29.11.2023

Wer hat Angst vor der Klimakatastrophe?

Von Thilo Spahl

Wissen schützt vor Angst. Das allgemeine Umweltwissen und das klimaspezifische Wissen stehen in umgekehrtem Verhältnis zur Angst vor dem Klimawandel.

Immer häufiger begegnet man in den (sozialen) Medien oder auch im persönlichen Umgang Menschen, die ihre Angst vor dem Klimawandel zum Ausdruck bringen. Menschen, die überzeugt sind, wir steckten mitten in einer „Klimakrise“, und die glauben, eine sich zur Apokalypse ausweitende Klimakatastrophe bräche noch zu ihren Lebzeiten über uns herein. Es gibt schon eine Reihe von wissenschaftlichen Untersuchungen, die versuchten, herauszufinden, was Menschen anfällig für solche Ängste macht. Eine neue Studie widmete sich nun der Frage der Rolle der wissenschaftlichen Kenntnisse.

Die Studie mit 2066 erwachsenen Teilnehmern in Deutschland testete die Hypothese, dass das allgemeine Umweltwissen und das klimaspezifische Wissen in umgekehrtem Verhältnis zur Angst vor dem Klimawandel stehen, so dass Menschen, die mehr über die Umwelt im Allgemeinen und über das Klima im Besonderen wissen, weniger Angst vor dem Klimawandel haben, und umgekehrt die, die weniger wissen, mehr Angst haben. Die Teilnehmer mussten 35 Fragen beantworten, um ihr Umweltwissen zu bewerten. Beispielsweise die Frage: „Welches der folgenden Phänomene war die Hauptursache für die globale Erwärmung in den letzten 20 Jahren? (a) Abbau der Ozonschicht (sogenanntes Ozonloch), (b) verstärkter Ausstoß von Treibhausgasen (sogenannter Treibhauseffekt), (c) Veränderungen der Meeresströmungen (z. B. "El Niño"), (d) Veränderungen der Neigung der Erdachse."

Die Autoren kommen zum Schluss, dass sich die Hypothese bestätigte, und resümieren: „Die Ergebnisse dieser Studie ergänzen die wachsende Zahl von Belegen dafür, dass ein höheres bereichsspezifisches Wissen mit einer geringeren bereichsbezogenen Angst verbunden ist. Sie tragen auch zur entstehenden Literatur über das Konstrukt der Klimawandelangst bei, die sich bisher auf demografische Merkmale, Einstellungen und Persönlichkeitsmerkmale als Prädiktoren konzentriert und die Rolle des Umweltwissens vernachlässigt hat […]. Was die praktischen Auswirkungen betrifft, so deutet das Hauptergebnis, dass das Umweltwissen negativ mit der Angst vor dem Klimawandel zusammenhängt, darauf hin, dass Bemühungen zur Verbesserung des Umweltwissens, zum Beispiel durch Bildungs- und Schulungsmaßnahmen, dazu beitragen können, diese Angst zu verringern. Dies erscheint wichtig angesichts der nachgewiesenen Zusammenhänge zwischen der Angst vor dem Klimawandel und allgemeineren Formen psychischer Erkrankungen, einschließlich allgemeiner Ängste, Depressionen und Stress […].“

Das Ergebnis überrascht nicht. Denn tatsächlich findet man auch bei jenen, die sich hauptberuflich mit dem Klimawandel beschäftigen, zwar mitunter ein gewisses Maß an alarmistischer Rhetorik, in der Regel aber keine Weltuntergangsängste.

Rationaler Umgang mit der Herausforderung

Unter der Überschrift „Das Ende ist noch nicht nah“ äußerte sich kürzlich Richard Tol, Ökonomie-Professor an der University of Sussex sowie Professor für Klimaökonomie an der Vrije Universiteit in Amsterdam, in der F.A.Z.: „Um es klar zu sagen: Der Klimawandel ist real, er wird vom Menschen verursacht und ist ein Problem, das gelöst werden muss. Allerdings stellt der Klimawandel keine existenzielle Bedrohung dar, zumindest nicht für die Menschheit.“ Tol bezieht sich dabei nicht nur auf Europa, sondern auch auf arme Länder, die oft als besonders bedroht dargestellt werden, etwa das dichtbesiedelte Bangladesch, das zu großen Teilen nur wenig über dem Meeresspiegel liegt. Er schreibt: „Während Ausländer sich Sorgen um Bangladesch machen, hat das Land bemerkenswerte Fortschritte bei der Reduzierung der Zahl der Todesopfer durch Naturkatastrophen gemacht: Sie ist in den vergangenen fünfzig Jahren um mehr als das Zwanzigfache gesunken, obwohl sich die Bevölkerung mehr als verdoppelt hat.“ Und er weist auf die Gretchenfrage der Klimapolitik hin, nämlich die notwendige Abwägung, womit man mehr für Sicherheit und Wohlergehen der Menschen erreichen kann: durch ‚Klimaschutz' oder durch technologischen Fortschritt und Wirtschaftswachstum: „Erstens sind die vorhergesagten Auswirkungen des Klimas bei näherer Betrachtung bei Weitem nicht so schlimm, wie manche uns glauben machen wollen. Der Klimawandel ist zweifellos ein Problem, und ohne ihn wäre die Welt besser dran. Aber es ist nicht die Apokalypse. Zweitens sind die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels Symptome von Unterentwicklung und Missmanagement. Das bedeutet, dass wir uns immer fragen sollten, wie wir das Schicksal der künftigen Menschen am besten verbessern können. Geht es um die Reduzierung der Treibhausgasemissionen oder um die wirtschaftliche Entwicklung?“

„Klimaforscher Marotzke lehnt den Alarmismus auch deshalb ab, weil er die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft untergräbt.“

Ebenfalls in der F.A.Z. erschien schon vor drei Jahren ein Interview mit dem Hamburger Klimaforscher Jochem Marotzke. Titel des Interviews: „Bloß keine Panik – auch nicht beim Klima“. Auf die Frage, ob Hamburg in 100 Jahren noch stehe, antwortet er: „Ja. Der Meeresspiegel wird weiter steigen, aber die norddeutschen Küsten haben sich sehr gut vorbereitet. Die Deiche werden erhöht, und sie werden mit viel Augenmaß erhöht. Sie lassen sich aufstocken, wenn es sich als notwendig erweist. Hamburg wird nicht bedroht sein, das ist völlig klar. Auch Deutschland wird nicht direkt durch den Klimawandel bedroht sein. Wie sehr sich die Gesellschaft jedoch ändern wird oder muss, das kann keiner sagen.“ Der Interviewer hakt nach: „Viele junge Menschen haben Angst, dass sie keine Zukunft haben, dass der Klimawandel ihre Existenz bedroht. Ist ihre Angst begründet?“ Und Marotzke antwortet: „Nein, da bin ich ganz sicher. Natürlich werden einige klimabedingte Risiken steigen. Ich erwarte, dass Extremwetterereignisse mehr Schäden verursachen und mehr Menschenleben fordern. Aber es ist nicht so, als ob jetzt ganze Landstriche vom Aussterben bedroht wären. Das können wir ausschließen, das wird nicht passieren.“

Jochem Marotzke ist Direktor am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie. Zuvor war er als Professor am Southampton Oceanography Centre sowie am Massachusetts Institute of Technology (MIT) beschäftigt. Er gilt als einer der bedeutendsten Klimaforscher, ist Mitglied der Leopoldina und der Akademie der Technikwissenschaften und hat an zwei Sachstandsberichten des Weltklimarats (IPCC) als Leitautor mitgewirkt.

In einem weiteren Interview in der Märkischen Oderzeitung sagt er: „Mich erschüttert, dass viele junge Menschen denken, sie hätten wegen des Klimawandels über die nächsten 30 Jahre hinaus keine Überlebenschancen. Diese Angst ist komplett unbegründet. Der Klimawandel ist ein ernstes Problem, auf das wir uns einstellen und alles versuchen müssen, ihn zu dämpfen, keine Frage. Dass junge Menschen aber glauben, ihr Überleben sei bedroht, ist entsetzlich, weil es einfach komplett unbegründet ist.“

Marotzke lehnt den Alarmismus auch deshalb ab, weil er die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft untergräbt. Zum berühmten 1,5-Grad-Ziel sagt er: „Wenn wie gesagt kein Wunder geschieht, werden wir im nächsten Jahrzehnt eine Erderwärmung von 1,5 Grad erreicht haben. Aber die Welt wird nicht untergehen. Viele werden dann sagen: Ihr Klimaforscher habt uns jahrzehntelang gesagt, wenn wir diese Marke überschreiten, sind wir verloren. Es wäre fatal, wenn die Menschen dann den Glauben an die Notwendigkeit von Klimaschutz verlieren. Denn es wird weiterhin immens wichtig sein, die weitere Erderwärmung zu verhindern. Eine 2,5-Grad-Welt ist immer noch besser als eine 3,5-Grad-Welt.“ Er vergleicht den Klimawandel mit dem Corona-Virus: „Wir werden uns an ihn gewöhnen und anpassen müssen. Er wird so schnell nicht weggehen.“

„Katastrophenmeldungen bringen Klicks. Ausgewogene Berichte über klimabedingte Veränderungen und den Möglichkeiten des Umgangs damit eher weniger. “

Ähnlich sieht es auch Tol, der ebenfalls für mehr Gelassenheit und Vertrauen in die Fähigkeiten zur Anpassung plädiert: „Wenn wir akzeptieren könnten, dass die Aussichten für den Klimawandel nicht so düster sind, könnte die Reduzierung der Treibhausgasemissionen in akzeptablerem Tempo voranschreiten – und so das Risiko einer Gegenreaktion der Bevölkerung gegen die Klimapolitik verringern.“

Das Geschäft mit der Angst

Wenn fast alle Wissenschaftler wissen, dass der Klimawandel eine Herausforderung ist, aber kein Weltuntergang, warum werden wir dann ständig mit Horrormeldungen überschüttet? Mit Blick auf die Medien fällt die Antwort leicht: Es ist das Geschäft mit der Angst. Katastrophenmeldungen bringen Klicks. Ausgewogene Berichte über klimabedingte Veränderungen und den Möglichkeiten des Umgangs damit eher weniger. Zudem fühlen offenbar immer mehr Journalisten zwei Seelen in ihrer Brust: die des neutralen Berichterstatters, als der sie hoffentlich einmal ausgebildet wurden, und die des Aktivisten, zu dem sie sich berufen fühlen. Auch die Redaktionen rekrutieren entsprechend. So war zum Beispiel der studierte Germanist und Sozialwissenschaftler Kurt Stukenberg, „Klimaexperte“ und Ressortleiter Wissenschaft beim SPIEGEL, bevor er dort anheuerte, elf Jahre beim Greenpeace Magazin tätig.

Wie erfolgreich die Medien mit ihrer Panikmache insbesondere bei jungen Menschen sind, zeigt eine Befragung aus dem Jahr 2021. In der Studie wurden 10.000 Menschen zwischen 16 und 25 Jahren aus zahlreichen Ländern befragt, und mehr als die Hälfte von ihnen war der Meinung, dass die Menschheit aufgrund des Klimawandels „dem Untergang geweiht" sei.

Mit Blick auf die Wissenschaftler sollte man sich bewusst sein, dass es nur wenige sind, die die Katastrophenerzählung beständig nähren. Einige davon sind wohl tatsächlich überzeugt, dass es ihr Auftrag ist, die Menschheit wachzurütteln und zu retten. Die meisten werden auch eine gewisse Befriedigung darin finden, auf diese Weise mediale Prominenz zu erlangen.

„Wer heute Weltuntergangskampagnen im Namen des Klimaschutzes organisiert, erhält relativ leicht Aufmerksamkeit, Anerkennung und finanzielle Unterstützung."

Eine wichtige Rolle spielen auch Aktivisten und NGOs. Bei ihnen dürften ähnliche Anreize wirken. Wer heute Weltuntergangskampagnen im Namen des Klimaschutzes organisiert, erhält relativ leicht Aufmerksamkeit, Anerkennung und finanzielle Unterstützung. In gewisser Weise ist der Aktivismus auch ein Geschäft mit der Angst. Heutzutage kann man davon jedenfalls recht gut leben.

Dass selbst Aktivisten oft nicht wirklich von einem katastrophalen Verlauf des Klimawandels ausgehen, kann man allerdings leicht daran erkennen, dass viele von ihnen vehemente Verfechter des Ausstiegs aus der Kernenergie sind, also glauben, dass es kein Problem sei, Kraftwerke, die sehr große Mengen an billiger, CO2-freier Stromerzeugung ermöglichen, ohne Not abzuschalten. Wären sie wirklich überzeugt, jede Tonne CO2 brächte die Welt einer bevorstehenden Katastrophe näher, würden sie sich vehement für das Gegenteil einsetzen.

Der Unterschied zwischen relativer Gelassenheit und Weltuntergangsangst findet seine Entsprechung in der Politik. Hier haben wir es mit Krisenrhetorik und Aktionismus zum sofortigen „Klimaschutz“ durch Verzicht, Ausstiege und Verbote auf der einen Seite und der Forderung nach rationaler Kosten-Nutzen-Abwägung im Bereich der vielfältigen Handlungsoptionen, sowohl bei der Verlangsamung des Klimawandels als auch bei der Anpassung an seine Folgen auf der anderen Seite zu tun.

Ich erlaube mir, optimistisch zu behaupten, dass der Alarmismus allmählich seinen Höhepunkt überschreiten wird und wir in den nächsten Jahren zu einem pragmatischen Management des Klimawandels übergehen werden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung wäre, dass mehr Wissenschaftler ihre vornehme Zurückhaltung aufgeben, sich wie Marotzke und Tol zu Wort melden und nicht weiterhin den wenigen alarmistischen „Media Scientists“ mit ihrer Dauerpräsenz das Feld überlassen.

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