23.10.2017

Warum wir Menschenaffen in Zoos halten sollten

Von Richard Moore

Titelbild

Foto: Alexas_Fotos via Pixabay / CC0

Ein Philosoph macht sich über die ethische Vertretbarkeit von Menschenaffenhaltung in Zoos Gedanken und kommt zu anderen Schlussfolgerungen als Tierrechtler

Ich werde oft nervös, wenn jemand mich nach meinem Job fragt. Ich antworte dann, dass ich Philosoph bin und mich mit der Frage beschäftige, wie sich Sprache entwickelt hat. Wenn sie weiter bohren, sage ich ihnen, dass ich mit den Menschenaffen im Leipziger Zoo arbeite. Meine Vorsicht kommt daher, dass ich gemerkt habe, dass einige Leute große Probleme mit Zoos haben.

Viele Philosophen und Primatologen stimmen ihnen zu. Ihrer Auffassung zufolge 1 zwingen selbst die besten Zoos die Tiere, in engen Räumen zu leben, in denen sie aufgrund der ständigen Beobachtung gelangweilt und gestresst sein müssen. Andere Kritiker merken an, dass Zoos selbst dann Unrecht sind, wenn die Tiere nicht leiden, da es nicht mit der Würde der Tiere zu vereinbaren sei, sie zum Zweck der menschlichen Unterhaltung gefangen zu halten. 2 Solche Orte „sind für uns und nicht für Tiere“, schrieb der Philosoph Dale Jamieson, und „sie tragen wenig dazu bei, den Tieren zu helfen, die wir zum Aussterben bringen“. 3

Ich möchte dennoch den Wert von Zoos verteidigen. Ja, einige von ihnen sollten sicherlich geschlossen werden. Wir alle haben diese schrecklichen Videos von einsamen Affen oder Tigern gesehen, die in trostlosen Käfigen in asiatischen Einkaufszentren hocken. Allerdings kann in vielen Zoos eine gute Lebensqualität für die Tiere erreicht werden und es gibt starke ethische Argumente für das Bestehen dieser Institutionen. Ich bin zu dieser Ansicht gekommen, nachdem ich mit Menschenaffen gearbeitet habe, und vielleicht trifft sie nicht auf alle Arten gleichermaßen zu. Da jedoch Menschenaffen sowohl kognitiv hochentwickelt als auch in ihrem Verhalten menschenähnlich sind, sind sie ein gutes Fallbeispiel für die Bewertung der Vertretbarkeit von Zoos im Allgemeinen.

„In vielen Zoos kann eine gute Lebensqualität für die Tiere erreicht werden.“

Die Forschung, die meine Kollegen und ich durchführen, ist nicht schädlich für die Tiere, und wenn alles klappt, wird sie helfen, einen besseren Einblick in die kognitiven Unterschiede zwischen Menschen und Affen zu gewinnen. In einer unserer Studien 4 testeten wir z.B. die Fähigkeit von Orang-Utan-Pärchen, miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren, um im Gegenzug eine Belohnung zu erhalten. Wir versteckten ein Bananenpellet so, dass einer der Orang-Utans das Essen zwar sehen, aber nicht erreichen konnte. Der andere Orang-Utan konnte eine Schiebetür bewegen und so das Pellet zu seinem Partner schieben, ohne jedoch die Möglichkeit zu haben, es für sich selbst zu nehmen. Wenn wir diesen Versuch mit mir und einem der Affen durchführten, hat es ganz gut (aber nicht perfekt) geklappt, und als sich beim Versuch zwei Orang-Utans gegenübersaßen, haben sie sich meistens gegenseitig ignoriert. Wir haben danach eine ähnliche Versuchsreihe mit menschlichen Zweijährigen durchgeführt. Verglichen mit den Affen waren die Zweijährigen sehr gut darin, ihre Belohnung (in Form von Aufklebern) zu erhalten, wenn sie mit einem Erwachsenen spielten.

Zusammengenommen verraten uns diese Studien etwas über die menschliche Evolution. Im Gegensatz zu Menschenaffen verfügen Menschen über die Fähigkeit, ihre Talente zu bündeln und gemeinsam zu erreichen, was sie allein nicht schaffen würden. Es ist nicht so, dass es den Affen egal ist, dass sie das Essen nicht bekommen, denn sie wurden sauer aufeinander, wenn es nicht klappte, und einer der Orang-Utans setzte sich sogar schmollend in die Ecke. Im Gegensatz zu Menschen scheinen sie jedoch nicht in der Lage zu sein, diese Frustration zu nutzen, um ihre Leistung zu verbessern.

Abgesehen vom Wert der Forschung sprechen noch weitere Argumente für Zoos. In den besten Zoos, wie dem Leipziger, leben Menschenaffen in weitläufigen Gehegen, die ihren natürlichen Lebensräumen ähneln, und werden dort von Tierpflegern betreut, die sich liebevoll um sie kümmern. Große Dschungelanlagen sorgen dafür, dass die Affen gefordert werden und sich nicht langweilen; außerdem werden sie mit Rätseln beschäftigt, bei denen sie mit Hilfe von Werkzeugen an ihr Essen kommen müssen. Zoos, die von den beiden Hauptakkreditierungsstellen in Europa und den Vereinigten Staaten anerkannt worden sind, werden streng geprüft und müssen an Bildungs- und Schutzprogrammen teilnehmen. Außerdem liegen keine handfesten Beweise vor, dass Affen in angemessen gestalteten Gehegen von menschlicher Beobachtung gestört oder gestresst werden. 5

„In den besten Zoos leben Menschenaffen in weitläufigen Gehegen, die ihren natürlichen Lebensräumen ähneln.“

Natürlich können Zoos nicht mit Bedingungen wie in einem unberührten Wald aufwarten, aber für die großen Affen in Menschenobhut gibt es selten eine umsetzbare Alternative. Es wird geschätzt, dass mehr als 4000 Menschenaffen weltweit in Zoos leben. Die meisten Regionen, in denen sie in freier Wildbahn leben – Orang-Utans in Indonesien, Schimpansen und Gorillas in Mittel- und Westafrika, Bonobos in der Demokratischen Republik Kongo (DRC) – werden durch Lebensraumverlust, Bürgerkrieg, Jagd und Krankheit verwüstet. Nur 880 Berggorillas überleben in zwei kleinen Gruppen im Osten der DRC, während sich die Lebensräume der Orang-Utans in den vergangenen 20 Jahren um 80 Prozent verringert haben. Obwohl einige Artenschützer davon träumen, Zoo-Affen in die Wildnis zu entlassen, lassen die verschwindenden Wälder dies kaum zu. Die Orang-Utans sind in Leipzig sicherlich besser dran, als wenn sie versuchen müssten, in Wäldern zu überleben, die abgeholzt werden, um Palmölplantagen zu errichten.

Da Zoo-Affen nicht in ihre natürliche Umwelt ausgewildert werden können, sind speziell eingerichtete Schutzgebiete eine weitere Option. Diese würden jedoch große Landstriche erfordern, die sowohl sicher als auch von bestehenden Populationen unbewohnt sind. Und solche Orte sind knapp. Schon jetzt kämpfen derartige Schutzgebiete ums Überleben, weil sie fast ausschließlich von Spenden getragen werden. Und die meisten von ihnen sind voll. In Afrika und Indonesien sind die Bewohner typischerweise Waisen, die von Jägern oder Palmölarbeitern, die die größeren Affen töten, als Babys aus dem Wald entführt wurden, um sie zu verkaufen oder als Haustiere zu halten. Andere Schutzgebiete sind mit pensionierten Laboraffen oder geretteten Haustieren überfüllt. Diese Institutionen können nicht die Tausenden Affen aufzunehmen, die derzeit in Zoos leben, außerdem fehlen schlicht und einfach die Gelder, um sie am Laufen zu halten.

Angesichts der Herausforderungen und der großen Kosten gibt es nur wenige Versuche, Affen auszuwildern. Damian Aspinall vom Howletts Wild Animal Park in England leitet eines der wenigen Programme, das Gorillas wieder in die Wildnis entlässt, indem man sie in ein geschütztes Reservat in Gabun bringt. Seine Absichten sind bewundernswert und hoffentlich wird der Plan gelingen. Einige der Gorillas finden sich gut in dem neuen Lebensraum zurecht. Aber die bisherigen Ergebnisse waren gemischt: Im Jahr 2014 wurden fünf Mitglieder einer elfköpfigen Familie innerhalb eines Monats nach ihrer Auswilderung tot aufgefunden. Wir wissen auch nicht wirklich, ob zoogeborene Affen die Fähigkeiten besitzen, um in der Wildnis zu überleben, einschließlich der Fähigkeit, verschiedene lokale Nahrungsmittel aufzufinden und die Genießbarkeit der Pflanzen zu beurteilen. Junge Affen lernen diese Fähigkeiten in der Wildnis, indem sie die Erwachsenen um sie herum beobachten – diese Möglichkeit ist den Affen in Menschenobhut jedoch schlicht nicht gegeben.

„Die Zucht hilft dabei, die genetische Vielfalt gefährdeter Arten zu bewahren.“

Nun ist all dies nicht unbedingt ein ethisches Argument für die Fortsetzung der Affenzucht in Zoos. Man könnte argumentieren, dass man wenigstens die Zuchtprogramme beenden und die vorhandenen Populationen aussterben lassen sollte, wenn man die Affen, die sich derzeit in Menschenobhut befinden, schon nicht retten kann. Allerdings hilft die Zucht dabei, die genetische Vielfalt gefährdeter Arten zu bewahren. Darüber hinaus zeigt die Forschung, dass Zoobesuche Menschen darin bestärken, Erhaltungsbemühungen zu unterstützen 6 – ein Effekt, der durch naturnahe Gehege verstärkt wird. So führen direkte Begegnungen in Zoos dazu, dass Menschen mehr über den faszinierenden Lebensalltag von Tieren erfahren und mehr Geld für Naturschutzprogramme gesammelt werden kann.

Der Vorschlag, Affenpopulationen in Zoos dahinschwinden zu lassen, setzt voraus, dass das Leben der dort lebenden Affen nicht lebenswert sei. Diese unbegründete Haltung kann großen Schaden anrichten. Denn Langeweile ist eines der größten Risiken für Zootiere und es wird allgemein (wenngleich wissenschaftlich noch unbewiesen) angenommen 7, dass die Anwesenheit von Säuglingen den Tierfamilien Abwechslung bringt und Freude bereitet. Eine gemischte Altersstruktur sorgt für Gruppendynamiken, die denen in der Natur nahekommen. Wenn wir uns also um das Wohlbefinden der Zoo-Affen sorgen, sollten wir ihnen erlauben, sich in kontrollierter Art und Weise fortzupflanzen.

Eines Tages könnte es realistisch sein, gefangene Affen in ihre natürlichen Lebensräume oder in gut finanzierte, weitläufige Schutzgebiete zu entlassen. Derzeit ist das jedoch unrealistisch. Anstatt Zoos zu verurteilen, sollten wir uns lieber bemühen, sie zu unterstützen: indem schlechte Zoos verbessert oder geschlossen werden, indem das Wohlergehen gefangener Tiere besser erforscht wird und indem alle Zoos darin unterstützt werden, mehr für ihre Bewohner zu tun. Dann werde ich mich vielleicht nicht mehr davor scheuen müssen, Fremden von meinem Beruf zu erzählen.

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