01.11.2000

Als Rentner Eltern werden?

Essay von Lawrence M. Hinman

Lawrence M. Hinman vertritt die Auffassung, dass es keine Altersbeschränkung für werdende Mütter und Väter geben sollte.

Kurze Zeit nachdem die 59-jährige Jennifer F. aus England in einer Spezialklinik für künstliche Befruchtung in Rom Zwillinge geboren und sechs Monate später die 62-jährige Italienerin Rosanne Della Corte in derselben Klinik einen Jungen zur Welt gebracht hatte, verabschiedete die französische Regierung ein Gesetz, das Schwangerschaften nach der Menopause für unzulässig erklärte. Der französische Gesundheitsminister Dr. Philippe Douste-Blazy erklärte dazu, dass solche Schwangerschaften, die durch künstliche Befruchtung möglich geworden sind, moralisch nicht vertretbar und außerdem gesundheitlich bedenklich seien. Gleichzeitig verurteilte er den Egoismus der Frauen, die noch nach der Menopause schwanger werden wollen. “Nicht Frauen haben das Recht, ein Kind zu bekommen. Vielmehr haben Kinder ein Recht auf ein angemessenes Zuhause”, so seine Erklärung.

Neben Frankreich wurden auch in Italien Gesetze verabschiedet, nachdem die katholische Kirche dort die künstliche Befruchtung verurteilt hatte. Gleichzeitig untersagte der italienische Verband praktizierender Ärzte und Zahnärzte seinen Mitgliedern, eine Fruchtbarkeitsbehandlung bei Frauen über 50 Jahren durchzuführen. Ein anderer Ärzteverband kündigte sogar an, dass er die künstliche Befruchtung für alle heterosexuellen Paare im zeugungsfähigen Alter künftig nicht mehr unterstützen werde.

“Potenzielle Adoptiveltern, die beide 35 Jahre alt sind, dürfen kein Kind adoptieren, das jünger als fünf ist.”

Die Diskussion um angeblich erforderliche Altersbeschränkungen für Schwangerschaften findet nicht nur im Zusammenhang mit den Methoden der künstlichen Befruchtung statt. Bislang spielte sie über nationale Grenzen hinweg vor allem bei Adoptionen eine Rolle. So wurden in manchen Ländern strenge Altersgrenzen für Mann und Frau eingeführt – in einigen für beide Geschlechter ab dem gleichen Alter, in anderen etablierte man für Frauen eine Grenze bei 30 und für Männer bei 35 Jahren. In wieder anderen Ländern errechnet man die Altersgrenze für die Zulässigkeit einer Adoption nach einer Gleichung, in die das Alter des Kindes als bestimmender Faktor einfließt. So kann ein Kind nur dann adoptiert werden, wenn zwischen dem Alter des Kindes und der Summe des Alters der Eltern nicht mehr als 65 Jahre liegen. Potenzielle Adoptiveltern, die beide 35 Jahre alt sind, dürfen demnach kein Kind adoptieren, das jünger als fünf ist.
Woher aber stammt die Kritik am Kinderwunsch von Erwachsenen, die ein gewisses Alter erreicht haben? Experten sind der Auffassung, hier zeige sich vor allem die Skepsis der Menschen gegenüber neuen, noch unbekannten und unkonventionellen Lösungen. Eine Skepsis, die weniger rational als emotional zu rechtfertigen sei. Der Frage nach den Hintergründen solcher Kritik möchte ich im Folgenden auf den Grund gehen.

Zum Wohl des Kindes?


Eines der häufigsten Argumente gegen eine Schwangerschaft nach der Menopause und gegen Adoptionen ab einem bestimmten Alter der Wunscheltern lautet, dies sei dem Kind gegenüber nicht fair. Das Wohl des Kindes werde beeinträchtigt, denn die Eltern entwickelten altersbedingte Eigenschaften, die mit dem Wohl des Kindes nicht vereinbar seien. Der statistisch wahrscheinliche frühere Tod und ein altersbedingter Mangel an körperlicher und geistiger Energie werden als Begründung angeführt.
In zweifacher Hinsicht ist diese Argumentation jedoch nicht überzeugend.
Erstens sind nicht ein früher Tod und mangelnde Energie notwendigerweise durch das Alter bedingt. Und zweitens wäre erst einmal schlüssig zu erläutern, was sich hinter dem Konzept vom “Wohl des Kindes” eigentlich verbirgt. Zunächst einmal ist es nicht erwiesen, dass altersbedingte Eigenschaften dem Kind Schaden zufügen. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob es nicht umgekehrt sogar sehr positive Eigenschaften gibt, die mit höherem Alter und größerer Reife einhergehen. Gemessen an eventuellen Nachteilen, die sich möglicherweise aus dem höheren Alter der Eltern ergeben, können diese sogar überwiegen.

Schwangerschaft oder Adoption


Bevor ich jedoch auf dieses Problem näher eingehe, möchte ich mich zunächst mit dem konzeptionellen Unterschied zwischen der Kritik an Schwangerschaften nach der Menopause und der Adoption von Kindern ab einem gewissen Alter befassen. Vor allem ein Aspekt hat hierbei in Bezug auf die Diskussion um das Wohl des Kindes großes Gewicht: Obwohl bei dem Wunsch nach einer Schwangerschaft nach der Menopause unter Umständen nie ein Kind gezeugt oder geboren wird, geht es in der Diskussion vordergründig immer wieder darum, dass das Interesse des Kindes nicht gewahrt sei oder ihm ein Schaden entstehen könnte. Dies wirft interessante Fragen auf, die Experten wie Parfit und Feinberg in ihren Veröffentlichungen bereits untersucht haben.

Denn letztlich scheint es so, als ob dem Kind ein noch größerer Schaden entstehen könnte als überhaupt nicht geboren zu werden.
Bei Adoptionen hingegen treten einige Aspekte der Diskussion um den “Schaden” für das Kind vollkommen in den Hintergrund. Denn das Kind ist auf der Welt, und es gibt bei Adoptionen in der Regel nur die Wahl zwischen verschiedenen Elternpaaren oder gar keinen Eltern. Kinder ohne Adoptiveltern müssen im Heim aufwachsen. In solchen Fällen ist der Schaden, der dem Kind aufgrund einer Adoption durch Eltern mit höherem Alter entstehen könnte, sicherlich weit geringer als der Schaden, der entstünde, wenn gar keine Familie und klare Bezugspersonen gefunden werden könnten. Aber welcher “Schaden” kann eigentlich entstehen, wenn die Eltern beispielsweise über 35 Jahre alt sind? Die Argumentation zu dieser Frage bezieht sich vor allem auf die Mütter und darauf, dass Kinder bei deren Tod in der Regel jünger sind als im “Normalfall”, also bei jüngeren Eltern. Außerdem heißt es, ältere Paare könnten nicht mehr so viel Energie für die Erziehung der Kinder aufbringen, was sich schädlich auswirken könne.

Früher Tod der Eltern


Diese Argumentation basiert also auf der Annahme, dass Eltern, die sich erst spät für ein Kind entscheiden, zu einem Zeitpunkt sterben, an dem die Kinder noch relativ jung sind. Die 59-jährige Mutter der Zwillinge in England könnte statistisch gesehen sterben, wenn die Kinder noch wesentlich jünger sind als bei einem “normalen” Mutter-Kind-Verhältnis. Eine Mutter, die bei der Geburt des Kindes erst 20 oder 30 Jahre alt ist, kann natürlich im Schnitt viel mehr Lebenszeit mit ihrem Kind verbringen als eine Frau, die erst mit 40 oder 50 ihr Kind zur Welt bringt.
Das Problem bei dieser Argumentation ist, dass man sie leicht auch auf andere Fälle übertragen könnte. Und man müsste das sogar, wollte man eine solche Position schlüssig vertreten. Denn wenn Schwangerschaften nach der Menopause wegen der verkürzten parallelen Lebensdauer von Mutter und Kind als Problem betrachtet werden, dann sollten wohl auch Individuen, bei denen genetisch oder aufgrund einer diagnostizierten Krankheit ein erhöhtes Todesrisiko besteht, generell den gleichen Einschränkungen unterliegen. Denn auch bei ihnen ist vorhersehbar, dass das Kind wahrscheinlich nur relativ kurze Zeit mit den Eltern verbringen wird.

“Unser Vermögen, die Lebenserwartung von Menschen zuverlässig vorherzusagen, ist noch immer alles andere als ausgeprägt.”


Doch eine solche Haltung ist in mehrfacher Hinsicht problematisch: Erstens würde eine Entscheidung, die das Leben eines Menschen maßgeblich prägt, von doch recht unzuverlässigen Prognosen abhängig gemacht. Denn unser Vermögen, die Lebenserwartung von Menschen zuverlässig vorherzusagen, ist noch immer alles andere als ausgeprägt. Zweitens wäre eine solche Handhabe restriktiver, als es die meisten von uns akzeptieren wollten. Denn sie würde nicht nur Menschen mit unheilbaren Krankheiten in ihrer Entscheidungsfreiheit und ihrem Kinderwunsch rigide einschränken. Vielmehr wäre jeder, der wegen einer bestimmten Krankheit zu einer Risikogruppe zählt oder der durch eine Behinderung der Gefahr eines früheren Todes ausgesetzt ist, drastisch benachteiligt. Gerade in einer Zeit, in der sich unsere Gesellschaft mehr denn je für die Rechte von Behinderten und durch Krankheit benachteiligten Menschen einsetzt, können durch Forderungen wie nach Verboten von Schwangerschaften nach der Menopause neue Beschränkungen entstehen, die den fortschrittlichen Zielen in der Behinderten- und Gesundheitspolitik zuwiderlaufen.
Drittens wird der Tod der Eltern in dieser Diskussion als das zwangsläufig schlimmste Übel eingestuft, das einem Kind widerfahren kann. Dieses Urteil ist allerdings viel zu pauschal. Der Tod der Eltern ist ganz sicher ein tragisches Ereignis für jedes Kind. Aber das Leid und der Schaden, der dadurch entstehen kann, müssen abgewogen werden mit den Vorteilen, die Kinder durch das Leben in einer richtigen Familie erfahren können. Um schließlich endgültig beurteilen zu können, was nun besser für ein Kind ist, muss diese Bewertung zu guter Letzt in Beziehung gesetzt werden zu dem “Schaden”, der angerichtet worden wäre, wenn das Kind a) gar nicht erst geboren worden wäre (wenn also eine Schwangerschaft nach der Menopause untersagt worden wäre), oder wenn es b) nicht adoptiert worden und stattdessen in einem Heim aufgewachsen wäre.


Es ist legitim, in Frage zu stellen, dass bei solchen Positionen immer nur das so genannte Wohl und Interesse der Kinder betrachtet werden. Folgt man der Logik solcher Argumente, so müssten eigentlich alle Entscheidungen, die wir treffen, allein von den Interessen der Kinder geleitet sein. Das würde bedeuten, dass alle anderen Belange automatisch abgestuft werden. Und dies wirft schließlich die wichtige Frage auf, welche Bedeutung den Interessen von Eltern überhaupt beigemessen werden soll. Zählen deren Wünsche und Ziele gar nichts? Wäre es nicht logisch, dass sie zumindest Berücksichtigung finden sollten? Doch dazu später.

Schlechte physische Verfassung der Eltern


Die zweite zentrale Kritik an Eltern, die nicht mehr ganz jung oder sogar wesentlich älter als in “normalen” Familien sind, betrifft deren physische Verfassung. Aufgrund ihres Alters, so die Argumentation, könnten betagtere Eltern viele Anforderungen, die ihre Kinder ihnen abverlangen und die wichtig für ihre Entwicklung sind, nicht mehr erfüllen.
Oft geht es dabei um sportliche Aktivitäten. So wird moniert, dass eine Frau, die erst mit 59 Jahren ein Kind zur Welt bringt, bereits Mitte sechzig ist, wenn das Kind ein Alter erreicht, in dem sportliche Betätigung wichtig wird und Spaß macht. Der Höhepunkt unserer sportlichen Leistungsfähigkeit liegt aber erwiesenermaßen weit vor dem Rentenalter. Ferner wird problematisiert, dass Kinder, deren Eltern wesentlich älter sind als die von Mitschülern, leicht in eine Außenseiterrolle gedrängt werden können. Und außerdem argumentieren manche Kritiker, ältere Eltern könnten generell weniger Energie in die Erziehung ihrer Sprösslinge stecken als junge Väter und Mütter.


Doch auch diese Bedenkengruppe vereinfacht, pauschalisiert und geht zu weit. Denn wenn körperliche Fitness der Eltern eine essentielle Bedingung für eine gute Kindheit wäre, könnte man sogleich konstatieren, dass zahlreiche Kinder Mangelerscheinungen haben müssen. Denn auch viele junge Menschen sind nicht gerade fit, sie treiben keinen Sport und haben keinen besonderen Spaß an Bewegung.
Wer indes ein höheres Alter von Eltern als eine Art ungewöhnliche Eigenschaft brandmarkt und behauptet, das könne Kinder isolieren oder sie in eine gewisse Außenseiterrolle drängen, der müsste das gleiche Argument auch bei anderen “ungewöhnlichen Eigenschaften” gelten lassen, z.B. wenn ein Elternteil krank oder behindert ist oder mit sonstigen Auffälligkeiten versehen. Doch solche Pauschalisierungen würde zu Recht niemand akzeptieren wollen.
Bemerkenswert ist überdies, dass der Alterungsprozess sehr unterschiedlich verlaufen kann. Es gibt Menschen, die schon früh ergrauen und aufgrund ihres Aussehens oder ihres Wesens wesentlich älter wirken als sie in Wirklichkeit sind. Müsste man dann nicht auch von deren Kindern annehmen, dass sie leichter in die Isolation geraten?


Bestrebungen, die Elternschaft aufgrund des Alters von Vater und Mutter als unangemessen zu definieren, operieren also mit Argumenten, denen keinerlei Logik und Stringenz zugrunde liegt. Es ist unmöglich, schlüssig herzuleiten, dass das Alter von Eltern zwangsläufig die oben genannten “Probleme” mit sich bringt. Ebenso wenig können Verfechter solcher Theorien glaubhaft machen, dass das Wohl bzw. die Interessen des Kindes in solchen Fällen automatisch beschnitten werden.


Wo also sollte die Grenze gezogen werden? Sollten überhaupt Altersbeschränkungen für junge oder für ältere Menschen gelten? Oder haben wir nicht ohnehin relativ begrenzte Möglichkeiten, unsere Leben in dieser Hinsicht zu steuern und zu beeinflussen? Und ist es nicht auch gut so, dass die Familie zur Privatsphäre zählt, wobei uns nur in ganz besonders extremen Fällen ein Eingriff in diese Sphäre legitim erscheint?


Man sollte sich darüber hinaus auch folgende Frage stellen: Sind reifere und ältere Elternpaare für das Kind unter Umständen nicht sogar von Vorteil? Bei genauerer Betrachtung kann man solche möglichen Vorteile durchaus formulieren. Zum einen sind Menschen, die, sagen wir, Ende 40 sind, in der Regel finanziell besser abgesichert. Zum anderen stehen sie wahrscheinlich in der Mehrzahl unter weniger Druck, sich in ihrem Beruf zu beweisen als junge Menschen, die am Anfang ihrer Karriere stehen. Eltern, die in ihrem Beruf etabliert sind, können möglicherweise auch leichter Zeit und Ruhe für ihre Kinder aufbringen. Zudem ließe sich anfügen, dass Eltern ab einem gewissen Alter auch über eine größere emotionale Reife verfügen, was sich dahingehend auswirken kann, dass sie ihre Kinder mit mehr Feingefühl erziehen.

Unterschiedliche Maßstäbe zwischen Frau und Mann


Es gibt aber noch ein weiteres, leicht verborgenes Argument, mit dem Schwangerschaften nach der Menopause kritisiert werden. Dieses betrifft allein die Frauen. Die Zeugungsfähigkeit von Frauen ist von Natur aus leichter zu kontrollieren als die von Männern. Während es bei Frauen nach der Menopause eine natürliche Grenze der Fruchtbarkeit gibt, können Männer ohne jeden künstlichen Eingriff und ohne jegliche Unterstützung auch in hohem Alter noch Kinder zeugen. Vielleicht ist das auch der Grund, warum die 62-jährige Rosanna Della Corte nach der Geburt ihres Sohnes Ricardo heftig kritisiert wurde, während sich für die Tatsache, dass auch der Vater des Kleinen über 60 Jahre alt war, kaum jemand interessierte.

“Ob man eine Schwangerschaft nach der Menopause oder eine späte Adoption für gut heißt oder ablehnt, ist Geschmacksache.”

Spätestens an diesem Zwiespalt zeigt sich, dass die Debatte um Altersbeschränkungen von Eltern mit spätem Kinderwunsch von rein subjektiven Empfindungen geprägt ist. Ob man eine Schwangerschaft nach der Menopause oder eine späte Adoption für gut heißt oder ablehnt, ist Geschmacksache – nicht mehr und nicht weniger. Wäre das nicht so, müsste man logischerweise auch Altersgrenzen für Kinderwünsche bei Männern einfordern, man müsste Fitnesstests auch bei jungen Paaren einführen und prüfen, ob Väter und Mütter, gleich welchen Alters, genügend körperliche und geistige Energien für die Erziehung ihrer Kindes aufbringen können.

In manchen Ländern wird bei der Adoption eines Kindes ein klarer Unterschied zwischen Mann und Frau gemacht. Frauen unterliegen dabei schärferen Altersbeschränkungen als Männer. Das erlaubte Höchstalter kann bis zu fünf Jahre divergieren. Daraus ergibt sich eine merkwürdige Schlussfolgerung gezogen: Ein Altersunterschied zwischen Mann und Frau ist dann akzeptabel, wenn Frauen jünger sind. Die Ironie dabei ist: Wenn schon unterschiedliche Altersvorgaben gelten, dann müssten sie eigentlich umgekehrt ausfallen. Man sollte dann gestatten, dass nicht Männer, sondern Frauen bei der Adoption eines Kindes älter sind, weil sie erwiesenermaßen eine höhere Lebenserwartung haben.

Selbststimmung und Autonomie


Es gibt eine Grundsatzfrage, die all den Diskussionen über späten Kinderwunsch zu Grunde liegt: Wer darf oder sollte eigentlich bestimmen dürfen, ob, wie und wann sich Menschen fortpflanzen? Ich bin der Auffassung, dass Individuen diesbezüglich die größtmögliche Autonomie eingeräumt gehört. Dieses Selbstbestimmungsrecht sollte auch hinsichtlich des Eingehens der Risiken gelten. Freilich müssen Frauen über mögliche Gefahren genaustens aufgeklärt werden, wenn sie noch spät ein Kind zur Welt bringen möchten. Dennoch: Die Entscheidung, ob sie eine Schwangerschaft austragen wollen, sollte allein bei den Paaren liegen, es sei denn, eine Schwangerschaft wäre aus medizinischer Sicht unverantwortlich. Dann wären eingreifende Gespräche mit Dritten legitim.

Wenn ich die Auffassung vertrete, Männer und Frauen sollten bei der Frage ihrer Reproduktion die größtmögliche Entscheidungsfreiheit haben, will ich damit selbstverständlich nicht sagen, dass ich all ihre Entscheidungen immer als richtig oder klug erachte. Deshalb möchte ich einige abschließende Überlegungen zu bedenken geben. Man sollte sich einmal fragen: Warum wollen manche Menschen noch in hohem Alter überhaupt ein Kind bekommen? Die Antworten solcher Paare stimmen erstaunlicherweise mit denen junger Wunscheltern überein. Die wichtigste Frage lautet daher vielleicht, warum einige Paare sich nicht schon zu einem früheren Zeitpunkt auf einen Kinderwunsch eingelassen haben.
Hierfür kann es verschiedene Ursachen geben. Vielleicht ist ein Kind gestorben und die Eltern wollen diesen Verlust ersetzen. Sicherlich ist der Versuch, Ersatz für ein verstorbenes Kind zu finden, problematisch. Aber der Wunsch an sich hat nichts mit dem Alter zu tun. Im Falle von Rosanna Della Corte war dies übrigens die wichtigste Motivation. Ihr 16-jähriger Sohn war drei Jahre zuvor bei einem Autounfall ums Leben gekommen.


Es kann aber auch sein, dass eine Frau unfruchtbar gewesen ist – möglicherweise ihr ganzes Leben lang oder aber in der Phase, als sie sich Kinder wünschte. Dem Fortschritt in der Medizin ist es zu verdanken, dass diese Frauen heutzutage trotzdem schwanger werden können. Ihre Motive, Kinder zu bekommen, unterscheiden sich dabei nicht von denen anderer Mütter.
Schließlich könnte man sich auch Männer und Frauen vorstellen, die in einem späteren Lebensabschnitt erneut heiraten und sich dann mit dem neuen Partner ein Kind wünschen – ein sehr nachvollziehbarer Wunsch. Und auch wenn die Entscheidung für eine späte Schwangerschaft vielleicht keine weise ist: Sie hat nichts mit dem Alter zu tun und kann auch nicht wegen des Alters der Frau oder des Mannes abgelehnt werden.

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