18.02.2016

Das Bare soll auf die Bahre

Kommentar von Christoph Lövenich

500-Euro-Scheine sollen abgeschafft, Barzahlungen von über 5000 Euro verboten werden. Mit wenig überzeugendem Verweis auf Geldwäsche- und Terrorismusbekämpfung geraten so die Autonomie und das Eigentum der Bürger in Gefahr.

„There is nothing quite as beautiful as cash.“ 1

„Bar oder mit Karte?“ Noch hat man die Wahl. Rund vier Fünftel aller Bezahlvorgänge in Deutschland, mehr als in vielen anderen Ländern, werden mit Scheinen und Münzen abgewickelt. 2 Wie lange das so bleiben kann, steht in Frage. Die Europäische Zentralbank (EZB) plant die Abschaffung der 500-Euro-Banknote, auf Bundesebene denken Union und SPD ein Verbot von Barzahlungen über 5000 Euro an. Begründet wird diese Obergrenze mit der Bekämpfung der Geldwäsche. Einmal eingeführt, könnte sich die Schraube immer weiter drehen. Das sieht nicht nur Hans-Olaf Henkel (ALFA) so 3, auch der bayerische Finanzminister Markus Söder (CSU) als Vertreter des politischen Establishments erkennt darin den „Einstieg in die endgültige Abschaffung des Bargelds“. 4

Cash mag man altmodisch finden, gar eine dreckige Virenschleuder 5, aber nicht umsonst sagt der Volksmund: Nur Bares ist Wahres. Würde jede Transaktion über Karte erfolgen müssen, hätte dies erhebliche Folgen: Zunächst wäre das Zahlungsverhalten von Ihnen und mir lückenlos überwachbar. „Drei Fernflüge pro Jahr? Ist das denn erlaubt, oder müssen wir uns aus Klimaschutzgründen mit einem Flug begnügen?“ fragt Autor Dirk Maxeiner. „Da verweigert dann die Kreditkarte das frevelhafte Ansinnen.“ 6 Klingt übertrieben? Die jetzige Finanzministerin Norwegens, Siv Jensen, beklagte sich vor Jahren mal darüber, dass es mit ihrer norwegischen Kreditkarte offenbar nicht möglich war, in den USA Zigaretten zu kaufen, was paternalistische Gängelung nahelegt.

In Skandinavien zahlt man bereitwilliger unbar als hierzulande, aber dort sind Schutz der Privatsphäre und individuelles Selbstbewusstsein gegenüber dem Staat ohnehin gering ausgeprägt. So kann man zu jedem schwedischen Einwohner mühelos Adresse, Geburtsdatum und Familienstand aus amtlicher Quelle recherchieren, bequem vom deutschen PC oder Smartphone aus. 7 Aber auch andere Länder haben sich aufs Bargeld eingeschossen, und Obergrenzen von teils unter 5000 Euro gesetzlich verankert, so etwa Italien und – falls einer der Geschäftspartner gewerblich tätig ist – Griechenland, Belgien sowie Spanien. In Frankreich gilt für Inländer gar grundsätzlich ein Maximum von 1000 Euro. Aus diesem Land übrigens soll – unter dem Banner der Terrorbekämpfung – viel Druck auf Deutschland kommen, beim Cash-Bashing nachzuziehen.

„Hinter dem ‚Schutz‘ verbirgt sich wieder einmal die Bevormundung“

Nun sollten deutsche Gesetze nicht in Paris gemacht werden – man lässt sich dort auch nicht die Flüchtlingspolitik aus Berlin diktieren –, aber nicht mal im Inland spielt der demokratische Souverän die entscheidende große Rolle. Zur Begründung der Obergrenze führt SPD-Finanzexperte Carsten Schneider den großem Umfang der Geldwäsche an: „Das kann der Staat nicht akzeptieren.“ 8 Ob der Bürger hinnehmen kann und will, dass man ihm ans Bargeld will, scheint egal zu sein. Ein weiteres Beispiel dafür, dass die politischen Parteien von der Vertretung gesellschaftlicher Interessen gegenüber dem Staat zu Agenturen des Staats verkommen sind, die vom Bürger immer mehr verlangen.

Carsten Schneider hat übrigens vor seiner Wahl in den Bundestag für zwei Banken gearbeitet und gehört derzeit dem Beirat eines Bankenverbands an. 9 Das führt uns zu einem anderen gewichtigen Nachteil einer Bargeldeinschränkung: Der erhöhten finanziellen Kontrolle von Banken und Staat über die Bürger. Schon die Abschaffung von 500-Euro-Scheinen verursacht den Kreditinstituten höhere Aufbewahrungskosten und damit schlechtere Ausweichmöglichkeiten gegenüber steigenden Negativzinsen, die ihnen die Zentralbanken für Geldausleihen berechnen. 10 Diese Negativzinsen machen sich in den vergangenen Jahren auch bei den Bürgern und Unternehmen bemerkbar, entweder direkt durch Zinsen auf das bei der Bank unbar Gelagerte oder – wie in Deutschland bisher noch meist – durch so niedrige Zinserträge für die Sparer bei vielen Anlageformen, dass die entsprechenden Gebühren, die man an seine Bank entrichtet (Kontoführung, Schließfach, Vertragsabschluss) darüber liegen.

Die Banken halten sich an den Kunden schadlos, und die Staaten profitieren von billigerer Schuldenaufnahme. Der Ökonom Hans-Werner Sinn vermutet die Hauptnutznießer unter den hochverschuldeten Regierungen Südeuropas. 11 Bei einer Einschränkung oder gar Abschaffung des Bargeldverkehrs werden die Bürger daran gehindert, sich diesem Prozess zu entziehen, etwa durch Hortung von Scheinen. Bei unseren finanzkompetenten eidgenössischen Nachbarn im Süden „bunkert im Schnitt jeder Bürger 8305 Franken in bar, davon mehr als die Hälfte in Tausendernoten“, wie der Journalist René Scheu mitteilt. „Gäbe es nur noch Buchgeld, könnte der Staat seine Bürger über Nacht still enteignen“. 12 Von einem Besuch aus Argentinien weiß Dirk Maxeiner zu berichten: „Die Menschen legen ihr Geld lieber unters Kopfkissen, als es dem staatlichen Zugriff auszuliefern.“ 13 Es geht dabei nicht nur um den Schutz des Eigentums als solchem, sondern insbesondere um den Erhalt der eigenen Handlungsfreiheit.

Stünde der Bargeldeinschränkung denn ein ernsthafter gesellschaftlicher Nutzen gegenüber? Schon die unterschiedlichen Begründungen, die von Seiten der Obrigkeit angeführt werden (Terrorismus in Frankreich, Geldwäsche in Deutschland, Steuerhinterziehung in Spanien), lassen eine gewisse Willkür und Beliebigkeit erahnen. Dass „die Verbrecher von der (sic) IS künftig den Kaufpreis für ihre Kalaschnikows per Überweisung durch die Sparkasse Eimsbüttel statt in Cash begleichen“ 14, dürfte den Erwartungshorizont übersteigen. Bei Geldwäsche sieht es nicht viel anders aus. Deren Ströme fließen jetzt schon in großen Teilen unabhängig von Bargeld, und die weltweiten Ausweichmöglichkeiten – vom Edelmetall bis zum Bitcoin – sind Legion. 15 Selbst in der Bundesbank geht man davon aus, dass „kaum nennenswerte Effekte für die Vermeidung von Schattenwirtschaft und Kriminalität durch die Abschaffung von Bargeld zu erwarten“ 16 sind. Hinter dem „Schutz“ vor irgendwelchen Übeln verbirgt sich wieder einmal die Bevormundung der Menschen.

Folgerichtig spricht sich Bundesbankpräsident Weidmann gegen solche Maßnahmen aus; 17 der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, betrachtet sie als grundgesetzwidrig, weil „die Freiheitswahrnehmung der Bürger nicht total erfasst und registriert werden darf“. 18 Einige Ökonomieprofessoren, Unternehmer, Autoren usw. haben die Initiative „Stop Bargeldverbot!“ gestartet. 19 Darunter befinden sich einige Anhänger der Österreichischen Schule der Wirtschaftswissenschaften, die im beliebig vermehrbaren, staatlich monopolisierten Papiergeld den eigentlichen Grund für die Finanz- und Wirtschaftskrise erkennen. 20 Eine Cash-Einschränkung würde die staatliche Kontrolle weiter verschärfen. Aus Sicht eines Unterzeichners dieses Appells, des Ökonomen Thorsten Polleit, droht zusätzliches Ungemach: Bei in diesem Zusammenhang steigenden Negativzinsen lohnt sich das Sparen immer weniger, so dass Kapital aufgebraucht würde, das eigentlich für spätere Investitionen vorgesehen wäre. 21 Das gefährdet unseren zukünftigen Wohlstand.

Nachdem die USA schon 1970 Kontrollen großer Barzahlungen gesetzlich verankerten, startete Ende der 1980er-Jahre über die UNO ein schleichender Kampf gegen freies Zahlen, damals unter dem Nenner der Bekämpfung – nein, nicht des Terrorismus oder der Geldwäsche, sondern – des Drogenhandels. 22 Etiketten ändern sich, die Absichten dahinter bleiben. Möge „Cash auf die Kralle“ den Bemühungen trotzen, es einzuschränken und damit die Menschen zu entmündigen. Der Vorstandschef der Deutschen Bank, John Cryan, prophezeite vor ein paar Wochen, dass es in einem Jahrzehnt kein Bargeld mehr gebe. Optimistischer ist da der Journalist Heinz-Roger Dohms, er hält es für „viel wahrscheinlicher, dass es in zehn Jahren die Deutsche Bank nicht mehr gibt“ 23.

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