31.05.2017

Eine Münze, die ihr Geld nicht wert ist

Kommentar von Christoph Lövenich

Titelbild

Foto: ZuluZulu via Pixabay / CC0

Heute ist Weltnichtrauchertag. Passend dazu wird Helmut Schmidt auf einer Gedenkmünze demnächst ohne Zigarette dargestellt.

Der verblichene Helmut Schmidt hat’s derzeit nicht leicht. Kürzlich wurde ein Porträt von ihm in Wehrmachtsuniform entfernt, das in der (schon zu Lebzeiten) nach ihm benannten Hamburger Bundeswehr-Uni gehangen hatte. Aber nicht nur das, auch eine viel längere Periode im Leben des früheren Kanzlers soll dem Blick entzogen sein: Die rund 80 Jahre als Raucher. Auf einer vom Bundeskabinett beschlossenen Gedenkmünze wird Schmidt ohne charakteristische Zigarette abgebildet. Auf der Zwei-Euro-Münze, die nächstes Jahr aus Anlass seines 100. Geburtstags erscheint, fehlt das Rauchutensil recht offensichtlich.

Nun könnte Künstler Bodo Broschat, von dem der Entwurf stammt, einwenden, dass auf seinem Motiv Schmidts rechte Hand abgebildet ist, während der alte Hanseat seine Mentholzigarette gewöhnlich in der linken zu halten pflegte. Aber an einen Zufall mag man hier nicht glauben. Nicht bei diesem Thema. Seit Jahren wird zielgerichtet versucht, das Rauchen aus der Kunst zu verbannen, sei es durch staatliche Regulierung, sei es durch vorauseilende Anpassung an einen paternalistischen und gesundheitspuritanischen Zeitgeist.

Wie Novo berichtete, schreckt man dabei nicht einmal vor Retuschen zurück. John Lennon, Deng Xiaoping, Jean-Paul Sartre,  Jacques Tati oder Romy Schneider hat es erwischt, posthum wurden die Rauchwaren aus Abbildungen entfernt. In Frankreich entsprach dies jahrelang sogar der Gesetzeslage, so durften zum Beispiel Werbeplakate für Filme über Raucher (Chanel, Gainsbourg) keine Zigaretten zeigen. Das Rauchen auf Leinwand, Bildschirm und Bühne wird in einigen Ländern eingeschränkt. Nicht nur in Erdoğans Türkei.

„Zensur und Geschichtsklitterung gehören zum Repertoire der Tabakbekämpfung.“

Derartige Zensur und Geschichtsklitterung gehören zum Repertoire der globalen Tabakbekämpfung. Offenbar übt der Künstler Broschat den freiwilligen Kotau vor diesem Monstrum, denn verboten wäre es nicht, einen Raucher auf einer Gedenkmünze abzubilden. Oder hat er befürchtet, dass Antiraucher und Volkserzieher in der Bundesregierung sonst den Daumen gesenkt hätten? Ernährungsminister Christian Schmidt (CSU) mit seinem Feldzug gegen die verbliebenen Reservate der Tabakreklame etwa, oder Personen aus Schmidts eigener SPD, die früher mal von Rauchern geprägt wurde und heute von Lehrern.

Deutschlands berühmtesten Gelegenheitsraucher – er hat bei jeder Gelegenheit geraucht – ohne seine typische Zigarette auf eine Münze zu prägen, wird seinem Andenken jedenfalls nicht gerecht. Immerhin muss der bekennende Antiprohibitionist Schmidt nicht mehr erleben, wie 2020 die Mentholzigaretten in der EU per Verbot ausgelöscht werden. Und auch die bei der Bundeswehr vor zehn Jahren installierten, weitgehenden Rauchverbote hätte es unter ihm als Verteidigungsminister wohl nicht gegeben. Was auch immer man von seiner damaligen Politik halten mag, er hat sich um öffentliche Probleme gekümmert, statt den privaten Lebensstil der Menschen durch Gängelung einzuschnüren.

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