12.05.2017

Trugbild Tabaklobby

Analyse von Christoph Lövenich

Wie bei aktuellen Forderungen nach einem Tabakwerbeverbot zeigt man gerne mit dem Finger auf die angebliche einflussreiche Tabakindustrie. Eine Täuschung, jüngst auch von der „heute-show“ verbreitet.

Bekanntlich möchte die Bundesregierung verbleibende Tabakwerbemöglichkeiten wie Kinospot und Reklameplakat auch noch untersagen. Ebenso bekannt ist, dass sich bei den Koalitionsabgeordneten im Bundestag, primär bei der CDU/CSU-Fraktion unter Volker Kauder, die Begeisterung dafür in so engen Grenzen hält, dass der Gesetzentwurf bisher nicht zur Abstimmung kam. Das lässt vermuten, dass sich das Anliegen durch die Diskontinuität des Gesetzgebers erledigen könnte – für diese Wahlperiode.

Damit geben sich die Anhänger der Tabakbekämpfung jedoch nicht zufrieden, immer wieder erscheinen Medienbeiträge mit lautem Gequengel. So pars pro toto vor ein paar Wochen bei Plusminus und Anfang des Monats in der F.A.Z. Vergangenen Freitag sprang dann die ZDF-„heute-show“ auf den Zug auf, Oliver Welke predigte minutenlang von seiner Schreibtischkanzel. Einseitige Stimmungsmache dieser Art gehört zum Standardrepertoire von Sendungen der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, und die „heute-show“ hatte erst vor kurzem noch gegen vermeintlich zu weiche Alkoholregulierung gewettert.

Selbstverständlich kommen keine Argumente für Werbefreiheit zur Sprache – die von der „heute-show“-Redaktion durchaus hochgehaltene Meinungsfreiheit endet offenbar bei kommerziellen Äußerungen. Freier Wettbewerb in der Marktwirtschaft – über die Welke vor ein paar Wochen noch den protektionistischen US-Präsidenten Trump belehrt hat – findet keine Erwähnung, bedarf er doch der Informationskanäle von den Anbietern zu den potentiellen Nachfragern. Ein weiteres Drehen an der Werbeverbotsschraube ginge zu Lasten kleinerer und neuer Hersteller – wollen Welke & Co. die Marktanteile der großen Tabakkonzerne zementieren?

„Seit Jahrzehnten agiert die Tabakwirtschaft defensiv und will meist nur neuerliche Verbote abschwächen.“

Im Web-Artikel zum Beitrag ist von der „zweifelhaften Rolle der Kommunen“ zu lesen. Aber selbstverständlich wollen die Städte und Gemeinde nicht auf die Einnahmequelle Außenreklame (Flächen werden an Werbefirmen verpachtet) verzichten, sie hätten sogar Probleme, die ganzen Buswartehäuschen zu finanzieren, wenn der für diese Werbemedien wichtige Zweig Tabakwerbung wegfiele. Immerhin wird ein CDU-Bundestagsabgeordneter im O-Ton gezeigt, der einen Dammbruch – Ausweitung der Werbeverbote auf immer mehr Produkte – durch „Menschheitsverbesserer“ befürchtet. Aber darauf keine substanzielle inhaltliche Erwiderung. Nur der Hinweis, dass Bulgarien kürzlich einen ähnlichen Beschluss gefasst hat, und Deutschland nicht aus der Reihe tanzen solle. Und das seit Jahrzehnten unvermeidliche Mantra vom Einfluss der „Tabaklobby“.

Als vermeintlicher aktueller Beleg dienen 32 Gespräche von hochrangigen Vertretern der Bundesregierung (Bundesminister, Parlamentarische und beamtete Staatssekretäre) mit Vertretern der Tabakwirtschaft in dieser Wahlperiode. Bei denen das Thema Werbeverbot überwiegend gar nicht zur Sprache kam. Es gab ja auch sonst genügend staatliche Gängelmaßnahmen gegen das Rauchen, insbesondere zur deutschen Umsetzung der EU-Tabakproduktrichtlinie (Ekelbilder, Packungsmaße, Rezepturen, Verfolgbarkeit), um die es u.a. gegangen sein wird. Dabei – und seit Jahrzehnten – agiert die Tabakwirtschaft defensiv und will meist nur immer haarsträubendere Verbote und neuerliche Tabaksteuerexzesse abschwächen und verzögern. Ohne dauerhaften Erfolg. „Macht“ sieht anders aus.

Das gesetzliche Werbeverbot für Tabakwaren im Radio und Fernsehen bestand schon über ein Jahrzehnt und der staatliche verordnete Warnaufdruck mehrere Jahre 1, bis diese ach so gewaltige Interessenvertretung überhaupt den ersten hauptamtlichen Lobbyisten eingestellt hat: Erst 1987 war dies soweit, als in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn das Geschrei der Tabakgegner nach mehr Gängelung lauter und lauter wurde. Dessen Arbeitgeber war der VdC (Verband der Cigarettenindustrie), der seit zehn Jahren nicht mehr existiert, weil er sich im Streit auflösen musste.

„Der ‚War on Tobacco‘ richtet sich nicht gegen (Groß)unternehmen, sondern gegen den einzelnen Raucher.“

Eine breite Phalanx der Tabakbranche existiert nur in der Fantasie der Regulierungsbefürworter: Philip Morris hat mit seiner neuen Strategie seit der Jahrtausendwende – z.B.: für mehr Regulierung, wenn sie den Mitbewerbern mehr schadet als einem selbst – den VdC zum Platzen gebracht, danach bestand ein Jahr lang gar kein Verband der großen Konzerne mehr und dem 2008 gegründeten DZV (Deutscher Zigarettenverband) gehört Marktführer Philip Morris nicht an. Aus dem Verband der Rauchtabakindustrie (VdR, Dreh-, Stopf und Pfeifentabak) ist 2012 der Konzern BAT ausgetreten, da er dessen tabaksteuerpolitische Vorstellungen nicht mittragen konnte. In beiden Fällen lassen sich die Trennungen auf härter gewordenen Regulierungsdruck zurückführen. Und nicht nur zwischen den Branchenriesen finden sich Interessenunterschiede, auch zwischen Global Playern sowie Klein- und Mittelständlern bei den Produzenten, vom Handel (Groß~ und Einzel~) ganz zu schweigen.

Die Weltkonzerne trifft die Tabakbekämpfung übrigens weniger hart als den kleinen Zigarrenimporteur, den regionalen Automatenaufsteller, den Fachhändler an der Ecke oder den vom Rauchverbot betroffenen Kneipier. Aber die taugen eben nicht so gut zum aufgeblähten Feindbild, gegen das sich die Antitabakszene profilieren kann. Letztlich richtet sich der „War on Tobacco“ ohnehin nicht gegen (Groß)unternehmen, sondern gegen den einzelnen Raucher. Lebensstil und Genussorientierung des Einzelnen stehen auf der Abschussliste.

Insofern greift das „Märchen von der bösen Tabaklobby“ nur in die PR-Trickkiste: Da die Prohibitionisten für sich selbst vor Jahrzehnten schon die Rolle des Helden reserviert hatten, brauchte man eben einen Schurken. Daher hieß es damals ganz offen: Wir müssen die Tabakindustrie dämonisieren, sie als gewissenlos, manipulatorisch und verbrecherisch darstellen – in umso gleißenderem Licht erscheinen wir selbst als deren angebliche Feinde. Dabei hat sich das Rauchen über viele Jahrhunderte zunehmend verbreitet, ohne dass daran irgendwelche Konzerne heutigen Zuschnitts mit Marketing, Produktwerbung oder anderen Strategien ihren Anteil hatten. Diese sind vielmehr erst durch zigmillionenfache Nachfrage entstanden, ähnlich wie z.B. moderne Nahrungsmittelkonzerne, die auch Ergebnis und nicht Ursache von Lebensmittelkonsum sind. Übrigens wurde das Rauchen mit einer ähnlichen Inbrunst wie heute schon vor hunderten von Jahren bekämpft, als an die heutigen Großunternehmen noch gar nicht zu denken war.

„Wurstwerbung erreicht keine Veganer, Tabakwerbung niemanden, der nicht rauchen möchte.“

Wenn Tabakkonzerne genauso wie alle anderen Großunternehmen Reklame, Lobbying oder Forschungsfinanzierung betreiben, gilt das auf einmal als böse. Manche Praktiken mögen angreifbar sein, stechen aber gegenüber anderen Branchen nicht negativ hervor. Und ihre Werbung wird zur Schlange im Paradies stilisiert, die zu von der Obrigkeit verbotenen Früchten lockt. Bei Werbung geht es aber darum, anderen Marktanteile abzuknüpfen, sie wendet sich nicht an Personen, die sich für das Produkt überhaupt nicht interessieren. Wurstwerbung erreicht keine Veganer, Tabakwerbung niemanden, der nicht rauchen möchte.

Der Erfolg eines Projekts, auch das einer „Tabakfreien Welt“, hängt eng mit der Schwäche seiner Gegner zusammen. Deshalb hat man das Trugbild Tabakmonster erzeugt, und es erfolgreich zum Schämen in die Ecke gestellt. Die Tabakwirtschaft reagiert nur, und das mit bescheidenem Resultat. Dreist pflegt man dennoch die Schimäre der „mächtigen Tabaklobby“. Die Antitabaklobby wiederum, Gesundheitsbürokratien überall auf der Welt, einschlägige Pharmakonzerne als wesentliche Finanziers, oder Bill Gates, reichster Mann und Antiraucher der Welt sowie führender Mäzen der Weltgesundheitsorganisation (WHO), geraten dabei praktischerweise aus dem Blickfeld. Obwohl sie viel besseren Zugang zur Regierungspolitik, bis rauf ins Kanzleramt, haben. Aber darüber wird uns die „heute-show“ frühestens am Sanktnimmerleinstag aufklären.

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