28.08.2023

Die Welt verbrennt nicht

Von Thilo Spahl

Titelbild

Foto: skeeze via Pixabay / CC0

Waldbrände sind kein Beleg für eine Klimakrise, sondern für menschliches Versagen.

„Das Klimamonster nährt sich an Kanadas Wäldern“, titelte die F.A.Z. am 25. August. Im Artikel heißt es: „Schon vor dem Ende dieses schwarzen kanadischen Sommers jedoch ist klar: Dieser Horror hatte viele Gründe, viele menschliche Feuerteufel auch, vor allem aber hatte er einen starken Treiber: Der Brandbeschleuniger heißt menschengemachter Klimawandel.“

Viele Gründe, aber vor allem einen Treiber! Ist das tatsächlich so? Ist der Klimawandel der große Treiber, der für immer mehr und immer schlimmere Brände sorgt? In der F.A.Z. bezieht man sich auf eine jüngst erschienene Studie eines florierenden Forschungsgebietes, der sogenannten Attributionsforschung. Die beschäftigt sich damit, in welchem Maße der Klimawandel an all den schlimmen Wetterereignissen schuld ist, von denen irgendwo in der Welt immer gerade eines zu beklagen ist. Dazu werden Modelle erstellt und Computer mit Daten gefüttert. Herausgekommen ist aktuell laut F.A.Z.: „Die Vegetation, Trockenheit, die ungewöhnliche Hitze, die Winde – das alles zusammengenommen ist durch den Klimawandel inzwischen so stark verändert, dass sich das Risiko für eine Feuerserie wie über den gesamten untersuchten Zeitraum von Mai bis Juli um ein Fünftel erhöht hat. Ende Juli, dem Zeitpunkt des ungünstigsten „Feuerwetters“, war die Intensität um 50 Prozent erhöht, verglichen mit einem hypothetischen Klima ohne anthropogene Erwärmung.“

Tatsächlich erlebt Kanada in diesem Jahr katastrophale Brände, und der Klimawandel leistet hier wohl einen Beitrag. Dazu weiter unten mehr. Die entscheidende Frage ist aber nicht, ob in bestimmten Regionen das Risiko für Brände durch den Klimawandel steigt. Das ist zwar wichtig zu untersuchen, damit man sich darauf einstellen kann und dafür sorgen, dass sie in Zukunft durch geeignete Maßnahmen vermieden werden. Die entscheidende Frage ist, ob Brände global betrachtet zunehmen.

„Die entscheidende Frage ist nicht, ob in bestimmten Regionen das Risiko für Brände durch den Klimawandel steigt. Die entscheidende Frage ist, ob Brände global betrachtet zunehmen."

Auf der Website des Europäischen Waldbrandinformationssystems (EFFIS) kann man sich anschauen, wie die Brandsituation in allen Regionen der Welt gerade ist. Die folgende Abbildung zeigt links Kanada, in der Mitte die USA, rechts Europa. Die rote Linie zeigt die verbrannte Fläche für dieses Jahr (bis zum 26. August), die blaue Linie den Durchschnitt der letzten 10 Jahre und die hellblaue Fläche die Spannbreite der letzten 10 Jahre.

Im bisher heißesten Jahr, seit es Temperaturmessungen gibt, haben wir also demnach in Kanada katastrophale Brände, in den USA haben wir jedoch den niedrigsten Wert seit über zehn Jahren und in Europa liegen wir am untersten Rand der Variation. Ergänzen kann man, dass Asien leicht unter dem Durchschnitt liegt, Ozeanien leicht über dem Durchschnitt und der amerikanische Doppelkontinent, inklusive Kanada, am oberen Rand der Spannbreite.

Globale Trends

Unsere Wahrnehmung wird wesentlich durch die Berichterstattung in den Medien geprägt. Wir hören immer wieder von schlimmen Bränden, die einige Zeit die Nachrichten und Magazinsendungen füllen. In diesem Jahr waren das vor allem die Brände in Kanada, die ein Rekordausmaß erreichten. Es waren die Brände auf Rhodos und anderen griechischen Inseln, weil Urlaubsorte natürlich von besonderem Interesse sind, später auch auf Hawaii. Von den meisten Bränden hören wir nichts.

Um Trends zu erkennen, nutzt uns die Einzelbetrachtung ohnehin nichts. Da müssen wir statistische Auswertungen anschauen. Zwei Fragen interessieren besonders: Nehmen Brände zu? Und ist der Klimawandel daran schuld? Die erste Frage können wir, global betrachtet, mit „Nein“ beantworten.

Eine Studie der Europäischen Weltraumagentur ESA zeigt, dass Satellitenauswertungen von 1982 bis 2018 keinen Trend in der global verbrannten Fläche erkennen lassen.

Das gilt auch für Südeuropa. Auch wenn vielfach kolportiert wird, Südeuropa müsse bald aufgegeben werden, ist die Entwicklung dort eindeutig rückläufig. Feuer nehmen seit rund 20 Jahren deutlich ab und auch bei der von Bränden betroffenen Fläche geht der Trend leicht nach unten. (Quelle: Report „Forest Fires in Europe, Middle East and North Africa 2021" der EU)

Auch wenn man die weltweit freigesetzte Menge an Kohlenstoff aus Bränden betrachtet, geht der Trend laut Erfassung durch den Copernicus Atmosphere Monitoring Service nicht nach oben, sondern nach unten:

Diese Befunde sind wenig verwunderlich. Da Dürren der entscheidende Faktor sind und der Klimawandel eher zu einer Zunahme von Niederschlägen führt, ist aufgrund des Rückgangs von Dürren (siehe folgende Abbildung), eine Zunahme von Bränden in Folge des Klimawandels eher unwahrscheinlich. (Quelle: Björn Lomborg)

Die Ursachen von schweren Bränden

Waldbrände sind schlimm und bedrohlich. Aber sie waren schon immer Teil der Natur. Bevor der Mensch die Bühne betrat, waren sie sehr viel seltener – über 90 Prozent werden von Menschen, absichtlich oder auch nicht, verursacht – aber sie brannten auch ungestörter, da niemand kam, um sie zu löschen. Waldbrände werden dann zu einem großen Problem, wenn sie eine sehr hohe Intensität erreichen, sodass sie den Wald komplett zerstören und die Regeneration lange dauert. Und sie sind ein Problem, wenn sie menschliche Siedlungen erreichen und unser Hab und Gut und manchmal sogar Menschenleben vernichten.

Es brennt nicht von allein. Über 90 Prozent der Brände werden von Menschen ausgelöst. Das Wetter hat Einfluss darauf, wie stark sich Brände ausbreiten und wie schwer sie zu löschen sind. Wenn sich in einzelnen Regionen ein Trend zu mehr Feuerwetter (s.u.) zeigt, dann sollte man dort die Feuerprävention ausbauen. Das sollte man allerdings auch tun, wenn es keine Veränderung gibt, aber in der Region Brände schon immer schadensträchtig waren.

„Insgesamt führt die Klimaerwärmung aber eher zu weniger Bränden, da Niederschläge im Durchschnitt zunehmen."

Hitzetage nehmen tatsächlich zu. Hitze trägt durch verstärkte Verdunstung zur Trockenheit bei. Das ist das Fünkchen Wahrheit, wenn behauptet wird, der Klimawandel treibe Waldbrände. Beim einen oder anderen Feuer mag das eine Rolle spielen. Insgesamt führt die Klimaerwärmung aber eher zu weniger Bränden, da Niederschläge im Durchschnitt zunehmen.

Der entscheidende Faktor ist der Mensch. Wir tun Dinge, die das Risiko erhöhen. Beispielsweise bauen wir Stromleitungen durch den Wald und wir nutzen ihn für Freizeitaktivitäten. Und wir tun Dinge, die das Risiko senken. Beispielweise errichten wir Brandschneisen.

Was sagt der IPCC?

Laut Weltklimarat IPCC gibt es kein Signal, dass der Klimawandel global betrachtet zu mehr und schwereren Bränden führt. Und es wird selbst für die völlig unplausiblen Worst-Case-Szenarien nicht damit gerechnet, dass sich das bis zur Mitte oder bis zum Ende des Jahrhunderts ändern wird. In der folgenden Tabelle aus dem IPCC-Report „Climate Change 2021 – The Physical Science Basis!"), (Abb.12.12.) sind die Felder für Trockenheit, Dürre und Feuerwetter weiß. Das bedeutet, dass es keine Belege für eine Zunahme gibt und auch für die Zukunft keine erwartet werden. (Dunkelblau heißt hier „hohes Vertrauen, dass eine Zunahme erfolgt“, hellblau bedeutet „mittleres Vertrauen“.)

Der Klimawandel würde dann Feuer begünstigen, wenn er zu einer Zunahme von Feuerwetter führen würde. Feuerwetter definiert der IPCC im genannten Report so: „Wetterbedingungen, die das Entstehen und die Aufrechterhaltung von Waldbränden begünstigen, in der Regel auf der Grundlage einer Reihe von Indikatoren und Kombinationen von Indikatoren wie Temperatur, Bodenfeuchtigkeit, Luftfeuchtigkeit und Wind. Das Brandwetter umfasst nicht das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Brandlasten. Hinweis: Unterscheidet sich vom Auftreten von Waldbränden und der verbrannten Fläche.

Brände kontrollieren

Die Attributionsforschung sagt nichts darüber aus, ob durch den Klimawandel Brände zunehmen. Sie sagt nur etwas darüber, ob in bestimmten Regionen das Risiko für Brände zunimmt. Im 21. Jahrhundert ist der entscheidende Faktor, ob Brände außer Kontrolle geraten, nicht Hitze oder Trockenheit oder Wind, sondern was wir tun, um sie unter Kontrolle zu halten. Brände werden zu über 90 Prozent durch Menschen ausgelöst und sie werden mittels Präventionsmaßnahmen und Feuerbekämpfung zu 100 Prozent von Menschen kontrolliert, zumindest dort, wo ein ausreichendes Interesse daran besteht und nicht bewusst darauf verzichtet wird – manchmal sehr gut und manchmal skandalös schlecht.

Wenn wir den Menschen verantwortlich machen wollen, brauchen wir nicht den Umweg über den menschengemachten Klimawandel zu gehen, der nur sehr indirekt und sehr wenig beiträgt. Wir Menschen sind viel unmittelbarer für die Brände verantwortlich.

Umgekehrt sollten wir Brände auch nicht sehr indirekt und extrem ineffektiv über den Umweg von Klimaschutzmaßnahmen zu bekämpfen versuchen. Mehr Windräder in Deutschland aufzustellen, hat vielleicht in ferner Zukunft einen klitzekleinen Effekt. Präventives Verringern des brennbaren Materials, verbesserte Feuerdetektion und frühzeitiges Löschen, Schutz von Siedlungen durch Brandschneisen bzw. eine Landschaftsgestaltung und -nutzung, die die Brandgefahr minimiert, vernünftige Wartung von überirdischen Stromleitungen, Brandschutzvorschriften für Gebäude, Autos, etc., geringere Anreize und strengere Strafverfolgung bei Brandstiftung u.a.m. wirken schnell und effektiv. Das einzig Dumme daran: Wenn schwere Brände verhindert werden, fehlt den Medien Bildmaterial, um den Schrecken des Klimawandels zu illustrieren.

„Aufgrund der Erwärmung dehnt sich zudem der Wald nach Norden aus. Wenn der Wald zunimmt, kann auch mehr Wald brennen.“

Der in der öffentlichen Debatte wenig präsente, bisher deutlichste Effekt des Klimawandels (genauer gesagt, der steigenden CO2-Konzentrationen) ist das „Global Greening“. Die Welt wird immer grüner. Das Pflanzenwachstum beschleunigt sich durch die CO2-Düngung. Es gibt daher immer mehr brennbare Biomasse. Und das Ausmaß von Bränden hängt vor allem davon ab, wieviel brennbares Material vorhanden ist. Die folgende Abbildung zeigt die Zunahme (und in wenigen kleinen Regionen auch Abnahme) der globalen Vegetation. (Quelle: Zhu et al.)

Bei der Prävention müssen wir jedoch beachten: Je erfolgreicher wir Brände verhindern, desto höher baut sich die Brandlast auf und desto höher das Risiko, dass schwere, unkontrollierbare Brände entstehen. Entscheidend ist daher, dass Totholz aus dem Wald entfernt wird. Und oft geht das am einfachsten durch kontrolliertes Abbrennen. Kleine Feuer schützen vor großen Feuern. Das Risiko für schwere Brände steigt also mit der Länge der Zeit, in der es nur wenig brennt. Folgende Darstellung für Quebec von der National Forestry Database eignet sich als Illustration für diesen Sachverhalt. 2013 gab es sehr schwere Brände. Es folgten neun Jahre mit sehr geringer Feueraktivität. 2023 folgen nun wieder sehr schwere Brände.

Kanada

Kanada ist ein interessanter Fall. Kanada ist riesig und rund 40 Prozent der Landfläche bestehen aus Wald, insgesamt rund 3,62 Millionen Quadratkilometer, was ziemlich genau zehn Mal der Fläche von Deutschland entspricht. In Kanada wurden laut Behördenangaben in diesem Jahr bis zum 26. August 2023 5917 Brände gezählt, die knapp 150.000 Quadratkilometer Wald verbrannt haben, also rund vier Prozent der Waldfläche Kanadas. In normalen Jahren sind es nur etwa 22.000 Quadratkilometer pro Jahr, und das Jahr ist noch nicht zu Ende. Es wird also ein Rekord, der das nächstschlimmste Jahr um ein Vielfaches übersteigt.

In Kanada ist es recht plausibel, dass der Klimawandel zu einer Zunahme von Bränden beiträgt. Der wichtigste Faktor ist das oben erwähnte Global Greening. Aufgrund der Erwärmung dehnt sich zudem der Wald nach Norden aus. Wenn der Wald zunimmt, kann auch mehr Wald brennen. Der zweite Faktor ist der Temperaturanstieg. Der fällt in den nördlichen Breiten sehr viel stärker aus als etwa in Afrika. Mehr Wärme führt zu mehr Verdunstung und damit zu größerer Trockenheit. (Die Verdunstung führt zwar auch zu mehr Niederschlägen. Die fallen aber nicht notwendig dort vom Himmel, wo die Verdunstung besonders groß ist). Grundsätzlich sollte es uns daher nicht wundern, wenn in Kanada Waldbrände zunehmen würden. Einen deutlichen Trend konnte man bisher jedoch nicht beobachten. Bis zum Katastrophenjahr 2023 waren die schlimmsten Jahre 1989, 1994 und 1995, während 2020 ein Rekordminimum aufwies (das ggf. dadurch erklärt werden kann, dass die Menschen aufgrund der Corona-Lockdowns weniger Feuer entzündet haben).

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