den Bruterfolg von Raubvögeln beeinträchtigt. Die Vogelbestände haben sich jedoch seither wieder erholt. Aus Umweltschutzgründen ist DDT seit 1979 in Deutschland verboten. Dennoch konnte auch nach 50 Jahren eingehender Studien kein eindeutiger Nachweis dafür erbracht werden, dass DDT für den Menschen schädlich ist. Ein Artikel der Wissenschaftszeitschrift Lancet bezeichnet die Studien über chronische Gesundheitsschäden durch DDT wenig aussagekräftig. DDT wird heute fast ausschließlich zur Bekämpfung von krankheitsübertragendem Ungeziefer eingesetzt. In Wohnbereichen wird DDT nur im Rahmen des Kampfes gegen Malaria verwendet. Dr. Amir Attaran von der Harvard Universität glaubt, dass die Menge an DDT, die in den 60er Jahren zum Pflanzenschutz in einer mittelgroßen Baumwollplantage gespritzt wurde, ausreichen würde, um alle Häuser in Guyana vor der Malaria-Mücke zu schützen. Diese Form der häuslichen Anwendung von DDT hätte seiner Meinung nach keine nennenswerte Auswirkung auf die Umwelt. Sogar Ralph Nader, der Präsidentschaftskandidat der amerikanischen Grünen bei der jüngsten US-Wahl, hat sich für den Einsatz von DDT ausgesprochen, und das will viel heißen, denn es gibt kaum einen überzeugteren Grünen als Nader.

 

 

Tod durch Malaria

Burundis Malaria-Epidemie ist die direkte Folge des DDT-Verbots.
In Burundi, einem der kleinsten und ärmsten Länder Afrikas, tobt eine Malaria-Epidemie von bisher unbekanntem Ausmaß. Bereits 1999 traten bei einer Bevölkerungszahl von ca. sechs Millionen Menschen zwei Millionen Malariaerkrankungen auf. Zehn Jahre zuvor erkranken “nur” 200.000 Menschen. Im Herbst 2000 überstieg die Infektionsrate die des Vorjahres um ein Vielfaches. Allein im November letzten Jahres wurden mehr als 720.000 Fälle registriert. Laut Informationen des burundischen Gesundheitsministeriums starben allein im Oktober 818 Menschen an der Krankheit, darunter mehr als 100 Kinder. Experten befürchten einen weiteren massenhaften Anstieg während der im Januar beginnenden Regenzeit. Der Grund für die massive Ausweitung der Krankheit ist die Einstellung des in den 70er und 80er Jahren durchgeführten Mückenbekämpfungsprogramms mit DDT. Zudem wurde in den vergangenen Jahren aus Gründen wirtschaftlicher Armut die landwirtschaftliche Bebauung von Marschland ausgeweitet.
Ziel der Weltgesundheitsorganisation war es noch in den 70er Jahren, Malaria rund um den Globus auszurotten. Der Durchbruch bei der Bekämpfung der Krankheit gelang, nachdem der Schweizer Chemiker und Medizin-Nobelpreisträger, Paul Hermann Müller, 1939 erkannte, dass DDT (Dichlordiphenyltrichloräthan) schon in geringen Mengen Insekten tötet, ohne den Menschen gesundheitlich zu gefährden. In Sri-Lanka konnte nach einer kontrollierten Anti-Malariakampagne unter Einsatz von DDT die Malaria innerhalb eines Jahrzehnts von 2,8 Millionen auf 17 Erkrankungen pro Jahr gesenkt werden. In Indien litten vor der “DDT-Ära” ca. 100 Millionen Menschen an Malaria. Nach dem Einsatz von DDT in den 60er Jahren sank die Zahl der Erkrankten auf weniger als 10 Prozent der Vorjahreswerte. Mit DDT gelang es, neben der Malaria zahlreiche weitere durch Insekten übertragene Seuchen einzudämmen (Leischmaniose, Gelbfieber, Pest usw.). DDT wurde 1944 zum ersten Mal in Neapel eingesetzt, um die dort grassierende Fleckenfieberepidemie zu bekämpfen. Über eine Million Menschen wurden mit dem Insektenvertilgungsmittel “eingestäubt”, und das Fleckenfieber verschwand fast zeitgleich. (Sabine Beppler)

 

Fast alle Entwicklungsländer verzeichnen eine Zunahme an Malariaerkrankungen. In Südafrika sind die Malariaraten um ca. 1000 Prozent gestiegen, weil statt DDT andere Insektenbekämpfungsmittel eingesetzt wurden, gegen die die Mücken Resistenzen entwickeln konnten. Da die Parasiten unterdessen auch gegen die für die Behandlung der Krankheit verwendeten Medikamente resistent werden, wurde in Südafrika sowie in anderen afrikanischen Ländern aus schierer Verzweiflung wieder auf DDT zurückgegriffen.

Dies hat jedoch den Protest der Grünen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, UNEP (United Nations Environment Programme) hervorgerufen. Bei einer für Mai in Stockholm geplanten Konferenz soll ein internationaler Vertrag unterzeichnet werden. Auf eine Konvention zur Ächtung oder starken Einschränkung von zwölf als besonders schädlich eingestuften Stoffen, den so genannten POPs (“Persistent Organic Pollutants”) – darunter auch DDT –, hatten sich bereits die Delegierten einer im Dezember in Johannesburg tagenden Konferenz geeinigt. Die Teilnehmer dieser internationalen UN-Konferenz verständigten sich darauf, den Einsatz von DDT zu begrenzen und nur in Einzelfällen als Ausnahme in kontrolliertem Maße für die Bekämpfung von Malaria zuzulassen.

“Die betroffenen Staaten werden aufgefordert, kein DDT mehr einzusetzen, wenn sie nicht auf Entwicklungshilfe verzichten möchten.”

Aber auch dort, wo die Ausnahmeregelung gilt, sind viele Staaten von Seiten internationaler Gesundheits- und Umweltorganisationen unter Druck gesetzt worden. Sie werden aufgefordert, kein DDT mehr einzusetzen, wenn sie nicht auf Entwicklungshilfe verzichten möchten. Belize und Bolivien gaben dem Druck der “US Agency for International Development” (US AID) nach. Mosambik, eines der ärmsten Länder weltweit, gibt eine ausweichende Antwort auf die Frage, ob es über die Entwicklungshilfe unter Druck gesetzt wird. Avertino Barreto, zuständig für die Schädlingsbekämpfung im Land, sagte mir jedoch, dass manche Geberländer sich deutlich gegen den Einsatz von DDT ausgesprochen hätten.
Politisch selbständigere Länder wie Indien oder China stellen weiterhin DDT für den eigenen Gebrauch her. Daher überrascht es, dass der indische Vertreter bei der Konferenz zur Ausarbeitung der Konvention sich nicht um die Gewährung eines Ausnahmestatus bemühte (Indien wird dies jedoch noch nachholen, bevor der Vertrag ratifiziert wird). Es stellte sich heraus, dass die dafür zuständigen Behörden gar nicht an der Diskussion teilnahmen und auch auf der Konferenz nicht vertreten waren.
Aus Angst vor einer möglichen Kürzung der Entwicklungshilfe und aufgrund schlechter bürokratischer Planung haben nur 15 Länder weltweit einen Ausnahmestatus beantragt, obwohl DDT in über 24 Ländern angewendet wird. Allein die Einbeziehung von DDT bei der Auflistung der POP-Schadstoffe und die Forderung nach deren Ächtung wird mit Sicherheit den Tod von Menschen zur Folge haben.
Südafrika hat um eine Ausnahmeregelung gebeten. Nachdem DDT im April letzten Jahres wieder eingeführt wurde, hat sich nach Angaben von Jocchonia die Zahl der todbringenden Mücken verringert. Jocchonia kannte den Grund für die DDT-Ächtung nicht. Auch die Debatten darüber, ob man den Einsatz von DDT für immer und überall verbieten soll, hat er nicht verfolgt. Er ist einfach nur eines von vielen Millionen Opfern einer gedankenlosen, übereifrigen Öko-Elite.
Jocchonias Frau verbrachte große Teile des vergangenen Jahres mit “Ausflügen” in die örtliche Klinik, da entweder sie oder eines ihrer Kinder an Malaria erkrankt war. Londiwe, ihre 16 Jahre alte Tochter, musste sich drei Krankenhausaufenthalten unterziehen und verlor zahlreiche Schultage. Die 22 Jahre alte Tochter Zanele und der 18 Jahre alte Sohn Duduze waren beide zweimal im Krankenhaus. Jocchonia selber erkrankte im Juli, während er an einer Beerdigung eines an Malaria gestorbenen Familienmitglieds teilnahm.
Abgesehen von den Ausgaben für die Fahrten in die Klinik konnte die Familie während der Zeiten der Erkrankung nicht die Felder bestellen. Niemand kümmerte sich um Jocchonias wertvolle Viehherde. Die Krankheit zerstört die Familie und zwingt sie in die finanzielle Armut.
Die Umweltschützer, die hinter der Kampagne für ein Verbot von DDT stehen, täten gut daran, sich folgende Namen einzuprägen: Siphiwe, Jabulani, Phumzile, Zondwayo, Phinias und Daniela. Es sind alles Verwandte von Jocchonia. Alle kommen sie aus dem gleichen kleinen Ort und alle verloren sie ihr Leben durch Malaria, nachdem DDT aus Umweltschutzgründen verboten wurde. Es gibt in Südafrika viele, denen es wie Jocchonia geht. Vor allem Kinder sind gefährdet. In Südafrika stirbt alle 15 Sekunden ein Kind an Malaria. Angesichts solch horrender Statistiken erscheint es abscheulich, dass westliche Staaten den Einsatz von DDT in Ländern der Dritten Welt verbieten wollen. Genau das möchte die UN-Konvention jedoch.

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