01.03.2003

Bt-Baumwolle: Hoffnung für Indiens Landwirte

Analyse von Oliver Rautenberg

Der Einsatz von Bt-Baumwolle ist eher eine Erfolgsstory denn ein Schauermärchen.

Indien ist mit rund einer Milliarde Einwohnern nach China das bevölkerungsreichste Land der Erde. Wirtschaftlich gesehen befindet sich das seit 50 Jahren demokratisch regierte Land in einem Spagat zwischen Vergangenheit und Gegenwart. So nimmt Indien in der Raumfahrt-, Nuklear- und Softwaretechnologie weltweit einen Spitzenplatz ein, gleichzeitig aber stammt rund ein Drittel des Bruttoinlandprodukts aus dem Agrarsektor, in dem rund 60 Prozent der indischen Erwerbstätigen ihr Auskommen finden. Angebaut werden hauptsächlich Reis, Weizen, Hülsenfrüchte, Ölsaaten und Baumwolle. Zu jährlich stark schwankenden Erträgen, wie sie in Europa und Nordamerika unbekannt sind, führen vor allem extreme jahreszeitliche Klimaschwankungen, die geprägt sind von Regen- und Dürreperioden.
Indiens Baumwoll-Anbaufläche ist mit 9 Millionen Hektar die größte weltweit, sie macht das Land nach den USA und China zum drittgrößten Produzenten der Welt. 60 Millionen Inder sind direkt oder indirekt in weiterverarbeitenden Textilindustrien vom Baumwollanbau abhängig. Bezeichnend für den Zustand des indischen Baumwollanbaus ist das Missverhältnis zwischen Anbaufläche und Ernte, vor allem im Vergleich zu den USA, Australien und China, wo insektenresistente Bt-Baumwolle einen immer größeren Anteil ausmacht. Nach Schätzungen des „International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications“ (ISAAA) liegt in Indien allein der durch den Baumwollkapselbohrer verursachte Ertragsausfall bei rund 300 Millionen Euro pro Jahr. Weitere 350 Millionen Euro kostet der jährliche Insektizideinsatz in den Baumwollfeldern.

Im März 2002 hat die indische Zulassungsbehörde nach einer dreijährigen Testphase mit mehr als 100 Freisetzungsversuchen erstmals erlaubt, Monsantos Bt-Baumwolle in einigen Regionen Zentralindiens anzubauen. Vertrieben wird das Saatgut von einem Jointventure aus Monsanto und dem indischen Saatgutunternehmen Mahyco. Auf rund 150.000 Hektar wird die aktuelle Anbaufläche geschätzt. 80 Prozent des transgenen Saatguts wurde an Landwirte verkauft, die Gelegenheit hatten, Versuchsfelder in ihrer Nachbarschaft mit eigenen Augen zu sehen. Nur 20 Prozent gingen in weiter entfernte Regionen.

„Die Bauern wären glücklich, wenn Bt-Baumwolle die Pestizidkosten nur halbieren würde.”

Die Kosten für konventionelles Baumwollsaatgut liegen bei ca. 950 Rupien pro Hektar (18,50 Euro), während für die gleiche Menge Bt-Baumwollsaatgut rund 4000 Rupien (knapp 78 Euro) zu bezahlen sind. Ökonomisch lohnt sich Bt-Baumwolle nur dann, wenn Pestizideinsparungen und Ertragszugewinn die Mehrkosten ausgleichen. Abhängig von Intensität und Häufigkeit des Kapselbohrerbefalls muss ein konventionelles Feld zwischen 10- und 20-mal pro Saison mit Insektiziden behandelt werden, wodurch Kosten von 600 bis 700 Rupien (zwischen 11 und 13 Euro) pro Hektar und Sprühung entstehen. Dagegen benötigt ein Bt-Baumwollfeld nach Angabe von P. Chengal Reddy, Ehrenvorsitzender der Föderation indischer Farmerverbände, nur zwischen vier und fünf Spritzungen pro Saison. Bis zu 10.000 Rupien (knapp 200 Euro) kann ein Landwirt also pro Saison und Hektar einsparen – zusätzlich zu dem verringerten Arbeitsaufwand. Da sind die 3000 Rupien (knapp 60 Euro) Mehrpreis für das Saatgut schnell wieder wettgemacht. Additiv stabilisiert Bt-Baumwolle den Ertrag, da die Kapseln kontinuierlich vor dem Kapselbohrer geschützt sind. In der Zeitschrift Indian Businessline wird der Kleinbauer Vittal Asaram Shelke zitiert, der bereits „glücklich wäre, wenn Bt-Baumwolle seine Pestizidkosten halbieren und seine Ernte auf rund 25 bis 30 Doppelzentner pro Hektar stabilisieren würde“. Momentan schwankt sie „zwischen sieben und 37 Doppelzentnern“.

Die Freilandversuche sowie das behördliche Zulassungsverfahren in Indien wurden von vehementer Kritik nationaler und internationaler Umweltgruppen begleitet, die in der Grünen Biotechnologie eine Abwendung von der traditionellen Agrarwirtschaft und ein Machtstreben multinationaler Konzerne sehen. Die Landwirte, so sagen sie, seien die Leittragenden. Die Prominenteste unter den einheimischen Kritikerin ist Vandana Shiva, Vorsitzende der Organisation RFSTE (Research Foundation for Science, Technology and Ecology). In einer Pressemitteilung vom 26. Oktober 2002 bezeichnet das Institut den erstmaligen Anbau von Bt-Baumwolle als ein komplettes Desaster für Indiens Bauern. Die Kritikpunkte im Detail:

  • Neue Schädlinge und Krankheiten befallen Bt-Baumwolle.
  • Bt-Baumwolle reagiert empfindlicher auf den Kapselbohrer als konventionelle.
  • In Madhya Pradesch hat Bt-Baumwolle vollkommen versagt
  • die Bauern sind finanziell ruiniert, da sich das teure Bt-Saatgut nicht gelohnt hat.
  • Bt-Baumwolle sei von der „Kräuselkrankheit“ (leaf curl virus) befallen – die Bauern verlangen Schadenersatz in Millionenhöhe
  • Bt-Baumwolle ist von der Wurzelfäule (root-rot disease) betroffen, was auf einer falschen Gen-Auswahl beruht.
  • Die Saatgutqualität ist miserabel, nur 50 Prozent der Samen waren keimfähig.
  • Monsanto versucht die Farmer „teils mit erschwindelten und falschen Aussagen“ an seine Produkte zu binden.
  • Die versprochenen Ertragssteigerungen treffen nicht ein.

Das RFSTE bewertet die Untersuchungen zur Biosicherheit als schwach und eine Anbauerlaubnis als nicht gerechtfertigt und fordert ein generelles Moratorium bei der Zulassung transgener Pflanzen in Indien. Ebenso lehnt es den monokulturellen Anbau und die damit verbundenen ökonomischen Sichtweisen rundweg ab. So sei in einer Monokultur alles, was nicht Nutzpflanze ist, Unkraut, wohingegen es indische Landwirte traditionell gewohnt seien, mehrere Nutzpflanzen gleichzeitig anzubauen und „Unkräuter“ als Medizin für Tiere und Pflanzen sowie als Tierfutter zu nutzen.

„Vandana Shivas Prinzip scheint es zu sein, emotional motivierte Kritik in wissenschaftliche Formen zu pressen, um Öffentlichkeit und Landwirte mit scheinbar stichhaltigen Argumenten auf ihre Seite zu ziehen.”

Validierte Studien über Erfolge oder Misserfolge liegen nach einem halben Jahr kommerziellen Anbaus nicht vor. Die Kritik der RFSTE kann daher nicht auf wissenschaftlichen Fakten basieren, sondern bestenfalls persönliche Eindrücke widerspiegeln. Schon in der Vergangenheit sind mehrere Petitionen der RFSTE gegen die indische Regierung gescheitert, da die vorgebrachten Argumente einer intensiven wissenschaftlichen Prüfung letztlich nicht standhielten. Bekannt ist zudem auch, dass Vandana Shiva auch vor dem Hintergrund fundamentalistischer und antiamerikanischer Positionen gegen die Grüne Gentechnik argumentiert. Shivas Prinzip scheint es zu sein, emotional motivierte Kritik in wissenschaftliche Formen zu pressen, um Öffentlichkeit und Landwirte mit scheinbar stichhaltigen Argumenten auf ihre Seite zu ziehen. In der wissenschaftlichen Gemeinde verlor sie dadurch jeden Respekt. Für westliche Umweltorganisationen wie Greenpeace avancierte sie dank ihres Gentechnik-Fokus zur erfolgreichen und unterstützenswerten Mitkämpferin.

Die Behauptungen von Vandava Shiva sind wissenschaftlich substanzlos. So wird die erwähnte „Kräuselkrankheit“ von einer Fliege übertragen, die an der Pflanze saugt. Durch spezielle, gegen saugende Insekten gerichtete Insektizide lässt sich diese Krankheit gut bekämpfen bzw. vermeiden. Klar, dass hier Bt-Baumwolle genauso behandelt werden muss wie konventionelle. Die von Shiva angesprochene „geringe Keimfähigkeit“ des transgenen Saatguts entspricht nicht den landwirtschaftlichen Erfahrungen. Keimfähigkeit wird von verschiedenen Parametern bestimmt und liegt niemals bei 100 Prozent. Normalerweise gibt der Bauer drei bis vier Samen in ein Pflanzloch hinein. Keimen mehrere Samen, so wird der stärkste Keim überleben, die restlichen gehen ein. Der Landwirt ist daher zufrieden, wenn ein Keim wächst. Unabhängig davon hängt die Keimfähigkeit nicht mit der gentechnischen Veränderung, sondern mit der Saatgutproduktion zusammen.

Aus Ländern wie den USA, China oder Australien liegen bereits Anbauerfahrungen mit Bt-Baumwolle vor, die durchweg positiv sind. Die Ernte konnte stabilisiert und die Pestizidkosten massiv gesenkt werden. Australien kündigte jüngst an, in Zukunft verstärkt auf Bt-Baumwolle zu setzen. In China ist die Anbaufläche für Bt-Baumwolle zwischen 1997 und 2001 von 2000 Hektar auf 1,5 Mio. Hektar gestiegen und damit auf einen Anteil von über 40 Prozent. In Australien beträgt der Anteil bereits 50 Prozent. In Südafrika wird seit 1998 Bt-Baumwolle angebaut und erste Studien zeigen, dass diese auch für Kleinbauern ökonomische und praktische Vorteile bringt.

Wie sich der Anbau von Bt-Baumwolle in Indien weiter entwickelt, werden die nächsten Jahre zeigen. Detaillierte Angaben zu Pestizideinsparungen und Ertragssteigerungen werden wohl frühestens einige Monate nach Ende der ersten Saison verfügbar sein. Bis dahin kann es keine validierten Aussagen geben. Vandana Shiva scheint es nicht wirklich um Einkommen und Lebensqualität der Landwirte zu gehen, sonst stünde sie der Einführung von Bt-Baumwolle offenherziger gegenüber. Ihr scheint einzig daran gelegen, ihre radikal-traditionelle Gesinnung mit allen Mitteln in die Öffentlichkeit zu tragen. Das ist vor allem bedauerlich für die indischen Bauern, denen sie aus egoistischen Motiven heraus eine mögliche Chance auf ein höheres Einkommen und eine ökologischere Wirtschaftsweise verweigern will.

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