19.01.2024

Unkritisch Reisen: Panama

Von Niels Hipp

Titelbild

Foto: Carlos Adampol Galindo (CC BY-SA 2.0) / bearbeitet

Panama ist nicht nur Reiseland und Steuerparadies. Auch politischer Protest durch Straßenblockaden gehört zum Bild, aber etwas anders als in deutschen Großstädten.

Heute setzen wir unsere „unkritische Reise“ in Mittelamerika fort. Dieser Titel bedeutet nicht, dass überhaupt keine Kritik am Reiseland geübt werden soll, sondern setzt der Schlagseite in Sendungen wie der WDR-Dokureihe „Kritisch reisen“ etwas entgegen.

Unser Ziel heißt diesmal Panama, ein Land, welches ich im November 2023 bereist habe. „Oh, wie schön ist Panama“, nannte schon 1978 der deutsche Kinderbuchautor Janosch eine Geschichte. Schön ist Panama zunächst landschaftlich. Es herrscht tropisches Klima, entsprechend ist es schwül-heiß mit viel Niederschlag und es ist ganzjährig grün. Man kann in Boquete wandern gehen, den Chagres-Nationalpark besuchen oder sich auf den San-Blas-Inseln entspannen.

Und was kann man in Panama als kulturell und historisch Interessierter sehen? Es empfehlen sich zunächst in Panama-Stadt die Ruinen von Alt-Panama (Panama la Vieja, auch Panama Viejo genannt), wo die Spanier 1519 ihre erste Niederlassung an der Pazifikküste errichteten. Damit nicht zu verwechseln ist die mehrere Kilometer davon entfernt liegende Altstadt von Panama-Stadt (Casco Viejo), welche ab 1673 nach der Zerstörung von Alt-Panama im spanischen und französischen Kolonialstil errichtet wurde. Viele heute noch stehende Gebäude stammen aber aus dem 19. und frühen 20. Jh. Von dort hat man Aussicht auf das Bankenviertel von Panama-Stadt.

Wer einkaufen möchte, kann dies in der größten Mall Lateinamerikas, der Albrook Mall, tun. Von den mittelamerikanischen Hauptstädten auf dem Festland, ist Panama-Stadt nach Mexiko-Stadt sicher die interessanteste, da können etwa Guatemala-Stadt oder Tegucigalpa nicht mithalten.

Wer sich ein wenig für Technik(geschichte) interessiert, dem seien die die Miraflores-Schleusen am Panama-Kanal – wenige Kilometer nördlich von Panama-Stadt – ans Herz gelegt. Diese stammen von 1913. Der ca. 80 Kilometer lange Panamakanal soll die lange Schiffsroute um Kap Hoorn (Chile) herum vermeiden helfen. Man kann draußen auch sehen, wie dort mittels einer Zwei-Schleusen-Kammer die Schiffe um ca. 16,5 Meter gehoben oder gesenkt werden. Im Besucherzentrum befindet sich ein IMAX-Kino mit einem sehr interessanten Film über den Panama-Kanal.

Historisch relevant sind noch die beiden spanischen Festungen San Lorenzo und Portobelo  an der Nordküste (= Atlantikküste) Panamas unweit der Stadt Colón. Ansonsten gibt es für Kulturtouristen schlichtweg nicht viel zu sehen. In dieser Hinsicht ist Panama mit Mexiko, Guatemala oder auch Peru überhaupt nicht zu verglichen. Während ich beim „unkritisch bereisten“ Dubai (VAE) dieses Ziel sowohl als alleiniges Reiseziel als auch als Zwischenstopp für empfehlenswert halte, ist Panama für kulturell interessierte Besucher nur als Zwischenstopp empfehlenswert, wobei zwei bis drei Tage ein guter Zeitrahmen sind.

„Unangenehm überrascht werden können Sie in Panama von Straßenblockaden. Das ist in Lateinamerika nicht so selten, es kommt auch etwa in Guatemala oder Bolivien vor.“

Der Flughafen Panama Tocumen (PTY) ist zwar mit dem Flughafen Dubai (DXB) oder Istanbul (IST) nicht annähernd vergleichbar, ist aber ein wichtiges Drehkreuz in der Region. Das zeigt sich auch darin, dass fast kein Fluggast nach Panama einreist, sondern fast alle weiterfliegen, und zwar in der Regel mit der nationalen Fluggesellschaft Copa Airlines. Außerdem bietet der Flughafen Panama – im Gegensatz zu vielen anderen Flughäfen in der Region – mehrmals täglich Flüge nach Westeuropa, z.Zt. aber nicht nach Deutschland an, so dass man in Amsterdam, Paris oder Madrid umsteigen muss. Es ist also empfehlenswert, einen Panama-Besuch entweder mit einem Besuch in einem anderen mittelamerikanischen Land oder etwa mit dem Nachbarland Kolumbien zu verbinden.

Vor Ort gibt es eine Metro, die mittlerweile auch zum Flughafen Tocumen fährt. Da das Metronetz aber nicht sehr dicht ist und einige Vororte Panamas gerade in der Dunkelheit –und das heißt grob gesagt zwischen 18 Uhr und 6 Uhr ganzjährig – nicht sehr sicher sind, sollten sie besser mit verriegelter Autotür fahren. Außerhalb von Panama-Stadt benötigen Sie ohnehin ein Auto.

Unangenehm überrascht werden können Sie in Panama von Straßenblockaden. Das ist in Lateinamerika nicht so selten, es kommt auch etwa in Guatemala oder Bolivien vor. Wenn das Auswärtige Amt dann von Reisen in ein entsprechendes Gebiet abrät, ja sogar dringend davon abrät, dann sollten Sie wissen, dass wir es da – ähnlich wie bei Gentechnik oder Atomkraft – mit der „German Angst“ zu tun haben und nicht sonderlich besorgt zu sein brauchen. Gibt es hingegen eine offizielle Reisewarnung vom Auswärtigen Amt, evtl. sogar mit Ausreiseaufforderung, dann hat dies auch rechtliche Konsequenzen, etwa für die Reiserücktritts-/Reiseabbruch- und auch Reisekrankenversicherung. In einem solchen Fall sollten Sie zumindest einmal Ihre Versicherung konsultieren oder sich die Allgemeinen Versicherungsbedingungen anschauen, da Versicherungen dann oft leistungsfrei sind.

Als wir in Panama waren, gab es Straßenblockaden. Am Tag der Abreise gab es sogar einen Generalstreik. Der Anlass war ein umstrittenes Bergbaugesetz. Hinter den Blockaden – nicht nur in Panama, sondern erst recht in ärmeren Ländern wie Guatemala oder Bolivien – stehen meist nur vordergründig ökologische oder politische Forderungen, primär hingegen sozioökonomische Probleme wie Armut und mangelnde soziale Gerechtigkeit. Daher führt es in die Irre, wenn die hiesige Presse die beiden bei einer panamaischen Straßenblockade im vergangenen November Erschossenen als „Klimaaktivisten“ bezeichnet, um bestimmte Assoziationen zu wecken. Vielmehr wäre es einmal interessant zu sehen, wie sich Menschen aus der armen Landbevölkerung in Lateinamerika, die gerade eine Straße blockieren, mit wohlstandsverwahrlosten ‚Klimaklebern‘ der „Letzten Generation“ unterhalten würden. Ob sie eine gemeinsame Sprache fänden?

„Ein wesentlicher Grund für den wirtschaftlichen Erfolg Panamas ist die verglichen mit Westeuropa sehr liberale Steuerpolitik, die Unternehmen, aber auch Banken anzieht.“

Wie das Bankenviertel von Panama-Stadt schon erahnen lässt, sticht Panama durch eine im regionalen Vergleich sehr gute wirtschaftliche Entwicklung hervor, trotz gewisser Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Das BIP pro Kopf lag bei zuletzt ca. 17.000 US-Dollar pro Kopf, was zwar viel weniger ist als in Deutschland (zuletzt ca. 51.000 Dollar), aber in etwa ähnlich hoch wie in Chile und höher als in allen anderen lateinamerikanischen Ländern auf dem Festland – mit Ausnahme von Uruguay. Es liegt deutlich höher als das BIP pro Kopf in Argentinien – früher eines der reichsten Länder der Welt – und Brasilien, aber auch Mexiko, von Ländern wie Bolivien, Guatemala oder Honduras ganz zu schweigen.

Ein wesentlicher Grund für den wirtschaftlichen Erfolg ist – neben den Einnahmen aus dem  Panamakanal – die verglichen mit Westeuropa sehr liberale Steuerpolitik, die Unternehmen, aber auch Banken anzieht. Der EU, die auch mit anderen Maßnahmen – wie kürzlich dem Lieferkettengesetz – Unternehmen vertreibt, missfiel das, so dass Panama seit 2020 auf der Schwarzen Liste der Steueroasen steht. Schenkungs-, Erbschafts- und Vermögenssteuern gibt es dort nicht, aber eine Einkommenssteuer, die verglichen mit Deutschland viel einfacher und – gerade bei hohen Einkünften – deutlich niedriger ist: Die ersten 11.000 Dollar sind steuerfrei. Bis zu einem Einkommen von 50.000 Dollar zahlt man 15%, darüber 25%. Deutsche Steuersätze von bis zu 45% – in den höheren Gehaltsklassen noch zuzüglich Solidaritätszuschlag – sind dort unbekannt. Grundsteuer und Gewerbssteuer sind sehr niedrig. Auslandseinkünfte, das übt einen besonderen Reiz auf manche aus, werden in Panama gar nicht besteuert.

Breiteren Kreisen als sogenannte Steueroase bekannt geworden ist das Land v.a. 2016 durch die „Panama Papers“. Dabei gelangten vertrauliche Daten der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca – Jürgen Mossack wurde in Fürth geboren und ist nach Panama ausgewandert – an die Öffentlichkeit. Aber statt sich in Deutschland darüber aufzuregen und zu moralisieren, könnte man sich auch fragen, ob man in hierzulande nicht ebenfalls versuchen sollte, den Wohlstand über ein liberales Steuerrecht zu erhöhen. Diesen Weg geht neben Panama auch z.B. die Republik Irland, die vor 50 Jahren noch ein armes Land war.

Fazit: Panama bietet schöne Landschaften und eignet sich auch für einen kurzen kulturtouristischen Aufenthalt mit ein paar Besichtigungen, wobei Sie v.a. in gewissen Vierteln von Panama-Stadt und erst recht von Colón vorsichtig sein sollten. Das gilt natürlich erst recht, wenn gerade Straßenblockaden oder Streiks stattfinden. Als Unternehmer ist man dort sehr willkommen. Wenn Sie sehen, wie gut sich Panama in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, dann werden sie hysterische Neiddebatten in Deutschland mit einem müden Lächeln beantworten.

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