28.09.2015

Die Kirche und der Goldene Reis

Analyse von Reinhard Szibor

Beim Widerstand gegen die Grüne Gentechnik ist inzwischen alles erlaubt. Der Umgang der Evangelischen Kirche mit der grünen Gentechnik ist ein eindrucksvoller Beleg. Die Kirche hat bei diesem Thema jede moralische Orientierung verloren.

Sobald es um die Grüne Gentechnik geht, ist die Abkehr von demokratischen und rechtsstaatlichen Tugenden gesellschaftlich akzeptiert. Vorurteilsgeleitete Affekte, welche die Biologin, Bloggerin und Journalistin Brynja Adam-Radmanic [1] im hier diskutierten Zusammenhang einmal „Grünen Hass“ genannt hat, sind in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Sie machen auch vor kirchlichen Kreisen keinen Halt. Auf dieser Basis werden Straftaten weitgehend akzeptiert und das Rechtssystem wird ad absurdum geführt. Viele sehen ihre Gegnerschaft zur Grünen Gentechnik gewissermaßen als Ausdruck des gesunden Menschenverstandes an. Sie kommen gar nicht mehr auf die Idee, ihre durch die jahrzehntelang organisierte Angstmache der Gentechnikgegner zum „impliziten Wissen“ [2] gewordene Abneigung zu hinterfragen.

„Vandalismus ist inzwischen eine akzeptierte Form der Durchsetzung politischer Interessen“

Fehlende Bereitschaft, angenommene Standpunkte zu überprüfen, und eine Unverhältnismäßigkeit der Aktionen zeigen auf, bei welchen Handlungen und Einstellungen man vom „Grünen Hass“ sprechen kann. Hier sind z.B. die Zerstörungen von Versuchsfeldern und Gewächshäusern zu nennen. Vandalismus, eine gesellschaftlich inzwischen akzeptierte Form der Durchsetzung politischer Interessen, hat dazu geführt, dass in Deutschland Forschungen in diesem Bereich praktisch nicht mehr möglich sind. Junge Wissenschaftler verlassen in Scharen dauerhaft das Land. Professor Ingo Potrykus hat an der Züricher Universität seine Arbeiten zur Züchtung des „Goldenen Reis“ in Gewächshäusern aus neun Zentimeter dickem, handgranatenfestem Glas durchgeführt. (Zürich liegt zwar nicht in Deutschland, die Schweiz und Österreich gehören aber zum gleichen Un-Kulturkreis).

Kampagne gegen den Goldenen Reis

Goldener Reis, wenn er denn angebaut werden dürfte, könnte hunderttausenden Kinder in Südostasien das dringend benötigte A-Provitamin bereitstellen. Somit könnte er einen wertvollen Beitrag zur Bekämpfung des Hungers und einer durch Mangelernährung bedingten Blindheit leisten. Aber Greenpeace und Co. schaffen es seit Jahren erfolgreich, weltweit mit legalen und illegalen Mitteln die Freigabe des Saatguts zum Anbau zu verhindern. So werden Zerstörungen von Versuchsfeldern auf den Philippinen von Europa aus organisiert und bezahlt. [3] Dies ist eine Einmischung in die Angelegenheiten anderer Länder – frei nach dem Motto „am deutschen Wesen soll die Welt genesen“: Wenn in Deutschland der Anbau von GVOs politisch nicht gewollt ist, darf es auch in Südostasien und Afrika nicht sein.

Funktionäre von Greenpeace und „Friends of Earth“ (in Deutschland unter dem Namen BUND) können meisterhaft die Angstkarte spielen. Sie desinformieren die Bevölkerung, etwa indem sie Menschen, die gentechnisch veränderte Lebensmittel essen, als Monster darstellen. Wissenschaftler werden als Sensenmänner karikiert, die es darauf absehen, Kinder umzubringen. Das wirkt. An Demonstrationen nehmen in Entwicklungsländern inzwischen die Ärmsten der Armen teil. Sie haben mehr Angst vor der fiktiven Bedrohung durch Gentechnik als vor der realen Gefahr des Erblindens und Sterbens ihrer Kinder durch Vitaminmangel. [4] Die Kampagne (u.a. von Greenpeace) zur Verhinderung des Anbaus von Goldenem Reis hat ca. 25 Millionen Euro (Stand Okt. 2013) gekostet. Davon hätte man auch zwei Millionen Kinder ein Jahr mit Vitamin-A-Pillen versorgen können.

„Es werden global wirksame Lösungen gebraucht“

Als wäre das Geschehen um Greenpeace und Co. nicht schon schlimm genug, machen sich auch noch die Kirchen und einige von ihnen getragene Organisationen bei der Verhinderung des Goldenen Reises mitschuldig. Die Führung der evangelischen Hilfsorganisation Brot für die Welt weiß um die mangelhafte Versorgung mit Vitamin A und anderen Mikronährstoffen in den Entwicklungsländern und initiierte in diesem Jahr die Kampagne „Satt ist nicht genug“. So unterhält die Hilfsorganisation einige Projekte, die die Bedürftigen lehren, Gemüse anzubauen und sich gesund zu ernähren. Das ist gut, aber damit kann man nur punktuell und einigen wenigen Menschen helfen. Gemessen am Bedarf ist die Zahl der Projekte gering. Auch hat nicht jeder Bedürftige ein Stück Land zur Verfügung.

Es ist klar, dass sich selbst tragende, global wirksame Lösungen gebraucht werden. Hier könnten mit Vitaminen (und anderen Mikronährstoffen) angereicherte Pflanzen, wie der Goldene Reis und andere gentechnisch veränderte Pflanzen (z.B. Bananen, Maniok und Hirse), wertvolle Dienste leisten. Philanthropen wie Bill Gates oder Kofi Annan und andere Persönlichkeiten unterstützen deshalb mit ihrem Geld und/oder ihrer Autorität solche Projekte – und werden von Gentechnikgegnern bezichtigt, unlautere Gewinninteressen zu verfolgen. Als Christ habe ich dazu eine klare Meinung: Wenn die Kirchen mit ihren Hilfsorganisationen den Goldenen Reis und andere gentechnische Biofortifikationsprojekte ebenfalls bekämpfen, versündigen sie sich.

„Grüner Hass“ in der EKD

Dabei ist der „Grüne Hass“ inzwischen fest in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) verankert. So werden Antigentechnikaktivisten wie die Inderin Vandana Shiva, der kanadische Bauer Percy Schmeiser, Suman Sahai – eine Professorin von der Uni Heidelberg, die ihre Habilitation plagiiert hat – mit viel Geld zu Kirchentagen eingeladen. Shiva wurde u.a. durch ihre Behauptung berühmt, der Anbau von gentechnisch veränderter Baumwolle hätte viele indische Kleinbauern erst in die Armut und dann in den Selbstmord getrieben.

Tatsächlich belegen seriöse Untersuchungen das Gegenteil: Die Suizidrate bei Kleinbauern ist mit der Einführung von gentechnisch veränderten Saaten nicht gestiegen, sondern in manchen Regionen sogar gesunken. [5] Das hält Shiva aber nicht davon ab, ihre Behauptung ständig zu erneuern. Gut belegte wissenschaftliche Fakten, etwa auch die, wonach Baumwollproduzenten in Indien (es sind vorwiegend Kleinbauern) durch den Umstieg auf Bt-Baumwolle mehr Gewinn einfahren und seltener von Giftunfällen betroffen sind, werden von Vandana Shiva und ihren Gesinnungsgenossen als Lügen bezeichnet. Hier muss man Bertold Brecht zitieren: „Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!“ [6]

„Der Vandalismus wurde mit einem Gottesdienst eingeleitet“

Im Falle Vandana Shiva kann man sich fragen, ob die Leugnung gut belegter Fakten eher ein Indikator für Irrationalität ist oder ob sie sich damit ihr lukratives Geschäft erhalten will. Wie man liest, kommt sie für 40.000 US-Dollar und einen Business-Class-Flug gern nach Europa und bedient dort die Wünsche nach Vorträgen und Beteiligung an Diskussionsrunden. Auffällig ist aber, dass sich zu Kirchentagen die Einladungen an solch dubiose Gestalten häufen. In kirchlichen Gemeindezentren hängen heute Bilder von Vandana Shiva und Percy Schmeiser, aber nicht von Gentechnikbefürwortern wie Kofi Annan, Bill Gates oder dem verstorbenen Friedensnobelpreisträger und Vater der „grünen Revolution“ Norman Borlaug, die wirklich etwas gegen Hunger tun bzw. getan haben.

Sämtliche Landeskirchen haben den Anbau von GVOs auf ihrem umfangreichen Grundbesitz wider alle Vernunft verboten. Als in den Jahren 2005 bis 2008 Sympathisanten der sog. „Gendreck weg“-Initiative in Brandenburg Felder mit Bt-Mais zerstörten, wurde der Vandalismus jeweils mit einem Gottesdienst eingeleitet! Die EKD empfiehlt (zu Recht!), Unternehmen, die verabscheuungswürdige Wirtschaftsaktivitäten praktizieren, von Geldanlagen auszuschließen. Das sind Unternehmen, die an der Herstellung von geächteten Waffen beteiligt sind, die menschenwürdeverletzende Produkte herstellen, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und Kinderarbeit zulassen. Es ist infam und unchristlich, dass die EKD die genannten Firmen mit Entwicklern und Produzenten von GV-Saatgut gleichstellt, wie z.B. KWS, Syngenta und Bayer CropScience. Letztere sind Firmen, die sich erfolgreich um die Sicherung der Ernährungsgrundlagen einer Welt von zukünftig zehn Milliarden Bewohnern bemühen.

Wenn es um die Positionierung zur Grünen Gentechnik geht, hat die EKD alle rationalen und moralischen Maßstäbe verloren. Die Führungskreise der EKD verweigern sich der Kenntnisnahme wissenschaftlicher Studien, die belegen, dass GVOs im Vergleich zu konventionellem Saatgut keine erhöhten Gefahren bedingen, dass Kleinbauern in Entwicklungsländern mehr Gewinn erwirtschaften und dass der Einsatz von insektenresistenten GV-Sorten zur Abnahme von Giftunfällen führte. Dabei sind die für die Entwicklungsländer aussichtsreichsten Kulturen, die Trockenresistenz, Virusresistenz und eine erhöhten Gehalt an Mikronährstoffen aufweisen, noch gar nicht im nennenswerten Umfang wirksam geworden. Letzteres liegt auch an den von Europa ausgehenden Angstkampagnen, bei denen die EKD ihre unrühmliche Rolle spielt. Stattdessen sollten die christlichen Kirchen als Vorbild voranschreiten, indem sie etwa die Bemühungen zur Zulassung des Goldenen Reises unterstützen. Aber das ist, zugegebenermaßen, nur ein frommer Wunsch.

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