24.03.2010

Anhaltende Aufregung um einen internationalen Medienscoop

Kommentar von Thomas Deichmann

Vor zehn Jahren endete am Obersten Gerichtshof in London ein folgenschwerer Prozess: Erstmals hatte mit dem Nachrichtensender ITN eine mächtige Medienorganisation die als Zensurgesetze bekannten britischen „libel laws“ genutzt, um mit der Zeitschrift "LM" einen unliebsamen und mittellosen Widersacher aus dem Rennen zu werfen.

Zehn Jahre ist es her, da endete am Obersten Gerichtshof in London ein folgenschwerer Prozess: Der britische Nachrichtensender ITN hatte 1997 wegen Verleumdung gegen das Monatsmagazin LM geklagt. Im März 2000 wurden daraufhin Mick Hume (LM-Chefredakteur), Helene Guldberg (Verlegerin) und der Verlag für schuldig befunden und zu horrenden Schadenersatzzahlungen verurteilt. Die Beklagten gingen bankrott, das Magazin wurde eingestellt. Erstmals hatte eine mächtige Medienorganisation die als Zensurgesetze bekannten britischen „libel laws“ genutzt, um einen unliebsamen und mittellosen Widersacher aus dem Rennen zu werfen.

Auslöser des Prozesses war die Publikation einer meiner investigativen Recherchen in der LM-Ausgabe von Februar 1997. In diesem medienkritischen Artikel, der auch in anderen renommierten Zeitungen Europas erschien (darunter die Schweizer Weltwoche, der Wiener Standard und Novo), hatte ich dargelegt, dass eine berühmte ITN-Aufnahme aus dem bosnischen Bürgerkrieg (ein ausgemergelter bosnischer Muslim hinter Stacheldraht, aufgenommen im August 1992 im Lager Trnopolje) eine Täuschung war. Nicht die Gefilmten, sondern die Journalisten waren bei den Aufnahmen von Stacheldraht umgeben. Während des Prozesses in London wurde die faktische Richtigkeit des Artikels bestätigt. Doch um zu gewinnen, hätten die Beklagten von LM und ich als einzig zugelassener Zeuge der Verteidigung beweisen müssen, dass ITN absichtlich eine Medientäuschung in Umlauf gebracht hatte, was nicht gelingen konnte.

Mick Hume, der heute als „Editor at large“ beim Novo-Partnermagazin Sp!ked fungiert und regelmäßig auch in The Times und in NovoArgumente publiziert, hat anlässlich des Jahrestags des High-Court-Urteils Bilanz gezogen, wie es seither mit der Meinungsfreiheit in Großbritannien bestellt ist. Sein englischsprachiger Artikel „Why we were right to fight“ ist bei Sp!ked erschienen. Über den Prozess in London hatte ich vor zehn Jahren einen Bericht mit dem Titel „Krieg mit Bildern oder Wer lügt gewinnt“ verfasst, der im Novo-Archiv zur Lektüre bereit steht. Welche defensiv-hysterischen Gegenreaktionen meine Medienkritik bis heute auszulösen vermag, zeigt ein aktueller Beitrag des britischen Journalisten Ed Vulliamy in der englischen Tageszeitung The Guardian mit dem Titel „Torture in Bosnia dismissed as a media ‘conspiracy’”.

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