12.05.2023

Blockierter Fortschritt in der Landwirtschaft

Von Steven Cerier

Titelbild

Foto: Lindsay Eyink via Flickr / CC BY 2.0

Deutschland behindert die Einführung von Gen-Editierung und anderen Innovationen der Pflanzenbiotechnologie in der EU.

Seit dem Jahr 2000 hat die EU eine sehr feindselige Haltung gegenüber gentechnisch veränderten Pflanzen (GVO) eingenommen, die sich auch in ihrer Ablehnung neuer Pflanzenzüchtungstechniken (NPBTs) wie die Gen-Editierung mit Verfahren wie CRISPR niederschlägt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern, darunter den USA, Brasilien, Japan, England, Kanada und Argentinien, wird die nächste Generation europäischer Nutzpflanzen nicht pestizidresistent und nährstoffreicher sein oder gegen Krankheiten, Dürre, Überschwemmungen und Braunfärbung optimiert werden.

Obwohl 60 GVO-Pflanzensorten für die Einfuhr nach Europa zugelassen sind, meist als Tierfutter, wird in der EU nur eine GVO-Maissorte angebaut. Der kommerzielle Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der EU ist auf ein Prozent der gesamten Maisanbaufläche der EU beschränkt (Mais ist die einzige zugelassene Kulturpflanze, die in Spanien und Portugal auf etwa 68.000 bzw. 2000 Hektar angebaut wird).

Laut einer bemerkenswert freimütigen Einschätzung des USDA Foreign Agricultural Service aus dem Jahr 2022 ist die Zukunft für transgene und gentechnisch veränderte Nutzpflanzen in Europa düster: „Die Gefahr der Zerstörung durch Aktivisten und schwierige Vermarktungsbedingungen [...] erschweren den Anbau von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen im Allgemeinen. Mehr als zwei Jahrzehnte lang führte die mangelnde Attraktivität von gentechnisch veränderten Lebensmitteln gegenüber herkömmlichen Lebensmitteln in Verbindung mit den ständigen Angstkampagnen von Gentechnikgegnern zu einer insgesamt negativen Einstellung der europäischen Verbraucher gegenüber gentechnisch veränderten Produkten.“

Die Befürworter der Gentechnik sahen im April 2021 einen Hoffnungsschimmer, als die Europäische Kommission eine Studie veröffentlichte, die neue Züchtungstechniken, einschließlich CRISPR, als potenzielles Instrument zur Erreichung der ehrgeizigen Ziele der „Farm to Fork"- und Biodiversitätsstrategien der EU propagiert.

In einer weiteren vielversprechenden Entwicklung entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Februar, dass genetisch veränderte Organismen, die durch In-vitro-Zufallsmutagenese erzeugt werden, von den strengen Vorschriften für GVO ausgenommen sind. Bei der Zufallsmutagenese, die seit den 1930er Jahren zur Entwicklung neuer Sorten bestehender Kulturpflanzen eingesetzt wird, werden Chemikalien, Röntgen- und Gammastrahlen sowie ultraviolettes Licht verwendet, um Mutationen im Erbgut zu bewirken und so eine gewünschte Eigenschaft in einem Saatgut zu erzeugen. Im Laufe der Jahrzehnte wurden mehr als 3000 Pflanzensorten entwickelt, darunter süße rote Grapefruit und Hartweizensorten. Die zufällige In-vitro-Mutagenese wurde in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs aus dem Jahr 2018 ausgenommen, doch ein französisches Gericht focht dieses Urteil an und kam zu de Schluss, dass die In-vitro-Mutagenese den GVO-Vorschriften unterworfen werden sollte. Der EuGH wies das französische Urteil zurück und stellte fest, dass in Anbetracht „der langen Sicherheitsbilanz in Bezug auf diese Anwendungen" Pflanzen, die aus der In-vitro-Mutagenese stammen, von der Einhaltung der bestehenden GVO-Richtlinien ausgenommen werden sollten.

Politik und neue Pflanzenzüchtungstechniken

Die politische Unterstützung für NPBTs nimmt in ganz Europa allmählich zu. Die Herausforderungen durch den Ukrainekrieg und den Klimawandel haben bei einigen einen Sinneswandel bewirkt.

  • Mehrere italienische EU-Parlamentarier haben als Reaktion auf die Hitzewellen und Dürreperioden in Europa die Gen-Editierung und andere neue Züchtungstechniken befürwortet.
  • „Neue genomische Techniken können die Nachhaltigkeit der landwirtschaftlichen Produktion im Einklang mit den Zielen unserer ‚Farm to fork'-Strategie fördern", sagte Stella Kyriakides, EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit.
  • Laut Antonio Tajani, einem ehemaligen EU-Kommissar für Unternehmen und Industrie, „können neue landwirtschaftliche Biotechnologien die Erprobung trockenheits- und schädlingsresistenterer Pflanzen ermöglichen", und diese Techniken sollten von der GVO-Richtlinie der EU von 1999 abgekoppelt werden.
  • Herbert Dorfmann, ein weiterer italienischer Europaabgeordneter, hat sich wie folgt dazu geäußert: „Wir brauchen Pflanzen, die widerstandsfähiger gegen Trockenheit sind. Und deshalb brauchen wir die Formen der Genetik, die zu diesem Zweck eingesetzt werden können, und deshalb müssen wir Gesetze erlassen [...], damit wir diese Technologien in ganz Europa einsetzen können."
  • Der tschechische Landwirtschaftsminister Zdenek Nekula ist der Ansicht, dass der derzeitige EU-Rahmen für die Genmanipulation eine „Einschränkung für die europäischen Landwirte darstellt, die zu einer Abwanderung von Fachkräften in Länder außerhalb der EU führt. [...] Den Landwirten in der EU könnte durch die Nutzung von Innovationen geholfen werden. [...] Wir müssen neue genomische Techniken unterstützen."
  • „Gen-Editierungsverfahren sind ein großartiges Instrument, um sicherzustellen, dass Nutzpflanzen weniger Wasser, weniger Pflanzenschutzmittel und Dünger benötigen und widerstandsfähiger gegen den Klimawandel sind", sagte Luis Planas, der spanische Landwirtschaftsminister.

Die Landwirtschaftsminister der meisten EU-Länder haben sich inzwischen für eine Lockerung der Vorschriften für die Pflanzenbiotechnologie ausgesprochen und begründen dies mit der Notwendigkeit, den Mangel an Düngemitteln, die Dürre und die abnehmende Bodenfruchtbarkeit, die die europäische Landwirtschaft bedrohen, zu bekämpfen. Italien, Schweden, Tschechien, die Slowakei, Litauen, die Niederlande, Malta, Irland, Ungarn, Rumänien, Estland und Belgien befürworten die Einführung neuer Gen-Editierungstechniken. Im März billigte das britische Parlament den Genetic Technology Precision Breeding Act, der den Einsatz neuer Gen-Editierungstechnologien sowohl bei Pflanzen als auch bei Tieren ermöglicht, sofern die Kennzeichnungsvorschriften und andere technische Fragen geklärt werden können. Das Gesetz gilt jedoch nur für England; in Nordirland, Wales und Schottland bleibt der Einsatz dieser neuen Technologien illegal.

Frankreich, dessen Unterstützung für die Akzeptanz in der EU von entscheidender Bedeutung ist, befürwortet eine Liberalisierung, ist aber vorsichtig, um der sich langsam entwickelnden öffentlichen Meinung nicht zu weit voraus zu sein. „Wir müssen in Frankreich in der Lage sein, auf kontrollierte, offene und transparente Weise und mit demokratischen Garantien Innovationen durchzuführen, die es ermöglichen, in der Praxis voranzukommen und sowohl die Produktivität als auch die Widerstandsfähigkeit gegen bestimmte Gefährdungen und Risiken zu verbessern", erklärte Präsident Macron im Jahr 2021. „Neue Züchtungstechniken gehören dazu." Im vergangenen September bezeichnete Frankreichs Landwirtschaftsminister die Gen-Editierung eine Lösung für das Klima und stellte fest, dass gentechnisch veränderte Nutzpflanzen dazu beitragen können, die Ernährungssicherheit und die Nachhaltigkeit zu verbessern.

Die Rolle Deutschlands

Deutschlands Position als größte Volkswirtschaft, bevölkerungsreichstes Land und größter Beitragszahler zum EU-Haushalt ist entscheidend für die mögliche Einführung von gentechnisch veränderten Nutzpflanzen in der EU. Die meisten deutschen Landwirte und Wissenschaftler unterstützen die Einführung von Gen-Editierung. Aber wenn die EU jemals für die Einführung der Gentechnik beim Anbau von Nutzpflanzen stimmen will, muss sie den starken politischen und gesellschaftlichen Widerstand überwinden. Das scheint unwahrscheinlich. Eine Pew-Research-Umfrage aus dem Jahr 2020 über die Wahrnehmung von GVO in 20 großen Ländern ergab, dass die meisten Deutschen bestenfalls skeptisch sind; nur 13 Prozent der Befragten hielten GVO für sicher (38 Prozent sagten, sie könnten es nicht beurteilen, 48 Prozent hielten GVO für unsicher).

„Die meisten deutschen Landwirte und Wissenschaftler unterstützen die Einführung von Gen-Editierung."

Es liegt eine gewisse Ironie in der deutschen Skepsis, die zu den stärksten in ganz Europa gehört. Nach Angaben des USDA „bleibt Deutschland [...] ein Hauptverbraucher von GVO-Produkten, da es jährlich fast sechs Millionen Tonnen Sojabohnen und Sojaschrot für Tierfutter importiert."

Zahlreiche Saatgutunternehmen von Weltrang sind in Deutschland ansässig, insbesondere Bayer, BASF und KWS. „Diese internationalen Unternehmen sind wichtige Lieferanten sowohl von gentechnisch verändertem als auch von konventionell erzeugtem Saatgut für Märkte außerhalb Europas", heißt es im USDA-Bericht. „Die Unternehmen haben jedoch inzwischen ihre Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten für gentechnisch veränderte Pflanzen an Standorte außerhalb der EU verlagert, zum Beispiel in die Vereinigten Staaten und in andere Länder wie Brasilien, Argentinien, Südafrika, Indien, China und Japan.

Außerhalb der Landwirtschaft und der Wissenschaft gibt es so gut wie keine politische oder öffentliche Unterstützung für neue Züchtungstechniken. Im Koalitionsvertrag der jetzigen deutschen Regierung, an der die Sozialdemokratische Partei, die Grünen und die Freien Demokraten beteiligt sind, wurden Begriffe wie „Gentechnik", „Gentechnologie", „neue genomische Techniken" und „neue Züchtungsmethoden" nicht erwähnt, da die Koalitionspartner in dieser Frage uneins waren.

Die SPD lehnte die Gentechnik in ihrem Parteiprogramm ab, als sie Teil der vorherigen Regierung mit den Christdemokraten war, und erklärte im Vorfeld der Wahlen im September 2021: „Wir werden weiterhin Nein zu gentechnisch veränderten Pflanzen sagen." Svenja Schulze, eine Sozialdemokratin, die in der letzten Regierungskoalition aus Union und SPD Umweltministerin war, drängte auf eine weitere Regulierung, die die Entwicklung von Nutzpflanzen, die neue Züchtungstechniken verwenden, effektiv ausbremsen würde.

Die Grünen haben sich stets gegen die Gentechnik ausgesprochen, und bei den Parlamentswahlen im September 2021 war das ein wichtiger Bestandteil ihres Programms. Die Partei bestand darauf, dass alle Produkte neuer Pflanzenzüchtungstechnologien als gentechnisch veränderte Organismen weiterhin streng reguliert werden sollten.

Nur die Freien Demokraten, das kleinste Mitglied der Drei-Parteien-Koalition, unterstützen öffentlich die NPBTs. Sie betonen das große Potenzial der Gentechnik für die biologische Vielfalt, den Boden und die Effizienz und drängen auf ein Regulierungssystem, das „wissenschaftsbasiert" ist. Die stellvertretende Parteivorsitzende, Carina Konrad, hat sich dafür eingesetzt und erklärt: „Mit neuen Züchtungstechnologien können wir die Erträge steigern, ohne die Nachhaltigkeit zu gefährden." Die Partei ist jedoch in keinem der Ministerien vertreten, die für die Gentechnikpolitik zuständig sind, wie z. B. Landwirtschaft und Umwelt, und hat daher wenig Einfluss auf die Regierungspolitik in dieser Frage. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass sie einen Bruch in der Regierung herbeiführen würde, um auf eine Lockerung der Vorschriften zu drängen.

Dissens unter grünen Politikern

Bei den deutschen Gentech-Gegnern scheint es keinen Platz für Kompromisse zu geben. Als eine kleine Gruppe grüner Abgeordneter, darunter ein EU-Abgeordneter, im Jahr 2020 ein Impulspapier veröffentlichte, in dem sie den Einsatz von Gentechnologien befürwortete, wurden sie von der Partei scharf zurechtgewiesen. Sie forderten einen „modernen" Ansatz für die Regulierung der Gentechnik und behaupteten, die Gen-Editierung könne eine wichtige Rolle bei der „Verbesserung der Nachhaltigkeit" spielen und biete Chancen „für einen gesunden Planeten und damit für das Wohl der Menschen und der Umwelt". Die Dissidenten drängten auf eine offene Debatte, um „Anwendungsbereiche auf der Grundlage von Risiken und Chancen zu diskutieren und zu definieren". Sie behaupteten, dass eine pauschale Ablehnung „nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft" entspreche und Monopolstrukturen in der Landwirtschaft fördere.

Die grüne Europaabgeordnete Viola von Cramon-Taubadel, eine der Mitverfasserinnen des Papiers, sagte, es sei geschrieben worden, „um die Debatte auf Fakten und wissenschaftsbasierte Politik auszurichten und nicht auf ideologisch geprägte Debatten": „Die derzeitige Regelung ist sehr widersprüchlich. [...] Die Tatsache, dass Gentechnologien wie CRISPR regelmäßig in der medizinischen Forschung, nicht aber in der Landwirtschaft eingesetzt werden, ist inkohärent und muss behoben werden.Diese Art der Überregulierung ist [...] ein Hindernis für kleine und mittlere Unternehmen [...] sie ist sehr bürokratisch, kostspielig und hemmend.“

Die Hardliner bei Greenpeace und anderswo waren entsetzt. Die Direktorin für EU-Lebensmittelpolitik, Franziska Achterberg, nannte es „ziemlich unglaublich, dass jemand, der hohe ökologische und soziale Standards verteidigt, für eine Aufweichung der EU-GVO-Standards ist [...]. [Agrarchemiekonzerne] profitieren von den Patenten auf Gentechnik und Saatgut, aber es ist nicht klar, warum irgendjemand bei den Grünen ihnen zustimmt."

„In Deutschland gibt es eine aktive Lobby für ökologische Lebensmittel, die die Gentechnologie entschieden ablehnt."

Steffi Lemke, Umweltministerin und Mitglied der Grünen Partei, lehnte die Liberalisierung entschieden ab: „Ich finde die derzeitige Verordnung genau richtig, weil sie das Vorsorgeprinzip aufrechterhält. [...] Es besteht keine Notwendigkeit für eine erneute Revision. [...] Genomische Techniken können natürlich auch negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft haben: Sie können zu unbeabsichtigten Effekten führen, wenn Pflanzen mit Resistenzen ausgestattet werden, die dazu führen, dass die Artenvielfalt eher geschädigt als geschützt wird."

Da die Grüne Partei und die Sozialdemokraten in dieser Frage einer Meinung sind, ist es wahrscheinlich, dass die Regierung weiterhin neue Pflanzenzüchtungstechnologien ablehnt und darauf besteht, dass sie wie GVO streng reguliert werden.

Ökologische NGOs unterstützen die Ablehnung der Grünen

In Deutschland gibt es eine aktive Lobby für ökologische Lebensmittel, die die Gentechnologie entschieden ablehnt. Die meisten Anti-Biotech-NGOs betrachten pflanzengenetische Innovationen misstrauisch und behaupten, sie würden von großen Unternehmen gesteuert (obwohl Gen-Editierung so kostengünstig ist, dass sie weltweit viele Unternehmensgründungen hervorgebracht hat) und seien nicht erprobt. „Aus gesundheitlicher Sicht ist wenig über sie bekannt, und aus technischer Sicht sind sie veraltet", meint der Verein Slow Food. „Sie haben schwerwiegende soziale Auswirkungen und bedrohen traditionelle Lebensmittelkulturen und die Lebensgrundlage von Kleinbauern".

Save our Seed, eine der einflussreichsten Anti-Gentechnik-NGOs, schreibt: „Save Our Seeds [...] setzt sich für eine Nulltoleranz bei der Verunreinigung von Saatgut ein. Aufgrund neuer Entwicklungen in der Gentechnik, die mit dem Aufkommen von CRISPR/Cas9 verbunden sind, hat Save Our Seeds seinen Schwerpunkt erweitert und setzt sich nun auch für eine GVO-freie Natur ein."

Der Bioverband Demeter erklärt auf seiner Website, dass er „seit jeher klar für eine GVO-freie Landwirtschaft eintritt, indem er jegliche Verwendung von gentechnisch veränderten Organismen verbietet. [...] Der Vorsorgeansatz für alle Veränderungen an unserem genetischen Erbe und der planetarischen Biodiversität ist von größter Bedeutung. Es ist unerlässlich, den freien Zugang zu genetischen Ressourcen zu gewährleisten und die genetische Vielfalt für künftige Generationen zu erhalten. Die Risiken und Gefahren, die von GVO ausgehen, sind nach wie vor aktuell und hoch […]."

IFOAM, Organics International mit Sitz in Bonn behauptet: „Wie die Geschichte gezeigt hat, sind Versprechungen von Herstellern, die GVO und Neue Genomische Techniken als Alternativen zu pestizidtoleranten Pflanzen anpreisen, mit Vorsicht zu genießen. [...] Bloße Versprechungen über erwartete Vorteile rechtfertigen keine Aufweichung der EU-Standards in Bezug auf den Umweltschutz und die Wahlmöglichkeiten der Landwirte und Verbraucher.“

„Die EU-Version des Vorsorgeprinzips wird selektiv und politisch angewandt, da viele riskante wissenschaftliche Innovationen grünes Licht erhalten haben, darunter kaum getestete mRNA-Impfstoffe."

Im Januar 2022 setzte sich die deutsche Regierung das unerreichbare Ziel, dass bis 2030 30 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen ökologisch bewirtschaftet werden sollen. Gegenwärtig sind es 10,2 Prozent. Selbst die Bio-Lebensmittelindustrie gibt zu, dass das Ziel unerreichbar ist. Alexander Beck, geschäftsführender Direktor des Verbandes der ökologischen Lebensmittelhersteller, räumte ein, dass diese Ziele eher ehrgeizig als realistisch sind. „Um zu wachsen, braucht der Sektor eine evolutionäre Entwicklung", sagte er. „Die Erzeuger müssten auf ökologische Produktion umstellen, während gleichzeitig die Verbraucher diesen Weg beschreiten müssten. [...] Das sind alles Prozesse, die natürlich Zeit brauchen."

Die politisierte Auslegung des Vorsorgeprinzips durch die EU

Die größte Hürde, die die Befürworter der Pflanzenbiotechnologie überwinden müssen, ist die taktische Berufung der Gegner auf das Vorsorgeprinzip. Die EU vertritt eine radikale Auslegung des Vorsorgeprinzips, nach der theoretisch jede Innovation abgelehnt wird, wenn die Beweise „nicht eindeutig" sind, ob sie „gefährlich" sein könnte. Das öffnet die Tür für die Blockierung fast aller neuen Technologien, jetzt und in Zukunft. Die EU-Version des Vorsorgeprinzips wird selektiv und politisch angewandt, da viele riskante wissenschaftliche Innovationen grünes Licht erhalten haben, darunter kaum getestete mRNA-Impfstoffe. Sie lehnt auch die zukunftsträchtige Formulierung der Rio-Erklärung von 1992 ab, der Europa zugestimmt hat und die besagt: „Wo ernste oder irreversible Schäden drohen, darf das Fehlen vollständiger Gewissheit nicht als Grund dafür dienen, kosteneffektive Maßnahmen zur Verhinderung von Umweltschäden aufzuschieben."

Europa wandte sich später von dieser Klausel ab. Sie schließt die Verwendung einer Reihe von gen-editierten Produkten, die die durch den Klimawandel verursachten Probleme aufhalten und in einigen Fällen sogar rückgängig machen könnten, praktisch aus. Obwohl der wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments eingeräumt hat, dass diese nicht risikoreicher als die herkömmliche Züchtung sind; Wissenschaftler haben nachgewiesen, dass die Verfahren im Labor die Vorgänge in der Natur nachahmen und keine ungewöhnlichen Risiken mit sich bringen. Doch Fakten und Vernunft haben die ideologischen Kritiker nicht überzeugt.

Kevin Stairs, Greenpeace-Berater für GVO-Politik in der EU, fasst die derzeitige Position der Umweltschützer in Europa zusammen: „Die EU-Kommission und die nationalen Regierungen müssen das Vorsorgeprinzip und die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs respektieren – GVO unter einem anderen Namen sind immer noch GVO und müssen nach dem Gesetz als solche behandelt werden."

Wie stehen deutsche Wissenschaftler zu den neuen Züchtungstechniken?

Irrationale Weltuntergangsszenarien spiegeln eine Geringschätzung der Wissenschaft wider. Im Gegensatz zu dem, was die Ablehner der Gentechnik der Öffentlichkeit weismachen wollen, besteht in der weltweiten wissenschaftlichen Gemeinschaft ein breiter Konsens über die Sicherheit und Wirksamkeit von GVO-Pflanzen.

„Irrationale Weltuntergangsszenarien spiegeln eine Geringschätzung der Wissenschaft wider."

Die deutsche Wissenschaft stimmt dem zu und befürwortet sowohl klassische transgene GVO als auch neuere Züchtungstechniken. Laut einem gemeinsamen Bericht der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften aus dem Jahr 2019 sollten die EU-Verordnungen zur Pflanzenbiotechnologie überarbeitet werden „ um genom-editierte Organismen vom Anwendungsbereich des Gentechnikrechts auszunehmen, wenn keine fremde genetische Information eingefügt wird und/oder wenn es sich um eine Kombination von genetischem Material handelt, die auch auf natürlichem Wege oder durch traditionelle Züchtungsmethoden entstehen könnte. [...] Die weitere Entwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft in Europa wird durch die besonders restriktiven, undifferenzierten sowie zeit- und kostenintensiven Zulassungsverfahren für molekulare Züchtungsprodukte erheblich behindert. [...] Die Anwendung des Vorsorgeprinzips darf nicht mit spekulativen Risiken verknüpft werden [...]. Der Nutzen neuer molekularer Züchtungsmethoden und ihrer Produkte muss angemessen und problemorientiert abgewogen werden.“

Keine Aussicht auf Besserung

Jüngsten Äußerungen wichtiger Regierungsvertreter zufolge hat sich an der ablehnenden Haltung Deutschlands gegenüber der Gentechnik im Pflanzenbau nichts geändert. „Das Zulassungsverfahren für GVO aus neuen gentechnischen Verfahren muss genauso streng bleiben wie für andere GVO", sagte eine Sprecherin des Landwirtschaftsministeriums. „Das bedeutet, dass wir an einem Zulassungsverfahren mit Einzelfallprüfung, strenger Kennzeichnungspflicht und Rückverfolgbarkeit festhalten werden."

Silvia Bender, Staatssekretärin im deutschen Landwirtschaftsministerium, äußerte sich ebenso unverblümt. „Eine Deregulierung [von GVO aus neuen gentechnischen Verfahren] auf europäischer Ebene würde den Wünschen der Verbraucher [nach Transparenz und Wahlfreiheit bei Lebensmitteln] zuwiderlaufen, und ich glaube, das sollten wir nicht tun."

Angesichts der ablehnenden Haltung vieler europäischer Politiker gegenüber gentechnisch veränderten Nutzpflanzen ist es unwahrscheinlich, dass die geltenden Vorschriften in nächster Zeit wesentlich gelockert werden, da dies ein Wespennest an Protesten aufreißen würde. Hochrangige EU-Beamte signalisieren öffentlich immer noch ein „langsames Vorgehen".

Um die Grundlage für eine deutliche Lockerung der strengen Vorschriften für NPBT-Pflanzen zu schaffen, müsste die Europäische Union eine solide Aufklärungskampagne durchführen, um den Status quo zu ändern. Sie müsste die misstrauische Öffentlichkeit davon überzeugen, dass die Gentechnik für die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Landwirtschaft unerlässlich ist, dass sie für den menschlichen Verzehr und in der Natur sicher ist und dass sie erhebliche Vorteile für die ökologische Nachhaltigkeit bietet. Sie müsste auch den Anti-Gentechnik-Desinformationskampagnen entgegentreten, die so erfolgreich waren, um in der Öffentlichkeit Zweifel an dieser Technologie zu säen.

Wenn die EU-Führung nicht genug Mut aufbringt, um es mit der grünen Lobby aufzunehmen, werden sich neue Züchtungstechniken in Europa nie durchsetzen, was den Verbrauchern in der EU und der Wettbewerbsfähigkeit Europas in den Bereichen Wissenschaft und Lebensmittelinnovation schadet.

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