01.07.2005

Allergisch gegen Lupinenmehl? Kann nicht sein, darf nicht sein!

Analyse von Thomas DeGregori

Allergische Reaktionen auf transgene Lebensmittel sind immer eine Schlagzeile wert. Wenn jedoch eine biologisch-organische Vorzeigepflanze allergische Schocks auslöst, kräht kein Hahn danach.

Anfang April veröffentlichte die Wissenschaftszeitschrift The Lancet einen Beitrag mit dem Titel „Lupin flour anaphylaxis“ („Überempfindlichkeit gegen Lupinenmehl“). Noch am selben Tag brachte die BBC auf ihrer Website einen Beitrag mit dem Titel „Lupin flour ‚poses allergy risk’“ heraus. [1] Seither herrscht jedoch Todesstille im medizinisch-wissenschaftlichen Blätterwald.

Anlass für den Beitrag in The Lancet war der Fall einer Frau, die nach dem Verzehr von Zwiebelringen einen schweren anaphylaktischen Schock erlitten hatte. Später kam heraus, dass in dem Teig der Zwiebelringe Lupinenmehl enthalten war. Während des Essens hatte der Mund der Frau angefangen zu jucken, ihre Lippen und ihre Zunge waren geschwollen. Fünf Minuten später hatte sie bereits Atemnot, ihre Kehle war zugeschwollen und sie fühlte sich sehr schwach. Die herbeigerufenen Sanitäter diagnostizierten einen anaphylaktischen Schock und verabreichten ihr intramuskulär Adrenalin. Da sich ihr Zustand dennoch rapide weiter verschlechterte, wurde sie ins Krankenhaus gebracht und auf dem Weg dorthin mit Sauerstoff und zwei weiteren Dosen Adrenalin versorgt. Im Krankenhaus wurden ihr dann intravenös Flüssigkeit, Hydrokortison und Chlorpheniramin verabreicht. Letztlich erholte sich die Frau vollständig und ohne weitere Komplikationen. [2]

Wie dem Beitrag in The Lancet weiter zu entnehmen ist, war dies nicht der erste registrierte Fall einer schweren allergischen Reaktion gegen Lupinen. Bereits im Jahr 1994 hatte in Frankreich ein fünfjähriges Mädchen, das unter einer diagnostizierten Erdnussallergie litt, Nesselfieber sowie ein Angioödem entwickelt, nachdem es mit Lupinenmehl angereicherte Spaghetti verzehrt hatte. Unter einer Lupinenmehlallergie, so heißt es weiter, leiden zumeist Patienten, die auch auf Hülsenfrüchte, insbesondere auf Erdnüsse, Soja und Erbsen allergisch reagieren. [3] Es gibt viele Hinweise darauf, dass Menschen mit einer Erdnussallergie bereits bei der ersten Aufnahme von Lupinenmehl einen anaphylaktischen Schock erleiden können. Meinem begrenzten Wissen nach ist eine anaphylaktische Reaktion beim ersten Kontakt bisher nur bei Traubenkraut-Allergikern aufgetreten, wenn diese Echinacea purpurea (Purpursonnenhut) einnahmen. [4] Echinacea gehört zur Familie der Traubenkrautpflanzen. Die Daten weisen darauf hin, dass Kreuzreaktionen zwischen Echinacea und anderen natürlichen Allergenen bei Menschen, die noch nicht mit Echinacea in Kontakt waren, zum Auftreten von allergischen Reaktionen führen können. Wie im Falle der Lupinen scheint diese Reaktion jedoch auf keinerlei öffentliches Interesse zu stoßen, obwohl das Produkt weit verbreitet ist und häufig verwendet wird, insbesondere von Patienten, die alternative Heilmittel modernen Pharmazeutika vorziehen.

Nach der Lektüre dieser Berichte ging ich zunächst davon aus, dass das Lupinen-Problem auf Europa beschränkt sei. Dennoch blieb ich skeptisch, nicht zuletzt, weil Lupinen – ähnlich wie Fuchsschwanz und andere exotische Früchte – heute unter den Liebhabern ökologischer Ernährung als sehr „trendy“ gelten. Ich fing an zu „googeln“. Zunächst stieß ich auf eine Ernährungsseite, auf der ein Anbieter von sich behauptete, Pionierarbeit hinsichtlich der Nahrungsmittelproduktion für Veganer und Tierrechtsaktivisten zu leisten. Es sei „unsere Spezialität, Nahrungsmittel ohne jeden tierischen Ursprung zu produzieren“, hieß es dort, und weiter: „Wir produzieren wohlschmeckende Produkte, die insbesondere für Menschen, die eine vegane Diät befolgen, oder solche, die allergisch auf tierische Produkte wie Milch und Eier reagieren, ideal sind.“ Unter anderem fanden sich zahlreiche Rezepte, in denen Lupinen zu den Zutaten gehören. Eine andere, britische Website bot ein biologisches Korn- und Lupinenbrot zu einem Kilopreis von umgerechnet fast 14 Euro zum Verkauf an. Während meiner Suche stieß ich auf weitere „neue und ergiebige, nicht gentechnisch erzeugte Lupinen-Variationen“, die von einer US-amerikanischen Handelskette, die stolz von sich behauptet, gentechnikfrei zu sein, angepriesen wurden. Lupine wurden hier als eine „genügsame Pflanze“ beschrieben, „die sich gut für die ökologische Produktion eignet und damit eine gute Alternative zu Soja als Proteinquelle für die Rindermast darstellt“.

„Wo sind Organisationen wie Greenpeace oder Friends of the Earth, wenn sie wirklich einmal gebraucht werden?“

Man stelle sich vor, der Auslöser dieser schweren allergischen Reaktionen wäre ein transgenes Nahrungsmittel gewesen! Niemand wird daran zweifeln, dass es dieser „Skandal“ auf die Titelseiten der Zeitungen gebracht hätte. Sogar aus überhaupt nicht existenten allergischen Reaktionen auf transgene Lebensmittel stricken Anti-Gentech-Aktivisten normalerweise ihre Legenden. In einem Falle hatte ein Saatguthersteller eine transgene Sojapflanze zur Tierfutterherstellung entwickelt, diese aber, als sie sich in den Tests als allergieauslösend herausstellte, niemals in Umlauf gebracht und stattdessen die Untersuchungsergebnisse in einer hochkarätigen medizinischen Fachzeitschrift veröffentlicht. [5] Doch sogar dieser Vorgang, eigentlich ein Paradebeispiel dafür, wie das System funktionieren sollte, wurde von Aktivisten zu einer Horrorgeschichte über die Gefahren transgener Lebensmittel umgeschrieben. Manche Mythen leben ewig, unabhängig davon, wie widerlegt sie sein mögen.
Die Frage ist durchaus legitim: Warum verbreiten die Medien Mythen über eingebildete und von ideologischen Aktivisten erfundene Ernährungsgefahren, während andere Berichte von tatsächlicher und allgemeiner Bedeutung unter den Redaktionstisch fallen? Wäre der Fall des durch Lupinenmehl ausgelösten anaphylaktischen Schocks auf transgene Pflanzen zurückzuführen gewesen, die Reaktion hätte hysterische Ausmaße angenommen. Hysterie ist in diesem Falle nicht angebracht – egal, ob transgen oder nicht –, aber die potenzielle Gefährdung für Allergiker durch Lupinenmehl hat mehr verdient als das fast vollständige Schweigen des Blätterwaldes. Noch gibt es im Lupinen-Fall zu viele unbeantwortete Fragen, als dass wir uns ein endgültiges Urteil erlauben könnten; es gibt aber genügend bereits beantwortete Fragen, um die Öffentlichkeit angemessen zu informieren, zu warnen und darüber nachzudenken, ob Lupinenmehl beinhaltende Lebensmittel zu kennzeichnen wären. Wenn die allergischen Reaktionen auf Lupinen so schwerwiegend sind wie im Falle der Erdnussallergie, müssen Nahrungsmittelproduzenten die Vorteile den potenziellen Gefahren gegenüberstellen, die durch die Verwendung von Lupinenmehl anstelle von nicht oder weniger allergenen Zutaten entstehen. Um eine sinnvolle Diskussion hierüber zu fördern, sollten die Medien dieses Thema ruhig und sachlich aufgreifen und der Öffentlichkeit bekannt machen.

Nicht zuletzt stellt sich die Frage nach den Ursachen für das Schweigen der Nichtregierungsorganisationen: Wo sind Greenpeace oder Friends of the Earth, wenn sie wirklich einmal gebraucht werden? Wo waren sie, als vor einigen Monaten über die „Dioxinverseuchung“ von frei lebenden Hühnern und ihren Eiern berichtet wurde? Warum hat man von denen, die sich ansonsten für das vollständige Verschwinden von Dioxin aus unseren Lebensmitteln einsetzen, in den letzten Jahren nie etwas von diesem durchaus schon bekannten Problem gehört? Keine dieser Organisationen forderte die völlige Dioxinfreiheit von Hühnern und Eiern. Dänische Studien haben zudem ergeben, dass ein hoher Prozentsatz von Hühnern in Bodenhaltung mit Campylobacter jejuni (einem Erreger von Magen-Darm-Infektionen, der mit dem Guillain-Barré-Syndrom, der häufigsten Ursache für akute generalisierte Lähmungserscheinungen in Europa und Nordamerika, in Verbindung gebracht wird) infiziert sind. Auch hierüber schwiegen sich NGOs und Medien aus. Es wäre wünschenswert, wenn in den Medien besser zwischen Legenden und Fakten unterschieden würde: Erstere gehören in den Reißwolf, letztere in die Nachrichten.

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