17.04.2015

Energiewende: Asien spielt nicht mit

Von Fred F. Mueller

Krampfhaft versuchen deutsche Politiker, die Energiewende als „Exportschlager“ zu verkaufen. Ein Blick nach Asien entlarvt dies als Wunschtraum. Wie Fred F. Mueller zeigt, ignorieren Japan, Indien und China westliche Belehrungsversuche und setzen weiterhin auf Kohle und Atom

Immer wieder hat man Gelegenheit, die besserwisserische Art zu bewundern, mit der deutsche Spitzenpolitiker – allen voran Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und Bundeskanzlerin Angela Merkel(CDU)  – die staunende bis amüsierte Mitmenschheit dazu bringen wollen, dem deutschen „Vorbild“ der Energiewende schnellstmöglich nachzueifern. 1 So versäumte es die Bundeskanzlerin nicht während ihres Japan-Besuch im März den Gastgebern, die angesichts der Kosten für die fossile Energieerzeugung möglichst bald auch wieder ihre Kernkraftwerke in Betrieb nehmen wollen, zu raten, am besten gleich ganz auf beides zu verzichten und stattdessen lieber auf Wind und Sonne zu setzen.

Japan setzt auf Kohle

Typisch japanisch nahm man diese deutsche Anmaßung mit freundlich-nichtssagendem Lächeln zur Kenntnis und war so höflich, zunächst einmal einige Wochen verstreichen zu lassen, bevor den Belehrungsversuchen eine klare Absage erteilt wurde. Einer Bloomberg-Meldung vom 9. April 2 ist zu entnehmen, dass Japan aktuell insgesamt 43 Kohlekraftwerke mit einer Gesamtkapazität von immerhin 21.200 Megawatt entweder baut oder plant, die nach Aussage japanischer „Klimaschützer“ jährlich insgesamt 127 Mio. Tonnen CO2 emittieren werden. Verglichen mit den aktuellen Kurzfristzielen der Bundesregierung, die darauf abzielen, von 951 Mio. Tonnen emittierten Kohlendioxids in 2013 bis 2020 auf 750 Mio. Tonnen zu kommen 3, bedeutet dies, dass nur durch die japanischen Kraftwerkspläne ca. zwei Drittel des deutschen „Klimaschutz“-Ziels wieder zunichte gemacht wird.

„Angesichts seiner schwächelnden Ökonomie muss Japan hochpreisige Energiequellen meiden“

Japan setzt vor allem auf Grund der hohen Kosten für Flüssigerdgas (LNG) auf Kohle. Das teure LNG belastet die japanische Handelsbilanz schwer. Angesichts seiner schwächelnden Ökonomie müsse Japan hochpreisige Energiequellen meiden, wenn man die immerhin drittgrößte Volkswirtschaft der Welt wieder auf Wachstumskurs bringen will, analysierte vor kurzem eine amerikanische Studie.

Indien auch…

Die wirklich schlechten Nachrichten für die deutsche „Klimakanzlerin“ kommen jedoch aus einem anderen Teil Asiens. Zur Eröffnung der Hannover Messe, bei der Indien als Partnerland auftritt, pries Merkel gegenüber dem indischen Premier Narendra Modi von der Hindu-Partei die deutsche Energiewende in ungewohnt leisen Tönen als Zukunftsprojekt. Zugleich verweis sie auf den Pariser „Klimagipfel“ im Dezember, auf dem, so ihre Erwartung, sich zeigen werde, wie 130 bis 140 Länder die Produktion erneuerbarer Energien fördern und Schritt für Schritt von der fossilen Energieerzeugung auf erneuerbare Energien umsteigen werden. 4

„Die wirklich schlechten Nachrichten für die deutsche Kanzlerin kommen aus Indien“

Da auch Inder höfliche Leute sind, verzichtete Modi darauf, die Kanzlerin darauf hinzuweisen, dass Indien sich bezüglich seiner Stromversorgung in einer fast schon verzweifelten Situation befindet und deshalb für deutsche Klimarettungsambitionen nur wenig übrig hat. Ein paar Tage vor der Hannover Messe hat das Land einen Plan verkündet, wonach es seine Kohleproduktion bis 2020 auf 1,5 Mrd. Tonnen Kohle pro Jahr verdoppeln möchte. 5 Allein bis 2017 sollen zusätzliche Kraftwerke mit einer Gesamtleistung von fast 76.000 Megawatt in Betrieb gehen. Für die indische Wirtschaft ist dies überlebenswichtig, damit endlich die ständigen Stromausfälle überwunden werden können, die vor allem für Hightech-Industrien einen regelrechten Alptraum darstellen.

CO2-Emissionen im vollen Galopp

Bereits mit diesen beiden Ankündigungen von zwei der weltgrößten Volkswirtschaften, Japan und Indien, kann die Kanzlerin ihre Klimaschutzziele und Planungen für den Pariser Gipfel begraben. Umgerechnet in CO2 werden nur diese beiden Riesen ihren Ausstoß in den nächsten Jahren um zusammen 2,9 Mrd. Tonnen steigern. Gemessen an der Situation im Jahre 2014 entspricht dies einem Anstieg um fast 10 Prozent. Hinzu kommt China, das sich selbst von US-Präsident Obama nicht bekehren ließ und 2006 Kohlekraftwerke im 2-Tage-Rhythmus in Betrieb nahm. Angesichts solcher Dimensionen spielen die 200 Mio. Tonnen, die Deutschland einsparen will, überhaupt keine Rolle. Auch in Paris werden sich diese Länder nicht von Deutschland oder den USA vom Kurs abbringen lassen.

„Erstmals seit Jahren beginnen Verbände, ernsthaft aufzumucken“

Für Merkels vergleichsweise leise Töne gegenüber Indien gibt es jedoch auch einen gewichtigen innenpolitischen Grund: Die tönernen Füße ihrer Klima- und Energiepolitik beginnen sicht- und hörbar zu bröckeln. Erstmals seit Jahren beginnen Verbände, die bisher brav alles geschluckt haben, was diverse Bundesregierungen ihnen vorgesetzt haben, ernsthaft aufzumucken. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), in dem vor allem die rotgrün dominierten Stadtwerke das Sagen haben, hat just zur Eröffnung der Hannover Messe eine Pressemitteilung herausgegeben, die vor einem dramatischen Einbruch bei Kraftwerksneubauten warnt. Hildegard Müller, als enge Vertraute der „Klimakanzlerin“ vor einigen Jahren an die Spitze der Organisation berufen, geht inzwischen auf Distanz zu ihrer Mentorin und sieht die Zukunft der Stromversorgung in Gefahr. Das sind ganz neue und für Merkel bedrohliche Töne aus einer Ecke, in der bisher die Funktionäre der Stadtverwaltungen alles beklatschten, was Kernkraft und Kohlekraft verteufelte. Eine klares Zeichen dafür, wie ernst die Situation aufgrund der in sinnlosen Wind- und Fotovoltaikprojekten versenkten Abermilliarden für die Stadtwerke und kommunalen Energieerzeuger inzwischen geworden ist.

Ein ebenso deutliches Warnsignal für die Kanzlerin dürfte auch die Tatsache sein, dass der deutsche Mittelstand sich inzwischen traut, in seiner Verbandszeitschrift solche Kritik offen aufzugreifen. Merkel, deren verblüffende Kurventauglichkeit bei sich drehendem politischem Wind ja bestens bekannt ist, dürfte sich inzwischen bereits mit der Frage beschäftigen, wie sie auch diesmal rechtzeitig eine 180 °- oder noch besser sogar eine 540 °-Wende hinbekommt. Vermutlich wird dabei der eine oder andere ihrer Mitstreiter, der heute noch groß ins „Klimaschutz“-Horn tutet, plötzlich über Bord gehen und sich unerwartet im kalten Wasser wiederfinden. Der Verlauf des „Klimagipfels“ im Dezember in Paris könnte dabei möglicherweise als Wendemarke dienen.

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