02.07.2010

„Beyond Petroleum“: Ökomoral schadet der Umwelt

Von Patrick Hayes

Die großen Energiekonzerne müssen begreifen, dass eine effiziente und sichere Ölförderung moralischer Ansporn genug ist.

Seit Beginn der Ölkrise im Golf von Mexiko nennt US-Präsident Barack Obama die bedrängte Ölgesellschaft „BP“ immer wieder bei ihrem alten Namen „British Petroleum“, obwohl sie sich 2001 in „Beyond Petroleum“ umbenannt hat. In britischen Medien sowie in politischen Kreisen sorgte dies für großes Aufsehen. Der britische Premierminister David Cameron bat Obama sogar um eine Zusicherung, dass er nicht Großbritannien für das ganze Desaster verantwortlich machen werde. Aber es geht hier nicht um transatlantische Streitereien. Die Frage lautet eher: Warum war BP, der zweitgrößte Ölkonzern der Welt, überhaupt darauf versessen, sich vom „Petroleum“ zu lösen?


Gemeinsam mit der Werbeagentur Ogilvy Public Relations Worldwide verpasst der damalige Konzernchef Lord Browne Madingley 2001 seinem Unternehmen ein neues Markenimage: Es übernahm den neuen Werbeslogan „Beyond Petroleum“ (Jenseits von Erdöl) und ersetzte das traditionelle durch ein neues Logo, das an eine von grünen Blättern umrahmte Sonne erinnert. „Beyond Petroleum“, so meinte Browne, sei nicht nur ein Name; es repräsentiere auch die neuen Ziele und Vorsätze der Firma, sich von der Fixierung auf Erdöl zu lösen und auch Solarenergie, Erdgas, Wind und Wasserstoff zu berücksichtigen.


Tatsächlich leistete das Unternehmen sehr viel Aufklärungsarbeit, um auf die üblen Facetten jener Substanz hinzuweisen, der sie nach wie vor fast ihr gesamtes Einkommen verdankt. BP schaltete sogar Anzeigen, in denen die Ölindustrie kritisiert wurde, um damit die Bereitschaft zu mehr Demut, Transparenz und Offenheit zu signalisieren. Unter Brownes Führung wurde BP der erste multinationale Ölkonzern, der den Kausalzusammenhang zwischen erhöhten Kohlenstoffabgasen und dem Klimawandel propagierte. Der 2005 für die Website von BP entwickelte „CO2-Rechner“ trug dazu bei, den Begriff eines CO2-Fußabdruckes im öffentlichen Bewusstsein zu verankern. Mit Erfolg: BP gelang es, sich als die umweltfreundlichste Ölmarke zu positionieren und seine Markenbekanntheit von vier Prozent im Jahr 2000 auf 67 Prozent im Jahr 2007 zu steigern.


Erwartungsgemäß wurde BP von Umweltschützern der Heuchelei bezichtigt. Aber tatsächlich war das Gegenteil der Fall: Eher scheint es, als ob führende BP-Angestellte von grünen Aktivisten einer „Gehirnwäsche“ unterzogen wurden. In zahlreichen Schriften und Auftritten gefiel sich Browne in nahezu antikapitalistisch anmutenden Äußerungen: So postulierte, dass Gewinnstreben mit dem Streben nach einem höheren Sinn nicht zu vereinbaren sei, offenbar ohne zu bedenken, dass das Betreiben des zweitgrößten Ölkonzerns an sich bereits erstrebenswert genug ist. Diese Einstellung hat einen direkten Einfluss auf die Unternehmensentwicklung von BP genommen, wie die Streichung von Plänen, den Teersand in Kanada zu Ölgewinnung zu nutzen, beweist. Der Entschluss, dieses Projekt aufzugeben, deutet darauf hin, dass BP vor lauter grüner Imagepflege sein Kerngeschäft – das Finden, Fördern und Raffinieren von Erdöl – immer weiter aus den Augen verlor.


Es muss dem jetzigen, in die Schussbahn geratenen, BP-Boss Tony Hayward zu Gute gehalten werden, dass sich BP seit seinem Amtsantritt 2007 wieder stärker auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren begann. Hayward ließ das „Beyond Petroleum“-Etikett verschwinden, griff die Pläne wieder auf, die kanadischen Teersande abzubauen, stellte die Finanzierungen aller Windkraftentwicklungen außerhalb der US ein und schloss einige Solarzell-Fabriken – allesamt Maßnahmen, die mehr Brownes Öko-Marketing als einer nachhaltigen Konzernstrategie geschuldet waren. Im BP-Jahresbericht von 2009 kündigte Hayward in erfrischender Sachlichkeit an, dass BP bei aller Wertschätzung für die Entwicklung umweltfreundlicher Technologien auch weiterhin hochqualitativen Kohlenwasserstoffe herstellen müsse, die von einer Welt mit einer wachsenden Bevölkerung, wachsender Wirtschaft und größeren Mobilitätsanforderungen benötigt würden. „Die Menschen“, so heißt es in dem Bericht, „brauchen eine BP, die das tut worin sie am besten ist.“


Wäre Hayward früher auf der Bühne erschienen um den Schwerpunkt von grüner PR zurück auf das Tagesgeschäft und dessen Sicherheit zu verlagern, hätte die Öl-Katastrophe im Golf von Mexiko möglicherweise vermieden werden können. Falls Obama wirklich jemandem, wie er es versprach, wegen der Ölpest „in den Allerwertesten treten“ will, dann sollte Lord Browne zusammen mit seinen Kollegen in den BP-Chefetagen, die sich in den letzten Jahren zunehmend darin gefielen, sich als brancheninterne Anti-Öl-Aktivisten zu profilieren, auf dieser Liste ganz weit oben stehen.

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