07.04.2016

Opas Lotto stirbt

Kommentar von Christoph Lövenich

Klassisches Glücksspiel befindet sich auf dem absteigenden Ast, aber am staatlichen Monopol wird nicht gerüttelt. Eine etwaige Legalisierung könnte allerdings in übermäßige Regulierung ausarten

Lotto hat die beste Zeit hinter sich“ und „Bundesländer wollen am alten Glücksspielstaatsvertrag festhalten“ lauteten kürzlich Schlagzeilen. Beides hängt miteinander zusammen. Nach einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat sich die Zahl der Lottospieler gegenüber 2009 fast halbiert. Wachstumsmärkte hingegen sind private Onlinecasinos und Sportwetten. Diese aber drängt die deutsche Glücksspielregulierung europarechtswidrig in die Illegalität bzw. in den Graumarkt. Auf ihrer Konferenz im März konnten sich die Ministerpräsidenten der deutschen Bundesländer nicht auf eine grundlegende Korrektur der Glücksspielregulierung einigen. Der Knoten ist nicht geplatzt, nur im Aprilscherz. Angesichts der Entwicklungen in letzter Zeit könnte dies ohne Weiteres die Eröffnung eines Vertragsverletzungsverfahrens durch die EU nach sich ziehen.

Das anachronistische Glücksspielmonopol, an dem die Länder krampfhaft festhalten, läuft faktisch ins Leere, ob nun durch Rechtsprechung des EuGH oder durch Internetangebote ausländischer Firmen. Die Durchsetzung der Prohibition mittels repressiver Maßnahmen bleibt unrealistisch. In dieser Konstellation kann der Schutz vor Spielsucht, gemäß deutschem Glücksspielstaatsvertrag und EU-Gesetzgebung Legimationsgrundlage für eine solch restriktive Gesetzgebung, gerade nicht erreicht werden. Warum also hält die Landespolitik – oder besser gesagt die zuständigen Landesbürokratien – immer noch an diesen starren Vorstellungen fest, wo ihr dadurch auch noch gewaltige Steuereinnahmen entgehen? Eine Motivation liegt in den landeseigenen Gesellschaften des Lotto- und Totoblocks (DLTB), mit ihren lukrativen Versorgungspöstchen für ausrangierte Politiker. „‚Dieser Filz muss endlich beendet werden‘“, forderte der Präsident des Deutschen Sportwettenverbands (DSWV) jetzt zu Recht. Ein anderer Grund besteht wohl in geistiger und institutioneller Unbeweglichkeit.

Selbst die hessische Landesregierung, die auf der Ministerpräsidentenkonferenz mit ihren Reformvorschlägen gescheitert ist, wollte das Staatsmonopol, das etwa die Privatisierungen im Bahnsektor, bei Post und Telekommunikation hartnäckig überlebt hat, letztlich nicht antasten. Aber auch ihre sinnvollen Ansätze, den Staatsvertrag etwas liberaler, z.B. durch Sportwettenkonzessionen ohne sachlich unberechtigte Obergrenze, und demokratischer, durch Abschaffung des grundgesetzwidrigen Glücksspielkollegiums, zu gestalten, sind gescheitert. Stattdessen sollen nur kosmetische Korrekturen erfolgen. Die Besitzstandswahrer scheinen diese Schlacht für sich gewonnen zu haben.

„Legalisieren, um zu regulieren, kann sogar in gezielte Konsumentenvergrämung münden“

Manche mögen sich noch in vergangenen Zeiten wähnen, als die BRD-Fernsehnation an den Lippen der Lottofee hing. Aber Opas Lotto stirbt aus, während die menschliche Spielleidenschaft fort lebt. Spannenderen Formaten gehört die Zukunft. Auch die goldene Ära der überwiegend von den Bundesländern betriebenen Spielcasinos ist vorbei, man denke an die Umsatzeinbrüche nach Inkrafttreten der dortigen Landesrauchverbotsgesetze und anderer Regulierungen. Mit der Verlagerung ins Internet – und dem Tempo von Veränderungen generell – können die staatlichen Anbieter offenbar nicht mithalten. Wenn man sich endlich vom obrigkeitsstaatlichen Gedanken der Kanalisierung des Spieltriebs in langweilige, von den Monopolisten kontrollierte Bahnen trennt, kann man einen dynamischen und innovativen privaten Glücksspielmarkt bejahen, der die Bedürfnisse der Spieler zu befriedigen versucht.

Denn legalisieren, um zu regulieren, kann deutlich nach hinten losgehen und sogar in gezielte Konsumentenvergrämung münden, wie wir es beim Tabak erleben, aber zunehmend auch bei Spielautomaten. Jedenfalls bei solchen, die nicht in Staatscasinos hängen, sondern in der Gastronomie oder in Spielhallen. Begrenzung ihrer Anzahl, Abstandsgebote zwischen Spielhallen, Steuererhöhungen, Warnhinweise, Spielerkarten, Spielersperrungen, technische Details – alles Maßnahmen, die erfolgen oder wenigstens diskutiert werden. Aufs Internet lassen sie sich nur begrenzt übertragen, unversucht wird man das aber nicht lassen und dabei zwangsläufig in Konflikt mit dem Datenschutz geraten – wie aktuell beim Bemühen um die Blockade von Finanztransaktionen absehbar.

Ein Ende der derzeitigen Halblegalität vieler Angebote – so weit entfernt und so erstrebenswert es auch erscheinen mag – könnte letztlich mit unattraktiveren Spielen sowie zunehmender Überwachung einhergehen und sich so als Pyrrhussieg für die Freiheit und für die Interessen der Unternehmen wie der Spieler erweisen. Konsequent wären vielmehr ein Ende des Paternalismus, ein Nein zur Bevormundung und ein Bekenntnis zur Autonomie des Einzelnen, nach seinem Gusto zu spielen. Eigentlich selbstverständlich für aufgeklärte Menschen, heutzutage aber ein mutiger Schritt, der grundlegender gesellschaftlicher Debatten bedarf.

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