02.07.2021

Rassentrennung in neuen Kleidern

Von Joanna Williams

Titelbild

Foto: Pug50 via Flickr / CC BY 2.0

Schwarze Studenten brauchen keine eigenen Hochschulen oder geschützte Räume, um Erfolg zu haben.

Die Rassentrennung kehrt zurück – nur, dass sie dieses Mal ideologisch korrekt (in den USA hat man dafür den Begriff „woke“ erfunden) daherkommt. Das ist für die meisten von uns, die das Südafrika der Apartheid oder das Amerika der Jim-Crow-Ära immer noch mit großem Entsetzen betrachten, unverständlich. Und doch scheinen heutige Radikale genau in diesen abschreckenden Beispielen etwas Nacheifernswertes zu sehen. Noch vor nicht allzu langer Zeit wäre die Vorstellung einer Universität, die sich – bei der Zulassung von Studenten, bei der Einstellung von akademischem Personal und sogar bei der Gestaltung des Lehrplans – nach der Ethnie richtet, auf Abscheu gestoßen. Heute findet ein solcher Plan sogar die Unterstützung zweier akademischer Gewerkschaften: der University College Union (UCU) und der National Union of Students (NUS).

Die Idee einer „Freien Schwarzen Universität“ geht auf Melz Owusu zurück. Sie ist ehemalige Politologie- und Philosophiestudentin der Universität Leeds und angehende Doktorandin der Universität Cambridge. Nach dem Start einer GoFundMe-Kampagne, bei der 60.000 Britische Pfund zusammen kamen, fordert Owusu nun andere Universitäten in Großbritannien auf, ihr neues Projekt zu unterstützen und Gelder „umzuverteilen“. Geplant ist eine Einrichtung, die sich ausschließlich auf die Bedürfnisse schwarzer Studenten konzentriert. Es soll einen „de-kolonialisierten Lehrplan“ und ein „transformatives Hub für schwarzes Wissen“ geben. 1 Online-Vorlesungen, eine virtuelle Bibliothek, bestehend aus „radikalen Werken“, eine Zeitschrift und ein Podcast sowie eine jährliche Konferenz für „radikale schwarze Denker“ sind ebenfalls vorgesehen. 2 Dies sei notwendig, argumentiert Owusu, denn die bestehenden Universitäten seien auf dem Fundament der Kolonialisierung errichtet worden: Das Geld, die Gebäude, die Architektur – alles sei kolonialistisch. Die Konsequenz für schwarze Studenten sei, dass sie scheiterten. Sie erlebten ständig Rassismus und die Universität gehe damit entweder gar nicht oder nicht gut um.

Stimmt das? Jo Grady, die Generalsekretärin der UCU scheint dies auch zu glauben. In einem vernichtenden Urteil über die Mitglieder ihrer eigenen Gewerkschaft behauptet sie, schwarze Studenten müssten sich einem Universitätssystem stellen, das ihnen gegenüber bestenfalls ambivalent und schlimmstenfalls offen feindselig eingestellt sei. 3 Die Annahme, dass BAME-Studenten (BAME steht für Schwarze, Asiaten und ethnische Minderheiten) seltener Zugang zu Spitzenuniversitäten erhalten, eher ihr Studium abbrechen und seltener mit einem guten Abschluss abgehen, hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt. Einer genaueren Überprüfung hält sie jedoch kaum stand.

„Noch vor nicht allzu langer Zeit wäre die Vorstellung einer Universität, die sich – bei der Zulassung von Studenten, bei der Einstellung von akademischem Personal und sogar bei der Gestaltung des Lehrplans – nach der Ethnie richtet, auf Abscheu gestoßen.“

Wie die Wissenschaftler Wanjiru Njoya und Doug Stokes 4 in einem Beitrag aufzeigen, gehören laut der Volkszählung von 2011 etwa 13 Prozent der britischen Bevölkerung einer BAME-Gruppe an. Trotzdem haben 20 Prozent aller Studenten in Großbritannien einen britischen BAME-Hintergrund. Bei den Universitäten der Russell-Gruppe (einem Verbund von 24 Universitäten mit akademischem Exzellenz-Status, die die Rangliste der Universitäten anführen) liegt diese Zahl sogar bei 21,6 Prozent. 5 Es scheint also kaum eine Rassenschranke für Studenten zu geben, die ein Hochschulstudium antreten wollen.

Wie aber sieht es mit der akademischen Leistung 6 aus? In den Jahren 2017/18 erreichten 29 Prozent der weißen Studenten Abschlüsse mit Auszeichnung Erster Klasse – verglichen mit nur 13,5 Prozent der schwarzen Studenten. Offenbar eine klare ethnische Leistungslücke. Wer sich allerdings die Zahlen genau anschaut, sieht, dass auch 21 Prozent der asiatischen und 25 Prozent der gemischtrassigen Studenten einen erstklassigen Abschluss erhielten. Der Abstand verringert sich deutlich, wenn man eine Notenstufe nach unten geht: 47 Prozent der weißen Studenten erreichten einen „Upper Second-Class“ Abschluss, verglichen mit 42 Prozent der schwarzen Studenten, 44 Prozent der asiatischen und 49 Prozent der gemischtrassigen Studenten. Berücksichtigt man dann auch noch Faktoren wie die Art der besuchten Universität, die früheren Studienleistungen, die Wahl des Studienfachs und das Einkommen der Eltern, schwindet das ethnische Leistungsgefälle weiter dahin.

Ist es also so, dass sich BAME-Studenten, die an der Universität gute Leistungen erbringen, besonders anstrengen müssen? Sehen sie sich gezwungen, ständig gegen rassistische Vorurteile anzukämpfen? Laut einem Bericht der Gleichstellungs- und Menschenrechtskommission haben die Universitäten in den dreieinhalb Jahren bis Januar 2019 im Durchschnitt nur 2,3 Beschwerden wegen rassistischer Belästigung von Mitarbeitern und 3,6 Beschwerden von Studenten erhalten. 7 Somit reichten nur 0,006 Prozent der Studierenden und 0,05 Prozent des Personals Beschwerden ein. Das ist wenig überraschend, denn britische Universitäten zählen sicherlich zu den liberalsten und am wenigsten rassistischen Orten der Welt. Bei der letzten Wahl äußerten über 80 Prozent der Universitäts-Mitarbeiter die Absicht, entweder Labour, die Liberaldemokraten oder die Grünen wählen zu wollen. 8 Brutstätten des rechten Nationalismus sind die Universitäten nicht. Workshops zur Inklusion und Diversität, Sensibilisierungsprogramme, Entkolonialisierungstrainings und Tests auf unbewusste Vorurteile gibt es im Überfluss.

„Die Annahme, dass Schwarze, Asiaten und ethnische Minderheiten seltener Zugang zu Spitzenuniversitäten erhalten, eher ihr Studium abbrechen und seltener mit einem guten Abschluss abgehen, hat sich in den letzten Jahren durchgesetzt. Einer genaueren Überprüfung hält sie jedoch kaum stand.“

Dennoch behauptet Owusu, eine „Freie Schwarze Universität“ sei notwendig, weil sie ständig von schwarzen Studenten hören würde, „dass sie die Universität traumatisiert verlassen“. Als Antwort darauf schlägt sie einen Raum für schwarze Akademiker vor, die Unterstützung brauchen. Auch soll es einen Ort der Gemeinschaft und Fürsorge für schwarze Studenten geben, der es ihnen ermöglicht, in Kontakt mit schwarzen Therapeuten, Beratern und Heilern zu treten. 9 Fast scheint es, als erlebten einige schwarze Studenten die Hochschulbildung umso traumatischer, je mehr es Entkolonialisierungsbestrebungen oder Bewusstseinsförderungsmaßnahmen gegen Rassismus und Mikroaggressionen gibt!

Leider ist die Aufspaltung und Trennung von Studenten wieder in Mode gekommen. Bereits 2016 forderten Studenten erstmals LGBT-Wohnheime auf dem Campus. US-Universitäten bieten zunehmend Wohn- und Freizeiteinrichtungen ausschließlich für schwarze Studenten an. Die Anhänger solcher Maßnahmen verweisen oft auf die historisch höchst erfolgreichen schwarzen Universitäten in den USA. Aber diese Universitäten wurden aus der Not heraus gegründet – zu einer Zeit, als Schwarzen der Besuch der meisten Colleges verboten war. Die heutigen Forderungen nach Rassentrennung entspringen weniger dem Wunsch nach Gleichberechtigung, sondern sie sind vielmehr ein Ausdruck des Strebens nach abgeschotteten, sicheren Räumen auf dem Campus.

Die Befürworter der Freien Schwarzen Universität gehen fälschlicherweise davon aus, dass schwarze Studenten auch schwarze Tutoren, schwarze Kommilitonen und einen schwarzen Lehrplan brauchen, um Erfolg zu haben. Dies beleidigt die vielen schwarzen Studenten, die nicht nur in der Hochschulbildung erfolgreich waren und sind, sondern auch bedeutende Beiträge zur globalen Wissenschaft geleistet haben. Das Wort „Universität“ kommt vom lateinischen „universitas“ und bedeutet „das Ganze, das Totale, die Welt“. Im besten Fall sollten Universitäten allen, die dies anstreben – unabhängig von ihrer Hautfarbe – Zugang zum kollektiven Wissen der Menschheit bieten. Wir können nicht zulassen, dass eine neue „Woke“-Rassentrennung dieses Streben nach kollektivem Wissen untergräbt.

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